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SCHWEINFURT/GRAFENRHEINFELD
Hubert Lutz: Ich war vor dem Reaktor da
Hubert Lutz kämpft sein fast 40 Jahren gegen Atomkraft. Mit der Abschaltung von Grafenrheinfeld hört das nicht auf. Im Gegenteil.
Hat nie lockergelassen: Hubert Lutz war 20 Jahre Vorsitzender der BA-BI. Rückblickend sagt er: »Ich war nie draußen aus dem Widerstand.«
Foto: Martina Müller | Hat nie lockergelassen: Hubert Lutz war 20 Jahre Vorsitzender der BA-BI. Rückblickend sagt er: »Ich war nie draußen aus dem Widerstand.«
Hannes Helferich
Hannes Helferich
 |  aktualisiert: 07.11.2019 21:10 Uhr

Nur einmal zögert Hubert Lutz beim Gespräch mit unserer Redaktion. Er rechnet, weil er nicht mehr weiß, wie lange Jahre er der Vorsitzende der Bürgeraktion Umwelt- und Lebensschutz, Bürgerinitiative gegen Atomanlagen, kurz BA-BI, ist. Es sind 20 Jahre. Lutz, heute 58 Jahre alt, ist in Bergrheinfeld in einem „kleinbäuerlichen, katholisch sozialisierten Milieu“ groß geworden. Bei der Formulierung lacht er.

Hubert Lutz ist Stift beim Kufi, macht eine Elektriker-Lehre und im Dorf bei der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) engagiert. Vom geplanten Kernkraftwerk ist die KJG nicht so sehr begeistert. Und der junge Hubert – Physik war in der Schule eines der Lieblingsfächer und dann die Elektriker-Lehre – „hat vom Thema was verstanden“. Und sich immer intensiver beschäftigt, weil er die Gefährlichkeit mehr und mehr erkannt hat.

1972 ist die Geburtsstunde des Widerstands. Im Juli wird die Bürgeraktion Umwelt- und Lebensschutz gegründet, der Vorgänger der BA-BI, die Lutz „sehr bürgerlich vorkam“. 1973 stellt die Bayernwerk (Eon-Vorgänger) den offiziellen Bauantrag. 1974 wird die Genehmigung zum KKW-Bau erteilt und Hubert in diesem Jahr „zum endgültigen Gegner“. Das sei ein Prozess gewesen und er geht auch zu Demos, obwohl der Vater das verboten habe, man könnte ja verhaftet werden.

In der KJG-Zeitung haben die jungen Kernkraftgegner auf die Gefährlichkeit hingewiesen. Mutig war das zu jener Zeit, weil das auch gegen die CSU-Richtung war, die viele guthießen. Deshalb auch seien „wir enorm angefeindet worden“. Bis 1977 bleibt Lutz beim Kufi. Er macht das Abitur am Bayernkolleg nach und studiert Psychologie in Würzburg, arbeitet unter anderem als selbstständiger Berater. Seit 1998 leitet der Diplom-Psychologe die heilpädagogische Tagesstätte einer Förderschule in Schweinfurt.

Das ist meine Heimat

Der seit 1986 verheiratete Vater dreier Töchter überlegte lange, ob er nach Schweinfurt zurückkehren soll. Wieder in die Nähe des Kernkraftwerkes. Dann haben er und seine Frau sich aber gesagt: „Das ist meine Heimat und ich war vor dem Reaktor da. Das Kernkraftwerk und die Gefährdung müssen weg aus meiner Heimat“.

Hubert Lutz hatte sich in seiner Würzburger Zeit auch in der dortigen KJG engagiert, die Kontakt zu den Widerstandsgruppen gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf hatte. „Im Hüttendorf dort haben wir oft Schweinfurter Kernkraftgegner getroffen“, erinnert er sich. Auch damals schon hatten die Würzburger KJGler – und damit Lutz – mit der Schweinfurter BA-BI zusammengearbeitet. Beim Tschernobyl-bedingten „Kreuzweg der Schöpfung“, dem Fußmarsch von Wackersdorf nach Gorleben mit Station auch in Grafenrheinfeld, hat die KJG Würzburg mit Lutz den unterfränkischen Streckenabschnitt organisiert. „Ich war nie draußen aus dem Widerstand“, sinniert Lutz.

Die Klagen gegen das KKW seien 1984 zu Ende gewesen, der Widerstand damals etwas abgeebbt. Dann aber kam Tschernobyl, das gezeigt habe, „wie recht wir doch hatten“. Danach ist das Thema von der BA-BI immer hochgehalten worden, wenn es Störfälle gab. Lutz erinnert an das berühmte Wallmann-Ventil, an das erste Kinderkrebsregister. „Es ist uns gelungen, dass der Widerstand nicht mehr so eingeschlafen ist, wie vor Tschernobyl“.

Jedes Jahr habe man Demos veranstaltet, es gab Aktionen wie die mit 20 000 Postkarten wegen des desaströsen Katastrophenschutzes, natürlich die Proteste gegen die Castor-Transporte und die Verladungen am Bahnhof in Gochsheim. Lutz erinnert sich hier an die spektakulären Aktionen von Robin Wood, die den Castor-Transport blockierten. „Wir haben die mutigen jungen Leute unterstützt“.

20 Jahre steht er nun an der Spitze der BA-BI, über 40 Jahre ist er im Widerstand. „Es war immer ein Kampf David gegen Goliath“, sagt er. Dann, am 12. März 2011 der nächste Super-GAU im japanischen Fukushima. Dass in Grafenrheinfeld nun bald „keine nukleare Kettenreaktion mehr vorhanden“ sein werde, dass Deutschland aussteige aus der Kernenergie, das freut Hubert Lutz.

Aber: Es gibt weiter Atomkraft, was ihn gerade nach Fukushima fragen lässt, „wann die verbohrten Kernkraftbefürworter etwas lernen“. Und auf lokaler Ebene weicht seine Angst nicht, weil hier Atommüll gelagert wird in einem Zwischenlager mit dem Namen Bella.

„Hier sehe ich großen Handlungsbedarf“, sagt Lutz. Die BA-BI „muss und wird weiter aktiv bleiben“, damit beim nicht ungefährlichen Rückbau „kein Schmu getrieben wird“, und beispielsweise radioaktive Bestandteile nicht beim Straßenbau verwendet werden.

Gibt es auch ein positives Fazit? „Ja, es hat sich in vielen Köpfen etwas verändert, aber das hat lange gedauert“.

  • Hier geht es zu unserem Special über das Atomkraftwerk 
 
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