zurück
POPPENHAUSEN/BAD KISSINGEN
Hopfen und Malz, Gott erhalt's!
Jeden Dienstag und Mittwoch beginnt Franz Breitschopf aus Poppenhausen um sieben Uhr seinen verantwortungsvollen Dienst.
Mit dem Messstab an der Sudpfanne: Braumeister Franz Breitschopf hat jetzt 10,2 Hektoliter Stammwürze im Kessel. Letztendlich sollen es 10,6 Hektoliter werden.
Foto: Isolde Krapf | Mit dem Messstab an der Sudpfanne: Braumeister Franz Breitschopf hat jetzt 10,2 Hektoliter Stammwürze im Kessel. Letztendlich sollen es 10,6 Hektoliter werden.
Von unserem Redaktionsmitglied ISOLDE KRAPF
 |  aktualisiert: 02.01.2012 19:37 Uhr

Die Sudpfanne dampft und brodelt auf Hochtouren. Franz Breitschopf lugt prüfend in das dunkle Nass hinunter. In aller Herrgottsfrüh hatte der Braumeister schon 180 Kilo Malzschrot in den mit Einmaischwasser aufgefüllten Riesenbottich rinnen lassen. Das Rührwerk tat inzwischen, wie ihm befohlen: „Bei 60 Grad wurde aus hochmolekularem Eiweiß durch das Enzym Protease niedermolekulares Eiweiß“, wirft mir der 70-jährige Poppenhäuser beifallsheischend hin. „Aha!“, sage ich verständig und krame fieberhaft in meinem geistigen Chemie-Archiv nach der Bedeutung von Protease?

Der Mann weiß offenbar, was er tut. Auch mit dem Lehrsatz, dass die Maische weiter auf 70 Grad erwärmt werden muss, damit die Maltasen die Stärke des Malzes in Zucker umwandeln können, beeindruckt er mich. Klingt ja auch logisch. Bloß: Ich versteh' rein gar nichts. Aber ich bin eben auch kein Braumeister mit 56 Jahren Berufserfahrung, unter anderem in der Schweiz und in Schweden.

Zweieinhalb Stunden dauert der Verzuckerungsprozess, doziert der Fachmann weiter. „Der Malzzucker ist die Stammwürze, die später durch die Hefe vergoren wird und aus der dann Alkohol und Kohlensäure entstehen.“ Jetzt muss ich den Bier-Wissenschaftler aber mal stoppen. Seine Kenntnisse in allen Ehren: Aber ich will hier keine Ausbildung zur Lebensmittelchemikerin machen, sondern nur beim Bierbrauen zuschauen.

Breitschopf hat's mir angemerkt, dass ich nun Taten sehen will. Ein Knopfdruck am Schaltbrett genügt, damit die Maische nach und nach auf 76 Grad hochgeheizt und dann in den Läuterbottich gepumpt wird. Das Abläutern dauert eine Stunde: Dabei wird aus den Malzrückständen die Vorderwürze herausgequetscht und wieder in die Sudpfanne geschwemmt. So jedenfalls würde ich das in meinem laienhaften Jargon ausdrücken.

Und das alles muss schö-ö-ö-n gemächlich ablaufen. Denn hier beginnt die Kunst des guten Bierbrauers. Das wird mir klar, als der Mann mir gegenüber immer mal mit einem langen Eisenstab, an dem vorn ein Schöpf-Gläschen hängt, in die nährreichen Tiefen der Sudpfanne hinabfährt und eine Kostprobe mit an die Oberfläche bringt. „Man muss die Stammwürze zwischendurch auf Geruch und Trübungswert prüfen“, sagt er und hält den Becher mit dem braunen Gemisch abwägend vor die Augen. Er hebt es, senkt es wieder, dreht es.

Schließlich muss die hochsensible Brauer-Nase ran: Breitschopf riecht flüchtig, schnüffelt dann intensiv an dem wabernden Dunst. Dann schaut er sinnend kerzengeradeaus. Das Ergebnis dieses hypersensorischen Tests erfahre ich nicht. Berufsgeheimnis?

Doch damit nicht genug: Später entnimmt der Meister des süffigen Trunkes in einem schmalen Metallzylinder erneut Malzextrakt und schiebt dem Behältnis die Zuckerspindel wie ein Thermometer in den Rachen. Der „Patient“ ist in diesem Stadium des Kochvorgangs offenbar „gesund“: Breitschopf misst 12,5 bis 13 Prozent Stammwürze. „Das sind 13 Kilogramm Malzzucker pro 100 Liter“, klärt er mich auf.

