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OBBACH
Hoffen auf das neue Sonnenjahr
Rot wie das Sonnwendfeuer: In der längsten Nacht des Jahres, wenn die Sonne ihren Tiefpunkt erreicht hat, feierten schon die alten Kulturen die Wintersonnenwende. Jutta Göbel führt mit Fackeln auf ihre Spuren im Tal der Kelten bei Obbach.
Zur Wintersonnenwende begeben sich 40 Wanderer mit Fackeln ins Tal der Kelten bei Obbach.
Foto: Anand Anders | Zur Wintersonnenwende begeben sich 40 Wanderer mit Fackeln ins Tal der Kelten bei Obbach.
Charlotte Wahler
 |  aktualisiert: 25.12.2015 03:40 Uhr

Stell dir vor, du lebst zum ersten Mal auf einem Planeten. Und dann bemerkst du, wie im Laufe der Zeit die Sonne, die immer prächtig rotgolden am Himmel leuchtete, nur noch blassgelb und immer tiefer zum Horizont hin versinkt. Die anderen sagen: „Ach, das wird schon wieder.“ Aber kannst du es wissen? Da bleibt nur, den Aussagen der Älteren oder dem eigenen Erfahrungswissen vertrauen, da stellt sich die Vertrauensfrage seit vielen Jahrtausenden.

Die Kelten, die vor zirka 2600 Jahren in einer Siedlung bei Obbach lebten, haben die Naturzusammenhänge sicher noch viel deutlicher als wir wahrgenommen und sich als Teil dieser Natur begriffen. Ihre Feste und ihre Religion weisen darauf hin.

Gästeführerin Jutta Göbel erzählt bei der Wintersonnwendführung ins Tal der Kelten von den Lebensbedingungen des Volksstamms, der Teil unserer eigenen Herkunft ist. Beleuchtet wurde die Nacht der Kelten vom rotgoldenen Licht der Fackeln, das die Hoffnung auf das neue Sonnenjahr hegt.

Vom Wortstamm her heißen die Kelten die Tapferen, und wir kennen sie auch als Gallier aus Asterix und Obelix.

Auf einem Stierhorn bläst Göbel klare Laute in den frischen Wind, so konzentriert sie die Aufmerksamkeit der rund 40 Gäste auf ihre Worte. Sie zeigt die Replik eines goldenen Regenbogenschüsselchens, das hier im Boden gefunden wurde. Wunderhübsch liegt es auf blauem Samt in Münzgröße in der Schatulle und nicht nur die Kinder bekommen große begehrliche Augen. Mit diesen Goldstücken wurden vornehmlich Staatsgeschäfte getätigt, erzählt Göbel, der Alltagshandel habe weitgehend in Tauschgeschäften bestanden. Aufgrund des Schatzfundes auf den Obbacher Fluren im Jahr 1939 lässt sich belegen, dass hier eine bedeutende Siedlung mit hoher kultureller Entwicklung existiert hat.

Göbel lenkt den Blick auf den Kreuzberg, der sich im Norden aus dem Dunst erhebt und auf den Schwanberg im Südwesten, wo der Steigerwald beginnt. Und schon sind wir am Boden angekommen. Vom Sulzthaler Kreuzkirchlein bis zum Kützberger Wartturm reicht die Hochebene, die archäologisch interessant für die Keltengeschichte ist.

Das reiche Tal, in der ursprünglichen Wortbedeutung das mächtige Tal – der Name spricht für sich. So lässt sich aus der Flurbezeichnung unsere Geschichte ablesen und zeigt sich als Beweis alter Keltenmacht.

Göbel führt ihre Gäste an den Egelsee, eine Bodensenke ohne Quelle, aus der die Kelten wohl die Erde für ihre Hügelgräber geholt haben. Es existieren noch über 50 dieser imposanten Bodendenkmäler im Reichstalwald. Und sie sind ebenfalls Beleg für die hohe kulturelle Entwicklung der Kelten.

Hügelgräber können rund einen Meter, aber auch bis zu 100 Meter groß sein. Ein Fürstengrab hat bis zu zehn Metern Höhe. Bei Kolitzheim existiert eines der größten in Unterfranken mit 90 Metern Durchmesser.

Göbel führt uns an den Waldrand. Und auf einmal tauchen sie auf, die Hügel, mystisch im bleichen Wintersonnenlicht.

Die Toten wurden in einer hölzernen Grabstelle bestattet, bekamen Essen und Trinken mit auf den Weg in die Anderswelt. Über die Grabstelle sind Steine geschichtet, darum herum ein Steinring erbaut als Schwelle zur Anderswelt. Die Grabfläche selbst ist mit Erde abgedeckt. Nach vielen Jahren, wenn Holz und der Körper des Menschen verfallen sind, rutschen die Steine und die Erde nach. So entsteht an der Spitze des Hügels eine Eintrichterung. So könne man Hügelgräber erkennen, erklärt Göbel.

Sie führt uns hinein in die Nekropole, erzählt vom Umgang mit Funden und von der Sinnlosigkeit des Grabens für Laien. Sie führt uns an ein goldenes Tischtuch aus dem Plastikzeitalter und verköstigt uns mit Met, mit Rosinenkuchen und Einkornplätzchen. Alles schmeckt köstlich, alles ist Trost und Wohltat bei immer blasser werdendem Licht.

Viele christliche Feiertage basieren auf dem keltischen Kalender. Und zur Wintersonnenwende gab es auch bei den Kelten ein großes Fest mit vielen Zeremonien. Im Mittelpunkt stand die Wiederkehr des Lichts. Essen und Trinken spielte dabei eine zentrale Rolle. Bis zu 400 Götter verehrten die Kelten, ihnen zu Ehren wurden prächtige Festgelage veranstaltet. Nun werden Fackeln verteilt, und schon sind wir eingehüllt von wärmendem Licht, es spiegelt das Lächeln der Kinder und auch das der Älteren. Wir können uns vorstellen, dass die Kelten es sich auch gutgehen lassen konnten. Im Wirkungskreis der rotgoldenen Lichtpunkte wandern wir zurück auf die Anhöhe, zurück in die Gegenwart und nehmen die Jahrtausende alte Hoffnung auf ein gutes neues Jahr mit durch die kommenden Rauhnächte.

Wintersonnenwende

Die Wintersonnwende findet 2015 am 22. Dezember statt. An diesem Tag erreicht die Sonne ihren tiefsten Stand, es herrscht der kürzeste Tag und die längste Nacht. Dem Mythos nach gebiert in dieser Nacht die Göttin tief in der finsteren Erde das wiedergeborene Sonnenkind. Die Kelten feierten die Wintersonnenwende zwölf Nächte lang. In den Alpenländern gehören diese sogenannten Rauhnächte zu den heiligsten Nächten des Jahres.

Gästeführerin Jutta Göbel zeigt die Replik eines goldenen Regenbogenschüsselchens.
Foto: Anand Anders | Gästeführerin Jutta Göbel zeigt die Replik eines goldenen Regenbogenschüsselchens.
Gästeführerin Jutta Göbel verköstigt die Wanderer mit Rosinenkuchen.
Foto: Anand Anders | Gästeführerin Jutta Göbel verköstigt die Wanderer mit Rosinenkuchen.
Gästeführerin Jutta Göbel bläst auf dem Stierhorn.
Foto: Anand Anders | Gästeführerin Jutta Göbel bläst auf dem Stierhorn.
 
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