Das möglicherweise größte Geschenk zu seinem 70. Geburtstag am heutigen Dienstag macht sich Joachim Haas selbst: In der Ausstellung „Die freie Linie“ zeigt der Anwalt, Hobbymusiker und Kunstverrückte ab 1. April Teile seiner Sammlung mit Grafik von Paul Klee, den er seit vielen Jahren verehrt.
Es ist seine „Lebensausstellung“, sagt Haas. Zusammen mit seiner Frau Gabriele hat er sie seit einem Jahr vorbereitet und ist dazu mehrfach nach Bern gereist, dem letzten Wohnort Klees und Sitz des Zentrums Paul Klee. Dieses steuert denn auch vier Leihgaben bei, hinzu kommen weitere zehn aus der Galerie Kornfeld, ebenfalls Bern. Eberhardt Kornfeld, der ein Freund Otto Schäfers war, habe sofort zugesagt, erzählt Haas: „Er hat gesagt, wenn Schweinfurt anruft, bin ich immer dabei.“
Dieses jüngste Projekt des ruhelosen Joachim Haas, den die Freunde Jochen nennen, ist ob der kleinen Formate und der eher unspektakulären Motive auf den ersten Blick ein untypisches. Schließlich verbindet man mit dem Namen des Mannes, der seit der Gründung des Schweinfurter Kunstvereins 1986 bis 2014 dessen Vorsitzender war, eher große Aktionen. Er war die treibende Kraft hinter Initiativen, die dafür sorgten, dass prominente Kunstobjekte dauerhaft in Schweinfurt zu sehen sind.
Der Anker von Matschinsky-Denninghoff auf der Maininsel zum Beispiel. Oder die beiden Arbeiten von Herbert Mehler hinter der Kunsthalle.
Unzählige Atelierbesuche
Unter der Führung von Joachim Haas hat der Kunstverein nicht nur seine Mitgliederzahl vervielfacht, sondern auch eine respektable Sammlung zeitgenössischer Kunst angelegt. Haas hat, meist gemeinsam mit dem damaligen Leiter der Städtischen Sammlungen, Erich Schneider, Kontakte aufgebaut, unzählige Atelierbesuche gemacht, Editionen angeleiert, Schenkungen in Empfang genommen, Ankäufe organisiert, Sponsoren betreut. Er hat die Marotten der Künstler kennengelernt und die ihrer Frauen oder Kinder. Aber auch ihre großzügigen Seiten.
Etliche der Kunstwerke, die so in 28 Jahren zusammengekommen sind, kann man heute in der ständigen Ausstellung der Kunsthalle sehen – erworben mit Unterstützung des Kunstvereins, als Schenkung oder als Dauerleihgabe an die Museen und Galerien der Stadt. Der Stuhlkreis von Inge Mahn zum Beispiel, Arbeiten von Rolf Cavael, Günther Uecker, Karl-Fred Dahmen, Peter Wörfel, Franz Kochseder, Heiko Herrmann und vielen anderen.
Vieles ist ihm gelungen, ein großes Ziel aber blieb Joachim Haas verwehrt. In den Jahren 2005 und 2006 riss eine heftige Debatte um den Ankauf der Großplastik „Theseus“ und eines Konvoluts weiterer Werke des Künstlerpaares Brigitte und Martin Matschinsky-Denninghoff tiefe Gräben auf. Ein Bürgerentscheid gegen den Ankauf durch die Stadt mit Mitteln aus einem Vermächtnis führte schließlich dazu, dass die Matschinsky-Denninghoffs ihr Angebot verbittert zurückzogen und den Schweinfurter Kunstfreunden die Freundschaft kündigten. Ein Bruch, der damals auch Joachim Haas getroffen hat.
Doch nun also Paul Klee. Und Ernst Ludwig Kirchner. Klee, der Vertreter der klassischen Moderne, und Kirchner, der Expressionist, schätzten einander auf der persönlichen wie der künstlerischen Ebene über viele Jahre hinweg. Die beiden sind einander nur einmal begegnet, Haas bringt die beinahe Gleichaltrigen (geboren 1879 beziehungsweise 1880) im Salong und in der Kunsthalle noch einmal zusammen – ein Schweinfurter Privatsammler steuert 21 Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner bei.
Es ist der ebenso virtuose wie individuelle Umgang mit der Linie, die Gabe, mit wenigen Strichen Räume, Charaktere und Emotionen zu umreißen, die Haas so an Klee fasziniert: „Bei jedem Bild gibt es eine zweite Ebene unter der Oberfläche.“ Und eben da treffen sich Klee und Kirchner: Die Formensprachen unterscheiden sich, aber Mittel und Wirkung sind einander durchaus verwandt.
Was Klee und Kirchner verbindet
Im Katalog formuliert Haas es so: „Ein gleichsam unsichtbares und geistig ,freies' Linienband spannte sich, von diesen nicht bemerkt, vom einen zum anderen Künstler; sei es nun vom Können her, vom Mut, künstlerisch so zu arbeiten, wie beide es für ihr Eigenverständnis taten, oder von ihrer seelischen Nähe her im Hinblick auf Unerschrockenheit und den Drang nach einer individuellen, kompromisslosen Entwicklung und Darstellungsweise ihrer Kunstideen.“ Nicht ohne Stolz berichtet Joachim Haas, er sei der erste gewesen, der sich eingehender mit dem Privatleben von Paul Klee befasst habe. So sei auch ein enger Kontakt zum Zentrum Paul Klee entstanden.
Und so entstand auch eine tiefe persönliche Bewunderung auch für den Menschen Paul Klee: „Er war eine untadelige Person. In Dessau nannten sie ihn den ,Bauhaus-Budda'. Er war ein Streitschlichter und Gerechter.“ Und dabei ein vielseitiger Mensch, begabter Musiker und Koch: „Er hat gemalt, dann den Pinsel umgedreht und die Suppe umgerührt.“
Haas skizziert außerdem die gesicherten Daten zur Begegnung Klees und Kirchners 1934. In seinem Künstlerbuch „Kirchner bei Klee“ hatte er das Treffen im Hause Klee bereits mit fiktiven Dialogen ausgestattet. Bekannt ist beider Liebe zu Katzen. Beim Besuch skizzierte Kirchner Klee mit Frau Lily und Angorakater Bimbo. Gegen den edlen Bimbo, so schrieb Kirchner später, sehe der eigene Kater Schacky aus „wie ein Bauernlümmel“. Lily war übrigens gar nicht angetan von dem Gast. In einem Brief an ihren Sohn Felix schrieb sie, er sei zwar „bedeutend und interessant“, aber auch „ein krankes, galliges und ekelhaftes Mannsbild“.
Die Männer hat Lilys Antipathie nicht davon abgehalten, sich für das Jahr 1935 erneut zu verabreden. Ob die Begegnung stattgefunden hat, ist nicht bekannt.
Kunstsalong des Kunstvereins: „Die freie Linie – Paul Klee und Ernst Ludwig Kirchner“, 1. April bis 11. Mai, Eröffnung Donnerstag, 31. März, 19 Uhr. Es spricht Christine Hopfengart, ehemalige Direktorin der Paul-Klee-Stiftung und Konservatorin des Zentrums Paul Klee, heute freie Kuratorin in Berlin.