
„Die Geschichte ist fiktiv“, sagte Regisseur Bernd Lemmerich zu Beginn von Peter Hacks Theaterstück „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“. Und humorvoll an die wenigen anwesenden Männer gewandt, dass dies eigentlich ein Stück für Frauen sei.
Lemmerich hat das Ein-Frau-Stück für das Theater an der Disharmonie inszeniert, mit Christine Hadulla als Charlotte von Stein.
Im Laufe des Stücks erklärt von Stein ihre über zehnjährige Beziehung zu Goethe, welcher ihr anvertraut wurde, um ihn am Weimarer Hof einzuführen und ihn mit dessen Gepflogenheiten vertraut zu machen. Es entwickelte sich eine (Liebes)-Beziehung zwischen der Hofdame und dem jüngeren Dichter, der sich dann 37-jährig heimlich nach Italien absetzt.
Verletzt durch Goethes Abreise enthüllt Charlotte von Stein – nur sie kommt im Drama zu Wort – im Spiegel ihres Monologs wesentlich mehr vom Wesen des Dichters als es ein direkter Blick auf ihn leisten könnte. Doch der Hof gibt Stein die Schuld an Goethes fluchtartigem Weggang.
Lemmerich stellte Charlotte von Stein in den Mittelpunkt und fängt mit dem Brief aus Italien an. Die Hofdame hofft, dass dies endlich der Heiratsantrag sei. Doch es war nur eine belanglose Mitteilung, dass das Wetter in Italien schön sei. Die verschmähte Geliebte erging sich in Tiraden gegen Goethe. Sie schilderte sein in ihren Augen unhöfliches und überhebliches Verhalten den anderen Hof- und Regierungsmitgliedern gegenüber. Seine Sprunghaftigkeit empfand sie als unverschämt, bezeichnet ihn gar als Grobian.
Insgesamt ging um eine Frau, die ihr Leben, eingebunden in die damaligen gesellschaftlichen Zwänge, ohne eigene Entfaltungsmöglichkeiten verbracht hat. Durch die Zuwendung Goethes fühlte sie sich aufgewertet und bestätigt. Von Stein war bereit, gegen Konvention zu verstoßen, was damals großen Mut erforderte. Doch Goethe wies sie mit seiner Flucht zurück. Auch der Dichter verstieß in seinem Leben sehr häufig gegen die damals geltenden gesellschaftlichen „Regeln“.
Hier wurde aus von Steins enttäuschter Liebe die allgemeinere Frage, was eine Frau denn überhaupt vom Leben erwarten könne. Sie fragte sich: „Soll es das jetzt gewesen sein?“
Das Stück war am Anfang und am Ende mit zeitgenössischer Musik umrahmt: Erna Rauscher sang Goethe-Lieder von Schubert, am Klavier begleitete sie Jutta Müller-Vornehm.