„Am absoluten Willen zum Krieg und folglich der alleinigen Kriegsschuld Hitlers besteht nach meiner Auffassung kein vernünftiger Zweifel.“ Das sagte OB Remelé am Samstag in seinem Grußwort anlässlich der achten Verleihung des Historikerpreises der Erich-und-Erna-Kronauer-Stiftung an den Historiker Dr. Stefan Scheil. Folgt man der Auffassung Remelés, hat die Stiftung einen Unvernünftigen mit 10 000 Euro prämiert. Scheil zieht nicht nur die alleinige Kriegsschuld Nazi-Deutschlands in Zweifel, sondern vertritt die These, Hitler habe den Krieg nicht gewollt und sei von den umliegenden Mächten hinein gezwungen worden.
Für seine Veröffentlichung „Logik der Mächte“, 1999 erschienen, ist Scheil geehrt worden. Dabei gehörte es, wie er in seiner Dankesrede sagte, „zum Experiment, die Annahme, Hitler sei der Kriegsauslöser, einmal wegzulassen“. Ergebnis: Der Zweite Weltkrieg sei nicht etwa eine Folge des Machtstrebens und Landhungers des deutschen Diktators, sondern des in der Dreißigerjahren bestehenden Mächte-Systems in Europa.
Den Vorwurf der Relativierung sieht Scheil „aus erkenntnistheoretischer Sicht als völlig sinnlos“ an, und dem Berliner Historiker Wolfgang Benz, der ihn jüngst bei einer Veranstaltung gegen den Kronauer-Preis kritisiert hatte, wirft er vor, er kenne seine Veröffentlichungen gar nicht. Doch auch andere prominente Historiker hätten oft keine Kenntnis der Originalquellen und bezögen sich auf Sekundärliteratur.
Die Laudatio wollte eigentlich Professor Ernst Nolte, Auslöser des „Historikerstreits“ und Kuratoriumsmitglied in der Kronauer-Stiftung, höchstselbst halten, er ließ sich aber aus Gesundheitsgründen entschuldigen. Kuratoriumsmitglied Wilhelm Böhm, früherer Leiter des Humboldt-Gymnasiums und Vorsitzender des Historischen Vereins, verlas denn Noltes Lobrede, nicht ohne die Vorwarnung, dass in dieser manches enthalten sein könne, „das einen zusammenzucken lässt“.
Die Rede sei ein „zwingendes, vielleicht letztes Wort zu meinem eigenen Werk“, zitierte Böhm Nolte. Den Begriff des Revisionismus verteidigt der 92-Jährige. Er verwende ihn,obwohl er zum Schreckenswort geworden sei und von den Gegnern verwendet werde, „als möchten Revisionisten Adolf Hitler und den Nationalsozialismus wieder zum Leben erwecken“. Zum Preisträger zitierte Böhm Nolte, Scheil sei von der Wissenschaftstheorie geprägt, vom kritischen Rationalismus Karl Poppers, wonach jede geltende Auffassung bezweifelt werden könne und sich kritisch überprüfen lassen müsse.
Mit dem Buch „Logik der Mächte“ werde der Versuch unternommen zu prüfen, ob sich die größte Katastrophe auch aus einer anderen Perspektive verstehen lasse. Ein „Denkversuch“, der einbeziehe, dass etwa Polen im Vorfeld des Zweiten Weltkriegs eine Vormachtstellung erstrebt habe. Böhm zitiert Nolte weiter: "Aber mit Polen stieß Hitler nicht auf ein kleines, unsicheres Volk, sondern auf ein Volk mit Großmachtambitionen.“
Scheil hat laut Nolte den Kronauer-Preis verdient. In seinen Veröffentlichungen nach der „Logik der Mächte“ werde der Revisionismus noch deutlicher. Und: „Ideller oder historischer Revisionismus ist ein unabdingbarer Teil der Geschichtswissenschaft“, und Scheil sei „ein abwägender und furchtloser Geschichtswissenschaftler“.
Eingangs, bei der Begrüßung der etwa 100 geladenen Gäste, hatte Stiftungsgründer Erich Kronauer den Preis wie die Stiftung gegen die massive jüngste Kritik in Form einer Gegenveranstaltung in Schutz genommen. Die Berichterstattung der lokalen Presse sei „parteiisch“ und „völlig unsachlich“ gewesen. Der Historikerpreis zeichne mutige Forscher aus. Im Vordergrund stehe die Seriosität der wissenschaftlichen Arbeit. Es solle ein „Beitrag zur historischen Wahrheit geleistet“ werden.
Zum neuen Preisträger sagte Kronauer: „Das Jahr 2014 könnte der Beginn einer differenzierteren Betrachtung der Ursachen des Zweiten Weltkriegs sein“, basierend auf Quellenstudium. Scheils Arbeit solle ohne ideologische Voreingenommenheit kritisch diskutiert werden. Kronauer: „Einfügen möchte ich, dass neue Dokumente eine Korrektur – oder nennen wir es ruhig Revision – der bisherigen Erkenntnisse nötig machen.“
Allerdings kommt man kaum umhin festzustellen, dass in der Person Adolf Hitler so etwas wie ein mächtiger "Kristallisationskeim" bestand, der die Entwicklung mit aller Kraft zuspitzte/ vorantrieb und damit letztendlich "Erfolg" hatte (auch wenn die Sache zum Schluss sicherlich komplett anders verlief als er sich das vorgestellt hatte).
Meiner Meinung nach ist Stefan Scheil kein Revisionist - er ist aber jemand der offensichtlich gerne provoziert! Die Fakten sind auch Herrn Scheil bekannt - das Problem ist das er Dinge etwas anders auslegt als es die Mehrheit seiner Kollegen macht. Nun sind Streitereien unter Wissenschaftlern nicht selten, oftmals beansprucht jeder für sich als einziger die "absolute Wahrheit" zu kennen - das ist auch hier der Fall.
Ein Problem ist es wenn es sich um ein sensibles Thema handelt - wie es hier der Fall ist. Herr Scheil mag ein studierter Historiker sein, aber sicherlich auch jemand der gerne proviziert! Und letztlich bleibt doch eine Ungewissheit ob Herr Scheil nicht doch am rechten Rand der Gesellschaft anzusiedeln ist!
Als einen Provokateur empfinde ich Scheil nach Studium seiner Buecher nicht. Interessant ist, dass Etablierte immer zu schwimmen begannen, wenn sie sich direkt mit vorgebrachten Punkten auseinandersetzen mussten.
Militarismus wurde bis in die höchsten Kreise der Bildungsschicht verehrt.
Das deutsche Lamento von den Siegermächten durch den Versailler Vertrag ausgepresst und gedemütigt worden zu sein war reichlich überzogen. Wie sonst wäre ein so geschwächtes Volk in der Lage gewesen innerhalb weniger Jahre (heute schafft man es nicht einmal in gleicher Zeit einen Flughafen für die Hauptstadt hin zu bekommen!) eine bis dato nie gesehene Militärmaschinerie, geeignet sich mit fast allen Völkern zugeleich anzulegen, zu installieren? Männer weg von Werkbank und Acker in die Kasernen und an die Front, über Jahre.
Nur die willige Folge der Mächtigsten aus Industrie, Justiz, Kirche (Archive bis auf weiteres geschlossen), … waren der Treibstoff für die Nazis. Wer glaubt, es hätte dafür unbedingt Hitler gebraucht irrt.
Ohne Lust, keine Verführung!
Geschrieben im Jahre 1924 während seiner Haftzeit in Landsberg. Er hatte damals schon alles im Kopf, was er Jahre später in die Tat umsetzte.