Im fünfzehnten Jahr seines Bestehens hatte sich der Schweinfurter Verein „Männer contra Gewalt“ eine besondere Veranstaltung einfallen lassen: Zum Thema „Das Fremde und das Vertraute“ gab es in der gut besuchten Rathausdiele eine Filmvorführung mit anschließendem Podiumsgespräch über Wege zur gewaltfreien Begegnung unterschiedlicher Kulturen.
Als Vorsitzender konnte der Psychologe, Theologe und Psychologische Psychotherapeut Erhard Scholl von erfolgreicher Arbeit berichten. Knapp 120 Männer und Jugendliche haben bisher an Trainingsangeboten des Vereins teilgenommen, in denen Wege in die gewaltfreie Kommunikation gesucht, konstruktive Problemlösungen erarbeitet und Alternativen entwickelt werden. Oft, so Scholl, sei der Ursprung von Gewalt darin zu suchen, dass Vertrautes fremd wird.
Hilflosigkeit mündet in Gewalt
Vor dieser Situation stehen derzeit vor allem auch die Flüchtlinge: Sprache, Umgang mit Behörden, Alltägliches, Gesellschaftssystem – alles ist fremd. Die Folge ist Hilflosigkeit und diese kann in Gewalt münden. „Männer contra Gewalt“ möchte mit seiner Arbeit einen Beitrag zum Dialog der Kulturen leisten.
Bürgermeisterin Sorya Lippert sprach in einer sehr persönlich gehaltenen Begrüßung von Spannungsfeldern zwischen den Geschlechtern, von Rollenbildern, die sich innerhalb von Flüchtlingsfamilien plötzlich verändern müssen, wenn sie in Deutschland leben.
Der Film „Ein Staat – zwei Welten? Einwanderer in Deutschland“ von Rita Knobel-Ulrich thematisiert die vielen Facetten der Problematik. Die Autorin, selbst auf dem Podium anwesend, hat umfangreiche Recherchen in ganz Deutschland vorgenommen. Sie beleuchtet in ihrer Reportage repräsentativ beispielsweise die Probleme an einer Schule, in der es nach den Charlie-Hebdo-Attentaten zu Auseinandersetzungen kam, diskutiert mit Schülern einer DITIB-Koranschule über rückwärts gewandte Frauenbilder innerhalb des Islams und die im deutschen Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung. Sie begleitet eine junge pakistanische Frau, die von Zwangsheirat bedroht ist, zur Anwältin. Sie spricht mit einem Polizisten türkischer Abstammung, der angesichts der von Regionalkonflikten geprägten Zustände in einer Unterkunft für Asylbewerber sagt: „Hier prallen Welten aufeinander.“
Knobel-Ulrich erfährt von Ehrenamtlichen viel über fehlende Deutschunterrichtsangebote und bürokratische Hindernisse, beleuchtet das Verhältnis zwischen Juden und Arabern, befragt einen Rabbiner, der die „Kernwerte der demokratischen Zivilgesellschaft“ bedroht sieht. Schließlich begleitet die Filmemacherin einen selbst ernannten Friedensrichter, dem in arabisch und türkisch geprägten Kreisen mehr vertraut wird als der deutschen Justiz - wohl auch, weil im Hintergrund Geld fließt.
Jede Menge Zündstoff
Für das von Christian Blacky Schwarz moderierte Podiumsgespräch lieferte der dicht mit Informationen gespickte Film jede Menge Zündstoff. Knobel-Ulrich rief dazu auf, Neuankömmlingen in Deutschland freundlich, aber absolut klar zu sagen, zu welchen Werten die deutsche Gesellschaft steht. Der Ingolstädter Imam Yusuf Uca bezeichnete den Film als überspitzt, einseitig und kontraproduktiv: „Wir sind in Deutschland multikulti. Das müssen Sie akzeptieren!“ rief er, und fragte nach den Fehlern, die die Deutschen gemacht hätten und noch machen, auch im Umgang mit Migranten früherer Generationen. Gleichberechtigung sei für ihn selbstverständlich, Vorbilder und Erziehung innerhalb der Familie seien maßgeblich.
Der Diplompädagoge Cengiz Deniz, um Ausgleich bemüht, riet zum kritischen Hinterfragen von stereotypen Reaktionen oder Erwartungen („wenn Du Mohammed heißt, hast Du keine Chance auf einen Ausbildungsplatz“). Auch er rückte die Wertediskussion in den Vordergrund und zeigte sich irritiert über Formulierungen wie „Männer sollen ihren Frauen erlauben, Deutschkurse zu besuchen“ – auf dem Boden des Grundgesetzes, so Deniz, sei dies hinfällig.
Die Leiterin des Stadtjugendamtes, Maria Albert-Wirsching, beleuchtete die Thematik aus städtischer Sicht, berichtete von Problemen auch in Schweinfurt, von nationalistischen Tendenzen, aber auch von Erfolgsprojekten wie Heroes, von Erziehungsstützpunkten in Kitas, vom Rucksack-Projekt. Aufklärung und Begegnung seien unverzichtbar, erforderten aber auch Zeit.
„Es ist ein weiter Weg“
„Es ist ein weiter Weg“, so Albert-Wirsching, auch angesichts eines immer schwieriger werdenden Umfelds. In der offenen und regen Diskussion mit dem Publikum gab es vielfältige Beiträge, unter anderem zur Integrationsverweigerung (MdL Kathi Petersen), der nötigen Kommunikation zwischen Schulen und politischen Entscheidungsträgern (Jochen Kessler-Rosa), zur Integrationsarbeit in islamischen Gemeinden (Ayfer Fuchs), zur Frage, ob Gewalt nicht weniger mit Religion als mit Kultur zu tun habe, und zu bürgerlichem Engagement und Dialogbereitschaft auf allen Seiten.