König Herodes ist mit der Tempelwache über einem Schachbrett vertieft, nebenan gönnt sich der römische Hauptmann noch ein belegtes Brötchen, bevor er seine Soldaten zur Kreuzigung Jesu kommandiert. Hinter dem Bühnenhaus am Sömmersdorfer Spielgelände herrscht unaufgeregte Betriebsamkeit, während vorne auf der Freilichtbühne die Passionsgeschichte die Zuschauer in Atem hält.
Unter den schattigen Bäumen des Münsterholzes treffen die Sömmersdorfer Passionsspieler aufeinander. Jeden Samstagabend und jeden Sonntagnachmittag verbringen an die 400 Menschen miteinander, um ihre Fränkische Passion den 2000 Zuschauern zu zeigen. Und um das Miteinander der Dorfgemeinschaft zu pflegen.
An den Bierbänken sitzen Junge und Alte zusammen, Wasser- und Limoflaschen vor sich. Bier ist während der Vorstellung absolut tabu, gerade bei der Hitze, unterstreicht Robert König, Vorsitzender des Vereins Fränkische Passionsspiele. Er trägt noch seine Freizeitkleidung, das Kostüm des römischen Statthalters Pontius Pilatus braucht er erst nach der Pause. Auch viele andere Darsteller, vor allem aus dem jüdischen Volk, sind „in Zivil“ hinter dem Bühnenhaus, haben sich nach ihrem ersten Auftritt beim Einzug Jesu in Jerusalem umgezogen, auch wegen der Hitze.
„Unter dem Haarband ist es ganz schön warm“, bestätigt Susanne Mergenthal, die heute nicht als Mutter Jesu mitspielt, sondern im Gefolge der Maria-Darstellerin Susanne Brembs auf der Bühne steht. Bis zu ihrer nächsten Szene hat sie noch etwas Zeit, so dass sie sich im einigermaßen kühlen Untergeschoss des Bühnenhauses aufhalten kann. Gemeinsam mit Martha-Darstellerin Doris Pfister beobachtet sie über einen Bildschirm die aktuellen Szenen auf der Bühne.
Nebenan, in der neuen Maske, hantiert Margit Büttner mit Puder und Pinsel. Richtig professionell sind die sechs Schminkplätze gestaltet, beleuchtete Spiegel, genügend Platz. „Das entzerrt unsere Arbeit“, verweist die Maskenbildnerin auf weitere Garderobenräume im Obergeschoss des Bühnenhauses, wo ihre Kolleginnen vor allem den Hauptdarstellern das richtige Aussehen verpassen.
Im Hauptraum des Untergeschosses wird derzeit eifrig eingekauft: Das Eis und die Süßigkeiten haben es vor allem den ganz jungen Passionsspielern angetan, andere stärken sich in den vier Stunden am Spielgelände mit belegten Brötchen. Schließlich erhält jeder Mitspieler einen Verzehrbon pro Aufführung. Dafür kann er sich auch einen Damaskus-Braten oder Datteln im Speckmantel holen, wie sie für die Zuschauer in der Pause bereitgehalten werden.
Bei manchen ganz kleinen Mitspielern genügt aber noch die Muttermilch. Etliche Babys werden herumgetragen, das jüngste, die erst 25 Tage alte Sanna, schlummert am Körper ihrer Mutter. Hellwach ist dagegen der dreimonatige Jakob, den Vater Andreas Schraud alias Simon von Cyrene stolz auf dem Arm hält. Er ist ein „zugeheirateter“ Sömmersdorfer und es ist seine erste Passionsspielsaison. Aber es macht ihm „unheimlich viel Spaß“, wie er bekennt. Und: „Die Hühner sind auch von uns“, verweist er auf das Federvieh, das bei der Händlerszene im Käfig präsentiert wird.
Rhönschafe bei Kindern beliebt
Die Tiere haben es vor allem den mitspielenden Kindern angetan. Die Rhönschafe von Heinz Pfeuffer sind immer wieder begehrtes Streichelobjekt. „Die haben wir seit Weihnachten dressiert“, schmunzelt der Schafhalter unter seinem Kopftuch hervor. Das bedeutet, Hammel und Schaf wurden an das Halfter und an das Laufen gewöhnt, das Ende März geborene Lamm trottet noch immer brav nebenher. Auch wenn es bei seinem Bühnenauftritt immer neugieriger auf das Publikum und vor allem die Musiker an der linken Seite zutritt, wie Simon von Bethanien-Darsteller Ruthard Büttner grinst.
