Das Wo war für den 13-Jährigen nie die Frage, eher schon das Was, denn Vater Robert war ein Kreativer und ein Multitalent, der Planen für Lastwagen nähte, Boote baute und Autos lackierte. Peter Heßler konzentrierte sich dann ab Ende der 1960er-Jahre auf die Kernkompetenz des Kleinbetriebs: auf den Unfallservice.
Sechs Jahrzehnte im Betrieb
Bei der Handwerkskammer für Unterfranken ergab die Nachfrage der Redaktion zwar kein exaktes Ergebnis, doch die Einschätzung, dass extrem selten irgendjemand 60 Jahre lang in einer Firma arbeitet. Im Fall von Peter Heßler ist dies das eigene Unternehmen, der „Unfallservice Heßler“ in der Ludwigstraße 28 in Niederwerrn.
Auf die Welt kam Peter Heßler am 10. Dezember des Jahres 1943 in der Schweinfurter Luitpoldstraße 15, wo die Hausfrau Maria und der Maler- und Lackierermeister Robert gleich neben der Firma Wütschner (Autozubehör) eine Werkstatt hatten, die im Laufe des Krieges siebenmal von Bomben getroffen wurde.
Erdacht und gemacht
Nach dem II. Weltkrieg siedelte die Familie um – über den Main in Höhe von Oberndorf direkt an den Fluss. Dort wurde eine 300 Quadartmeter große Halle gebaut, in der lackiert und gemalt, wo Schriftzüge aufgebracht, Zelte erdacht und gemacht und das Innenleben von Autos gestaltet wurden. Auch baute Vater Robert Boote: Schnellboote für die Wasserwacht in Würzburg und Schweinfurt, die „Gläsernen Boote“ aus transparentem Material, (Schnell-)Boote, die auf den Seen der Alpen, in Schwedens Schärengärten, an der Rivera und auf dem Rhein fuhren. Zum Anwesen der Heßlers zählten auch ein Zeltplatz und eine Wirtschaft.
Mit dem Boot zur Schule
Der achtjährige Peter durfte und musste zulangen, wenn er nicht in der Dr.-Pfeiffer-Schule in Oberndorf lernte. Zur Schule ging es über den Main – mit einem Boot. 1957 begann für den Jüngsten der vier Geschwister der Ernst des Lebens mit der Lehre im elterlichen Betrieb und dem Berufsschulunterricht bei den Lehrern Julius Wolf und Hermann Mai. Autos lackierte er im Rahmen des Unterrichts erstmals im dritten Lehrjahr in einem Praktikum.
Die Heßlers waren bereits zwei Jahre vor Peters Lehrzeit erneut umgezogen, weil das Grundstück bei Oberndorf nur über einen Feldweg zu erreichen und „weg vom Schuss“ war, was der Kundschaft nicht gefiel. Die neue Adresse lautete: Ernst-Sachs-Straße 50 (gegenüber der Gaststätte „Frühlingsgarten“ der Brauerei Wallbräu).
Ausgebeult, gespachtelt und geschliffen
Damals existierten in der Stadt sechs Autolackierereien. In Mode waren zweifarbige Wagen mit den Farben Weiß und Schwarz, oder auch Rot und Weiß. Und damals wurde nach einem Unfall das beschädigte Blech ausgebeult, gespachtelt und geschliffen und kein neuer Kotflügel bestellt, wenn der alte noch zu richten war.
Bis in die 1970er-Jahre verpachtete die Familie das 6000 Quadartmeter große Grundstück auf Grafenrheinfelder Flur, ehe dieses an die Stadt verkauft wurde. Zwischenzeitlich war man erneut umgezogen. Weil man in Schweinfurt kein passendes Grundstück für eine größere Werkstatt fand, wurde in Niederwerrn in der Ludwigstraße gebaut und zum Jahreswechsel 1965/66 umgezogen.
Erneut ein Anfang
In dem Neubaugebiet blieben der weit und breit größte Unfallservice mit seinen fünf Mitarbeitern und das Glaswerk Keidel lange außerhalb der Bebauung. Heute liegt der Firmensitz zwischen Ein- und Mehrfamilienhäusern. 1966 wurden unter Regie von Robert Heßler noch „die modernste Kombi-Lackieranlage mit Trockenkabine“ und eine Hebebühne angeschafft.
Ein Jahr später konnte der Vater den Betrieb nach einem Unfall nicht mehr führen: Peter, der 1963 seine Rosi geheiratet hatte, hatte nun das Sagen in der Werkstatt. Stolz ist der Seniorchef (Tochter Nicole arbeitet seit zwei Jahrzehnten im Betrieb und wird diesen übernehmen) auf seine ehemaligen zehn Auszubildenden, die „alle bestens bestanden haben“, von denen einer bei der Deutschen Meisterschaft der Lackierer den dritten Platz belegte.
Farben aus der Mischanlage
„Leider konnte ich die Azubis nicht übernehmen. Dazu ist der Betrieb zu klein“, sagt Peter Heßler, der bei einem Rundgang durch die 600 Quadratmeter große Werkstatt zeigt, dass Autolackierer heute viele technische Hilfsmittel haben, „aber trotzdem das richtige Händchen brauchen“. Dass Blau nicht Blau ist, dass es auch bei der Farbe Weiß etliche Farbabstufungen gibt, zeigt sich auf jedem größeren Parkplatz. Dass der Autolackierer über 6000 Farbtöne mischt und jede einzelne davon abtönen kann, erklärt Peter Heßler an der Mischanlage. Vorbei sind die Zeiten der Originalfarben. Heute wird alles gemischt.
In den 1970er-Jahren
In den 1970er-Jahren „war die Zeit nicht so hektisch, und die Ansprüche waren nicht so hoch“, erinnert sich der Firmenchef. Vor 30 Jahren seien auch noch Komplettlackierungen verlangt worden, weil man das ganze Auto für sich noch einmal habe aufhübschen wollen. Heute würde man fast nur noch Schäden richten, Autos und Motorräder lackieren, Karosserien und Fahrzeuge vermessen. Ergänzt werden die Karosseriearbeiten durch Ölservice und Kundendienst, Abgasuntersuchungen, Auspuff- und Klimaanlagenservice, Autoglasreparaturen, die Fahrzeugpflege und die Oldtimer-Restaurierungen.
Beschichtung aus Folie
In den 1980er-Jahren „gab es noch ein gescheites Blech“ und immer wieder neue Spritztechniken; seit 1990 dann die Wasserlacke ohne Lösungsmittel. Heute muss bei Stahl und Plastikteilen der gleiche Farbton getroffen werden, weshalb Musterbleche lackiert und mit dem Lack des Autos verglichen werden. Wie neu sieht der fahrbare Untersatz auch nach der Beschichtung mit einer Folie aus. Dabei wird aus einem roten Auto auch einmal ein blauer Wagen.
Ganz aufhören will Peter Heßler weder heute noch morgen. „Die Arbeit macht Spaß“, sagt der Seniorchef und ehemalige Vorsitzende der Freien Turner Schweinfurt und der ebenfalls ehemalige zweite Vorsitzende bei Automobilclub Verkehr (ACE), der zum Ausgleich lange Tennis gespielt hat („bis die Knochen nicht mehr mitmachten“), dessen „zweite Heimat“ Mallorca ist, der auch gerne auf Fernreisen geht.