Er fällt auf. In jeder Hinsicht. Sein Gang ist grazil, ein wenig tänzelnd. Er ist immer modisch gekleidet. Ein Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle. Und wenn er spricht, hat das Format. Hermann G. Mees ist eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Jetzt verlässt der Mann, der nicht widerspricht, wenn man ihn „ein wenig verrückt“ nennt, endgültig die Bühne.
Mees schließt Ende Mai seinen Modeladen ER nach fast 40 Jahren zu. Bei der US-Army sagte der langjährige technische Betriebsleiter schon 2006 Adieu. Wehmut? „Eigentlich Ja“, sagt der 73-Jährige beim Gespräch in seinem Geschäft am Marktplatz.
Hermann G. Mees ist gebürtiger Schonunger. Fränkisches hört man nicht, er spricht Schriftdeutsch. Nach der Schule 1957 kam die Lehre zum Starksstromelektriker. Kufi übernimmt den Gesellen. In der Elektorabteilung gefällt es ihm aber nicht. Er besucht eine Privatschule, studiert Elektrotechnik und fragt, als er wie so oft bei den Amis in der Niederwerrner Straße vorbeikommt, nach einem Job. Die Army nimmt ihn.
Dann meldet sich noch mal die Bundesrepublik bei ihm. Den Wehrdienst verweigert Mees mit Erfolg, zum Zivildienst rückt er im Rot-Kreuz-Schwesternheim in München an. Eine prägende, „ja die schönste Zeit meines Lebens“, sagt er. Immer modisch gekleidet ist Hermann G. Mees damals schon. „Das hing mit meinem Selbstwertgefühl zusammen“, sagt er dezent lächelnd.
Und er fällt wegen des Autos auf. Bei den Schwestern fuhr er mit dem legendären Austin Healy in Grün vor, das Froschauge. Über Rover und einen Austin Cooper landet er bei der Firma Jaguar – bis heute fährt er diese Marke. „Irgendwie war ich schon immer verrückt“.
Die Amerikaner nehmen den Elektriker wieder auf, der sich schnell hocharbeitet. Die rückständigen Kasernen Ledward und Conn rüstet er technisch nach, „die musste ich komplett neu verkabeln“. 1977 wird Hermann G. Mees Betriebsleiter der US-Army, zuständig für die gesamte Infrastruktur mit Wasser, Abwasser, Heizung, Müllabfuhr, Elektro und Umweltschutz.
Die Leit-Technik made by Mees avancierte zur modernsten in Europa. In Amerika musste er Vorträge darüber halten. „Mein Erfolg war, dass die Army mir die Verantwortung alleine gegeben hat“ und nicht mehr einem alle drei Jahre wechselnden Verantwortlichen der US-Army mit neuen Ideen.
1980. Eine deutsche Kollegin bei der Army berichtet Mees von der drohenden Pleite eines Ladens mit hochwertiger Herrenmode am Marktplatz. Die beiden Betreiber von M&R, der jeweils erste Buchstabe ihrer Vornamen, hatten sich überhoben und ihn, den stets gut gekleideten Hermann G. Mees, über die Kollegin ausrichten lassen, ob das nichts für ihn wäre.
Eine Vision, die im Beruf und mit seinem Auto-Spleen verwirklichte Technik mit seiner Lust auf Mode zu verbinden, „die hatte ich schon immer“. Mees kauft den M&R-Laden und eröffnet am 13. Februar 1980 „ER Herrenmoden“. Dass er anfangs mangels buchhalterischer und kaufmännischer Kenntnisse so seine Probleme hatte, verhehlt er nicht.
Aber es überwogen die „wunderschönen Momente“, die Begegnungen mit so vielen interessanten Menschen und mit der Mode. „Ich war eine Naturbegabung, ich hätte Schauspieler werden müssen“, lacht er. Er kennt von jedem Sakko, jedem Hemd das Material, weiß über die Fertigung, die Farbe Bescheid und kann zu den Firmen jedem Kunden wunderbare Geschichten erzählen.
Boss, Joop, Eton, Hemden von Robert Graham, Gräfin Lendorf Gürtel, hochkarätige Polos, nur allerbeste Adressen. Und natürlich die italienischen Marken wie Gino Lombardi. Ja Italien, das andere große Faible von Hermann G. Mees.
Bis 2006 haben zwei Angestellte den Laden geschmissen. Nach seinem Ausscheiden bei den Amerikaner steht er mit seiner Frau Renate jeden Tag selbst im Geschäft. Lange sind sie schon zusammen, aber geheiratet haben sie erst am 19. Mai 2009. Da war Mees 66 Jahre alt, wieder eine solche Verrücktheit in „meinen nie normalen Leben“.
Hermann G. Mees schließt hauptsächlich wegen seines Alters zu. Ende Mai, mit einem richtigen Schlussverkauf am Ende. „73 Jahre, da darf man darüber nachdenken“. Es sind aber auch die Umsatzrückgänge durch den Internetkauf. Weniger Umsatz gab es auch bei jedem Fisch- oder Weihnachtsmarkt, weil die Stadt trotz regelmäßigem Protest Stände direkt vor der Ladentür platzierte. „Die haben nicht begriffen, dass ich eine andere Klientel habe“, sagt er und nennt es einen Treppenwitz, dass das Modegeschäft beim letzten Fischmarkt „das erste Mal nicht zugebaut war“.
Er will verreisen. Dazu hatte er bisher wenig Zeit, wenngleich er „diesen Preis gerne gezahlt hat und nie das Gefühl hatte, dass mir was entgeht.“ Das geliebte Italien wird Hauptziel, das Land, dessen Sprache er spricht, dessen Weine und Pasta er so gerne konsumiert.
Mees bevorzugt Rotwein. Einen Schoppen genießt er von montags bis donnerstags beim obligaten Treffen der „Schweinfurter Würfelrunde“ in der Vinothek im Hotel Ross von 18 Uhr nach Ladenschluss bis 19 Uhr vor dem Abendessen zuhause im Höllental. Bis 2002 fand der Kulttreff jahrzehntelang in der Cinema-Bar statt. Bis Hans Richter nicht mehr hinter seiner Theke stand, „an der ich damals schon mit Sakko und Fliege saß“, lacht Mees.
„Es hat mir immer schon Spaß gemacht, mich gut anzuziehen“, sagt er und zieht dieses wunderbare Fazit: „Mein ganzes Leben ist nicht normal, ich war immer außerhalb der erlaubten Legalität“. Da lacht Mees herzlich und verrät dann doch noch, dass das G. für Georg steht.