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Schweinfurt
Hinter den Volksfest-Kulissen
Da wird einem schon beim Zuschauen schlecht: Der „Techno Power“ auf dem Volksfest in Aktion.
Foto: Oliver Schikora | Da wird einem schon beim Zuschauen schlecht: Der „Techno Power“ auf dem Volksfest in Aktion.
Oliver Schikora
 |  aktualisiert: 27.04.2023 04:25 Uhr

Die Volksmusiker auf der Bühne geben ihr Bestes, die Senioren auf der Tanzfläche auch: Die rüstigen Rentner legen mit ihren Partnerinnen eine flotte Sohle auf den Holzboden im Hahn-Zelt auf dem Volksfest. Am Rand des gut besuchten Seniorennachmittags auf dem Schweinfurter Volksfest steht Küchenchef Philipp Keller und ist sichtbar zufrieden.

Fest für die Region

Trotz des sommerlichen Wetters ist das 108. Schweinfurter Volksfest gut besucht. „Ein Fest für die Region“, so Keller, dessen Firma aus Bad Windsheim sich in dritter Generation auf den Betrieb von Festzelten bei Volksfesten spezialisiert hat. Im nordbayerischen Raum stehen die Hahn-Zelte neben Schweinfurt auch in Würzburg oder in Regensburg. Die Logistik hinter den Kulissen, um ein Festzelt von der Größe Schweinfurts mit gut 3000 Plätzen drinnen und im angrenzenden Biergarten zu betreiben, ist enorm. 60 Personen – von den Köchen bis zu den Kellnerinnen und Kellner – sind in zwei Schichten im Einsatz, viele schon seit Jahren bei Hahn-Zelte dabei, oft mit Oktoberfest-Erfahrung gestählt.
 

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Lange Vorbereitung

Vier bis fünf Wochen Vorlaufzeit braucht man, um das Zelt für Schweinfurt aufzubauen. „Der Teufel steckt immer im Detail, vor allem bei der Dekoration. Wir wollen ja, dass die Leute sich wohlfühlen“, erzählt Keller von langen Tagen beim Aufbau, in denen unter anderem 300 Biertischgarnituren gestellt und geschmückt werden und vor allem eine professionelle Küche zum täglichen Kochen inklusive Lager- und Kühlräumen eingerichtet wird. In deren Ausstattung hat man erst dieses Jahr massiv investiert, auch um mit effizienterer Kühltechnik langfristig Kosten zu sparen.

Schon bei Mosimann gekocht

Seit sieben Jahren ist der gelernte Koch Keller schon bei der Firma Hahn, zuvor arbeitete er auf der MS Europa und beim Schweizer Starkoch Anton Mosimann, der in London vor sechs Jahren das Menü für die königliche Hochzeit von Prinz William und seiner Frau Catherine Middleton kochte. Die Arbeit im Festzelt ist natürlich eine ganz andere, sie erfordert noch viel intensivere Planung und Organisation. Aber: „Der Reiz für mich ist, für 1000 Personen Schweinebraten zu machen, mit dem dann auch alle zufrieden sind."

Dabei erfindet Keller auch neue Gerichte wie nun das so genannte Pulled Schäufele, ein über Nacht im Ofen geschmortes Schäufele mit zartem Fleisch, das sich bei den Besuchern großer Beliebtheit erfreut.

Hahn-Zelt Küchenchef Philipp Keller ist für 60 Personen von den Köchen bis zu den Kellnern zuständig.
Foto: Oliver Schikora | Hahn-Zelt Küchenchef Philipp Keller ist für 60 Personen von den Köchen bis zu den Kellnern zuständig.

Eine Besonderheit zu anderen Volksfesten mit anderen Betreibern ist auch, dass in Schweinfurt vor Ort gekocht wird, täglich ab 10 Uhr stehen die Köche und ihre Helfer in der Küche und bereiten Salate, machen die Brathähnchen fertig oder kochen die Soßen aus Knochen aus

Knochenjob bei Fahrgeschäften

Früh um zehn Uhr sind die Betreiber der Fahrgeschäfte noch im Bett, schließlich öffnet das Volksfest ja erst ab 14 Uhr seine Pforten. Sollte man meinen, stimmt aber nicht. Vorurteile, die man Jahrmarktstand-Betreibern so anheftet, haben mit der Realität wenig zu tun. Es ist ein Knochenjob mit großer Verantwortung und technischem Verständnis, vor allem bei denen, die Fahrgeschäfte betreiben. Täglich wird geprüft, ob alle Schrauben angezogen, die Sitze in Ordnung, die Sicherheit gewährleistet ist. Die Fahrgeschäfte sind immer schneller und wilder, ein Trend der Eventgesellschaft, der sich in Schweinfurt widerspiegelt.

