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Schweinfurt
Homeoffice, Teilzeit, Sabbatical: Wie flexibel muss Arbeit heute sein?
Der Leiter der Schweinfurter Arbeitsagentur, Thomas Stelzer, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums.
Foto: Heinrich Wullhorst | Der Leiter der Schweinfurter Arbeitsagentur, Thomas Stelzer, begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Forums.
Heinrich Wullhorst
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:09 Uhr

Ein junger Mensch auf Arbeitssuche schaut heute nicht mehr allein darauf, was er am Monatsende Netto in der Lohntüte hat. Er will auch wissen, was das Unternehmen ihm an Zugewinn an Lebensqualität mitgibt. Deshalb wird es für große Industrieunternehmen wie für kleine Handwerksbetriebe immer wichtiger, sich als perfekter Arbeitgeber aufzustellen.

In einer Zeit, in der 500.000 Facharbeiterstellen in Deutschland unbesetzt sind, haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft die Auswahl, wo sie einen Arbeitsvertrag unterschreiben wollen. Familienfreundlichkeit ist für viele Arbeitnehmer ein entscheidender Indikator bei der Arbeitsplatzsuche. Deshalb geht es vor allen darum, Arbeitsplätze so zu entwickeln, dass eine Berufstätigkeit mit einem erfüllten Familienleben in Einklang gebracht werden kann.

Wie sich das umsetzen lässt, ist eine der Fragen, die die Initiative "Familienorientierte Personalpolitik" seit 2007 in den Blick nimmt. "Das ist eine Plattform, die den Austausch über all das ermöglicht, was Unternehmen in diesem Umfeld bewegt", erläuterte der Leiter der Schweinfurter Arbeitsagentur, Thomas Stelzer, in den Räumen der ZF Friedrichshafen AG beim Forum "Fachkräfte und Familie".

Unternehmen und Behördenbeteiligen sich an dieser regionalen Denkfabrik

Gemeinsam mit den Landkreis Schweinfurt hat man in den vergangenen Jahren viele Unternehmen und Behörden gewonnen, sich an dieser regionalen Denkfabrik zu beteiligen. Auch Landrat Florian Töpper schätzt das "wertvolle Engagement der Initiative", der jetzt auch die ZF Friedrichshafen AG und die Technische Hochschule Würzburg-Schweinfurt (THWS) angehören.

Tina Weber, vom Forschungs- und Beratungsinstitut EAF Berlin erläuterte in ihrem Vortrag, wie die Unternehmen den Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten können. "Das Thema Flexibilisierung der Arbeitswelt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind mein Herzensthema", berichtete die Mutter von drei Kindern.

80 Prozent der Frauen wünschten sich eine Verbesserung in diesem Bereich, aber auch Männer würden immer häufiger flexiblere Arbeitsangebote nachfragen. Dabei sei die Umsetzung solcher Maßnahmen nicht nur in großen Unternehmenseinheiten möglich. "Auch kleine mittelständische Unternehmen können das leisten", ergänzte Weber. Individuelle Lösungen seien oft ohne Zusatzkosten umsetzbar.

Arbeitsagentur-Chef Thomas Stelzer (links) und Landrat Florian Töpper (Mitte) begrüßten die neuen Mitglieder der Initiative.
Foto: Heinrich Wullhorst | Arbeitsagentur-Chef Thomas Stelzer (links) und Landrat Florian Töpper (Mitte) begrüßten die neuen Mitglieder der Initiative.

Weber beschrieb die zentralen Instrumente, die den Kulturwandel fördern. Dazu gehört die zeitliche und räumliche Flexibilität, die zum Beispiel durch Gleitzeitangebote, Jobsharing, oder Arbeitszeitkonten sichergestellt werden und durch Home-Office, mobiles Arbeiten oder Desk-Sharing ergänzt werden kann. Mobiles Arbeiten müsse, so Weber natürlich zur Aufgabe im Betrieb passen, erfordere aber auch, dass ein informeller Austausch mit den Mitarbeitern im Betrieb, zum Beispiel in digitalen Kaffeepausen möglich bleibe. Auch Teilzeitmodelle, die in Deutschland von 48 Prozent der Frauen, aber nur von 11,5 Prozent der Männer genutzt werden, seien ein Weg, die Arbeitgeberattraktivität zu erhöhen.

Eine Mischung aus Wanderausstellung und Ideenschmiede

Wie der Kulturwandel in der Praxis umgesetzt werden kann, stellte Ulrich F. Schübel, der Leiter des Instituts für Diversity-Management, mit Beispielen aus der Audi AG und der Fraunhofer-Gesellschaft vor. In einem selbst entwickelten Diversity-Parcour, einer Mischung aus Wanderausstellung und Ideenschmiede, hilft das Institut dabei, personelle Vielfalt in Organisationen zu entdecken und so die Kultur in der Arbeitswelt zu verändern.

Selbstverständlich geht es heute nicht nur darum, Mitarbeiter zu gewinnen, sondern vor allem um Ideen, wie man sie halten kann. Die meistgenannten Mitarbeiterwünsche neben einem leistungsgerechten Gehalt und flexiblen Arbeitszeiten betreffen übrigens Home-Office-Angebote, erfolgsabhängige Boni, betriebliche Gesundheitsvorsorge, Kinderbetreuung und ein Firmen-Smartphone. Diesen Anforderungen werden sich die Unternehmen künftig zunehmend stellen müssen.

 
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  • E. W.
    Arbeitsplatz und "Karriere" nahmen früher im Leben vieler Menschen einen viel zu hohen Rang ein. Dafür war man verpflichtet Opfer und Einsatz zu bringen. Wer das nicht so sah, mußte wenigstens pro forma im Strom der fleißigen Arbeitsbienen mitschwirren, wenn er nicht unangenehm auffallen wollte.

    Heute gibt es einen erweiterten Spielraum und andere Lebensmodelle. Keiner ist mehr ausweglos dazu gezwungen sich auf dem Altar der Götzen "Arbeit" und "Produktivität" aufzuopfern.

    Ich habe während meiner aktiven Zeit, vor allem in den 70-er Jahren gesehen, wie Menschen sich regelrecht kaputtgearbeitet haben. Auch ich war einige Zeit so unvernünftig. Aber der gesellschaftliche Gruppendruck ließ damals nur wenige Auswege.

    Heute ist das glücklicherweise anders. Was mir aber dennoch Sorge bereitet sind die Stimmen, die nach einer Erhöhung des Renteneintrittsalters rufen. Wir brauchen stattdessen noch mehr Freiräume der work-life-balance und eine weitere Humanisierung der Arbeitswelt.
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