„Hier wird nichts filtriert, stabilisiert und pasteurisiert.“

Franz Breitschopf, Braumeister

Dennoch ist der Würzgehalt noch nicht vollkommen, denn ein „gesundes“ Vollbier, wie es nach alter Tradition am „Wittelsbacher Turm“ zwischen Oerlenbach und Bad Kissingen gebraut wird, hat etwa elf Prozent Stammwürze. Während der so genannte Treber - das sind die Malzrückstände - im Läuterbottich mechanisch aufgehackt und mit Wasser überspült wird, damit der restliche Extrakt in der Sudpfanne aufgesaugt wird, hält Breitschopf den langen Messstab in die Pfanne gegenüber. Denn wenn das Bierchen später munden soll, darf der Sud nicht zu dünn werden. Die vorhandenen 10,2 Hektoliter will der Fachmann erst noch geringfügig vermehren, bevor er die Hopfen-Pellets aus dem Gefrierschrank holt.

Ich weiche ihm nicht von den Fersen und habe ihn inzwischen in den so genannten „Gärkeller“ verfolgt, wo er 120 Gramm der gefriergetrockneten grünen Hopfen-Plättchen abwiegt. „Das entspricht etwa vier Kilogramm Naturhopfen“, setzt er mich in Erstaunen und präsentiert mir plötzlich die Schüssel vor der Nase, weil ich mal dran riechen soll. Was mir da aus den gepressten Dolden entgegenschlägt, weiß ich nicht einzuordnen: Riecht es streng oder nur intensiv? Mag ich den Duft oder ist er unangenehm? Ich einige mich mit mir selbst auf die positive Schreibweise, dass die Pellets eine „intensive Natürlichkeit“ ausdünsten.

100 Grad muss der Sud jetzt haben, damit sich die Hopfen-Bitterstoffe lösen können, sagt der Bierbrauer, als wir schnellen Schrittes zur Sudpfanne zurückeilen. Dieser Kochvorgang ist vermutlich ausschlaggebend dafür, dass das Bier später ein echtes Geschmackserlebnis wird, überlege ich gerade und beuge mich über die Sudpfanne. Das Gebräu da unten sieht, nach Gabe des Hopfens, aus wie Erbsenbrei. Unvorstellbar, dass daraus süffiges Bier werden soll! „Aber der Hopfen verbindet sich mit dem Eiweiß und setzt sich am Boden ab“, beruhigt mich Breitschopf. Dann ist der Kochvorgang abgeschlossen und der Sud wird über den Plattenkühler in den Whirlpool gepumpt. Dabei werden die „Trubteile“ (das Trübe) in die Mitte gewirbelt, während der braune Gerstensaft im Gärtank landet.

Ja, und wer glaubt, dass man sich nun bald im Gärkeller ein Bierchen zapfen kann, der irrt: Zwei Wochen muss das Bier in spe erst mal gären, dann zwei weitere Wochen lagern. Was heute gebraut wird, ist sozusagen das Bier von übermorgen. „Es gibt Großbrauereien, die machen Schnellbier in zehn Tagen“, sagt Breitschopf und schürzt spöttisch die Lippen. Für den Braumeister aus altem Schrot und Korn ist das nichts. Er macht sein Bier lieber nach althergebrachter Manier: „Hier wird nichts filtriert, stabilisiert und pasteurisiert.“

Heute steht das „normale“ Bier auf dem Tagesplan. Breitschopf beschreibt es als „liebliches, leicht herbes Vollbier von Wiener Farbe“. Denn in Wien wurden früher die dunklen, satten Biere gebraut, in Pilsen die hellen, weiß der Bier-Experte zu berichten. Der Gerstensaft hat eine Stammwürze von über elf Prozent und fünf Volumenprozent Alkohol. Und was mich natürlich besonders interessiert: „Es ist ein Bier, das auch Frauen gern trinken“. – Na denn Prost!

Mit dem Saccharometer misst Franz Breitschopf den Stammgehalt des Suds.
| Mit dem Saccharometer misst Franz Breitschopf den Stammgehalt des Suds.
Hier beginnt die Kunst des Bierbrauens: Im Läuterbottich wird die Vorderwürze nach und nach von der Maische getrennt. der Treber findet Verwendung in der Landwirtschaft.
| Hier beginnt die Kunst des Bierbrauens: Im Läuterbottich wird die Vorderwürze nach und nach von der Maische getrennt. der Treber findet Verwendung in der Landwirtschaft.
Geruch und Trübung der Vorderwürze müssen dem Braumeister zusagen.
| Geruch und Trübung der Vorderwürze müssen dem Braumeister zusagen.
Die grünen Hopfen-Pellets werden eine Stunde lang im Sud gekocht.
| Die grünen Hopfen-Pellets werden eine Stunde lang im Sud gekocht.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bierbrauereien
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top