Mit „Techno Power“, „Black Out“ sowie „Apollo 13“ stehen drei spektakuläre Karussells in einer Reihe, die mit dem was man als nicht regelmäßig Volksfeste Besuchender unter einem Karussell versteht, nicht viel gemein haben: Da dreht man sich fest gepresst mit armdicken Eisenbügeln in den Sitzen nicht nur im Kreis, sondern in allen Variationen um die eigene Achse. Die tanzenden Senioren im Festzelt drehen sich lieber gemütlich im Kreis, die Jugend auf dem Platz aber hat ihren Spaß am Nervenkitzel, der Fliehkräfte bis zum 3,8-fachen des eigenen Körpergewichts erzeugt.

Jupiter ist seine Welt: Rudolf Barth betreibt mit seiner Mutter das Riesenrad auf dem Volksfest.
Foto: Oliver Schikora | Jupiter ist seine Welt: Rudolf Barth betreibt mit seiner Mutter das Riesenrad auf dem Volksfest.

Wissenschaftliche Testfahrt

Natürlich waren auch die 20 FH-Maschinenbaustudenten und ihr Professor Stefan Schreiber begeistert bei ihren „wissenschaftlichen Testfahrten“. Sie nutzen das Volksfest, um sich von den Betreibern die Technik erklären zu lassen. Um ein modernes Fahrgeschäft zu betreiben, braucht es technischen Sachverstand. Rudolf Barth, Betreiber des Volksfest-Klassikers Riesenrad „Jupiter“, hat beeindruckende technische Daten auf Lager. 50 Meter hoch ist das Rad, hat 36 Gondeln für je sechs Personen, 35 000 Leuchtmittel lassen es erstrahlen, das Stahlgerüst wiegt alleine 85 Tonnen.

Nur vier Elektromotoren braucht es, um es zum Laufen zu bringen. Sechs Personen hat Barth, der seit er 16 ist mit seiner Mutter die Firma aus Euskirchen bei Köln leitet, mit in Schweinfurt. Auf sie wartet insbesondere beim Abbau ab Montag Nacht „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ – Donnerstag nächster Woche ist das Riesenrad beim nächsten Volksfest im Einsatz.

Wie bei den anderen Fahrgeschäften ist die Logistik enorm: ein 80-Tonnen-Autokran, sieben Lastwagen zum Transport. Da macht sich jedes Mal ein kleiner Konvoi auf den Weg, wenn es von einem Ort zum anderen geht.

In seinem Element: Manfred Eckl erklärt Steuerung und Hydraulik seines Fahrgeschäfts „Techno Power“.
Foto: Oliver Schikora | In seinem Element: Manfred Eckl erklärt Steuerung und Hydraulik seines Fahrgeschäfts „Techno Power“.

Schnellstes Karussell in Europa

Wie Barth sind Sascha Störzer und Manfred Eckl mit ihren Karussells Techniker, die ihre Hydraulik-Pumpen und Schaltschränke in und auswendig kennen. Und großen Wert auf Sicherheit legen, mit 100 km/h und 3,8 G „sind wir im Moment das schnellste Karussell in Europa“, so der Münchner Eckl, der das 1997 gebaute „Techno Power“ betreibt. Das Fahrgeschäft ist nach US-Standard in England gebaut worden, was dickere Wandstärken der Stahlteile voraussetzt als hierzulande gefordert. Sorgfalt bei der Wartung ist das A und O, so Eckl, zum Beispiel beim Herzstück der Hydraulik, dem Proportionalventil, „das verträgt absolut keinen Dreck“.

Die Rückhaltesysteme für die bis zu 36 Gäste in 18 Zweier-Gondeln sind redundant gesichert, „rausgefallen ist hier noch niemand.“ Und wenn die TÜV-Sonderprüfung ansteht, werden die Stahlteile sandgestrahlt und geröngt, um sicher zu sein, dass nicht der kleinste Haarriss übersehen wird.

ONLINE-TIPP

Technische Daten zu jedem deutschen Fahrgeschäft gibt es unter www.ride-index.de

 
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