Vor allem die beiden Esel sind für die Kinder der Hit. „Wir dürfen manchmal darauf reiten“, erzählen Fabio und Marius Rückert. Ansonsten vertreiben sich die beiden Sechs- und Siebenjährigen gemeinsam mit ihrem Cousin Sebastian Pfaff die vierstündige Wartezeit zwischen der ersten und letzten Szene auch mal mit dem Zählen der parkenden Autos in den Straßen von Sömmersdorf. „Einmal waren es 26 Busse und 273 Autos“, erzählt der Ältere stolz, der beim Einzug Jesu in Jerusalem eine tragende Rolle spielt. „Ich bin der, über den die Frauen rückwärts stolpern“, erklärt er stolz.
Sein zehnjähriger Cousin Sebastian weiß ganz genau, dass er später mal gerne den Pilatus spielen würde. „Der ist cool, der schreit mal, mal ist er ganz ruhig und er will eigentlich nicht, dass Jesus stirbt“, beweist er seine Kenntnis der Sömmersdorfer Passionsgeschichte.
Nebenan sitzen etliche ältere Frauen beieinander, darunter die 80-jährige Helga Keller, die älteste Mitspielerin. Seit 20 Jahren ist sie dabei, überlegt sie gemeinsam mit der 74-jährigen Helma Stöth und der 73-jährigen Elisabeth Seemann. „Vorher habe ich beim Sportverein mitgeholfen“, erzählt sie. Als Beschäftigung bei ihrer Unterhaltung sortieren die Frauen manchmal die kleinen Holzkreuze für den Verkauf, manchmal rollen sie Mullbinden auf. „Für Rumänien“, wie Elisabeth Seemann ihr Engagement erklärt.
Seit über 50 Jahren ist Otto Seufert Passionsspieler, diesmal hilft er unter anderem bei der Kreuzabnahme mit. „Die Kreuzigung, das geht einem nach“, meint er nachdenklich. „Man ist den Tränen nah, fühlt sich richtig dabei“. Neben der Psyche wird auch sein Körper gefordert. „Beim Heruntertragen drückt das ganze Gewicht des Jesus auf den Schultern“, erklärt er die Anstrengung. Trotz allem: Missen möchte er das Erlebnis nicht.
So wenig wie die Schar der Apostel, die mit Jesus wie eine kleine eingeschworene Truppe wirken. Die viel Spaß miteinander hat, die das Zusammensein genießt, die aber auch weiß, dass „man ohne Glauben so eine Geschichte nicht spielen kann“, wie es Jesus-Darsteller Stefan Huppmann ausdrückt.
Das Beieinander hinter der Bühne läuft gedämpft ab, damit kein Lärm zu den Zuschauern dringt. Von vorne ist dagegen deutlich die Musik zu hören, der helle Gesang, der archaische Klang der Duduk-Flöte. Frank Greubel summt die Melodie mit. Angeregt von den vielen Nachfragen der Zuschauer werden derzeit Live-Aufnahmen mitgeschnitten, so dass im Herbst die Sömmersdorfer Passionsmusik auf den Markt kommt.
Karten und Infos
Bis zum 18. August werden die Sömmersdorfer Passionsspiele aufgeführt, samstags um 20 Uhr, sonntags um 14.30 Uhr, sowie am Donnerstag, 15. August, Feiertag Mariä Himmelfahrt, um 14.30 Uhr. Karten gibt es unter Tel. (0 97 26) 26 26 und E-Mail: info@passionsspiele-soemmersdorf.de. An den Spieltagen ist samstags ab 17 Uhr sowie sonntags ab 11 Uhr die Kasse geöffnet, Geschäftsstelle Ecke Zinnstraße/Passionsweg. Die CD der Sömmersdorfer Passionsmusik ist zu bestellen über das Internet:www.passionsspiele-soemmersdorf.de Sia