Die Sonne hat es schwer an diesem Montagnachmittag. Dunkle Wolken hängen wie schwere Wattebäusche über die Weinberge in Stammheim. Die Aussicht reicht dennoch bis nach Fahr im Süden. Im Norden sind die Kühltürme von Grafenrheinfeld gut zu sehen und vis-a-vis bietet sich ein Panorama-Blick auf die Wipfelder Rebenhänge. Hier und da rumpelt ein Winzer mit seinem Auto über die unebenen Betonstraßen. Plötzlich biegt ein Feuerwehrauto um die Kurve. Ohne Blaulicht, ohne Sirene. Brennt es im Weinberg?
Das Löschfahrzeug der Marke Opel, Typ Blitz, hält. Der Mann am Lenkrad hüpft heraus. Er trägt keine Uniform. Flux öffnet er die Seitentür. Vier Frauen, ebenfalls ohne Uniform, steigen aus und lachen fröhlich. Um den Hals tragen sie handgestrickte "Täschli", darin stecken Weingläser. Fahrer und Gästeführer Michael "Michl" Schmid zieht mit geübten Handgriffen die Ladelucke hoch. Ruckzuck stehen ein Stehtisch mit elegant-bedeckter Husse, eine Blumenvase und der nächste gekühlte Wein zur Verkostung bereit. Er erzählt begeistert über die Lage Stammheimer Eselsberg und erklärt geographische Hintergründe.
Was ist das denn für eine Veranstaltung? Brennen tut's natürlich nirgendwo. Es ist ein ganz normaler Stopp von "Michls Ausflugsfahrten ins fränkische Weinland". Dorle, Sylvia, Sabine und Hilde aus Laufach im Spessart haben ihn heute für eine Geburtstagsspritztour gebucht. "Endlich kann ich meine außergewöhnlichen Gästefahrten anbieten und mein Traum geht in Erfüllung", sagt der Hergolshäuser. Der Weg dahin gestaltete sich aufwändig, war zeit- und kostenintensiv. Nicht nur wegen der Pandemie.
2021 hat der Opel-Oldtimer-Fan das erste Feuerwehrauto gekauft
Doch zunächst zur Geschichte, wie die Idee dazu entstanden ist. "Oldtimer sind meine Leidenschaft", strahlt der 56-Jährige. Seit vielen Jahren ist er ein echter Opel-Liebhaber. "Ich besitze einen Kadett, zwei Rekord und einen Diplomat." 2012 kaufte er das erste Feuerwehrauto, seinen "Blitzi", wie er ihn liebevoll nennt. Acht Jahre später den zweiten. "Meine Frau hat mit dem Kopf geschüttelt, mein damals neunjähriger Neffe Felix hat sich darüber gefreut. "Onkel, zu meiner Kommunion wünsche ich mir damit einen Ausflug!"
Diese erste Spritztour war die Geburtsstunde seiner späteren Ausflugsfahrten. Es folgten weitere private Fahrten mit Freunden, Verwandten oder Bekannten. "Just for fun", sagt Schmid. Die Anfragen häuften sich. "Irgendwann kam der Punkt, wo ich dachte, das musst du jetzt legalisieren."
Sechs Monate und seitenweise Dokumente bis zum Start
Gesagt, getan. "Was wollen Sie machen?", lautete die verdutzte Antwort am Telefon, als Michl Schmid vor zwei Jahren im Landratsamt Schweinfurt anrief. Ein paar Wochen gingen ins Land. Dann kam der Rückruf. Christian Hofmann, zuständiger Sachbearbeiter im Straßenverkehrsamt, erklärte das Genehmigungsverfahren und schickte ein Dokument. Darauf: 16 Voraussetzungen, die Schmid erfüllen musste, bevor die Erlaubnis erteilt wurde. "Mit mal schnell abarbeiten war es nix", stellte er nüchtern fest. "Das war erstmal deprimierend."
Es dauerte sechs Monate und kostete rund 2000 Euro, bis er alles absolviert und sämtliche Dokumente zusammen hatte: zum Beispiel der Personenbeförderungsschein, die Sachkundeprüfung und die TÜV-Abnahme für gewerbliche Fahrzeuge, die jährlich erfolgen und unaufgefordert gemeldet werden muss. Oder die Unternehmerprüfung, die in der Amtssprache den sperrigen Titel "Fachkundebescheinigung für den Personenbeförderungsverkehr" trägt. "Zum Glück sind mir derartige Begriffe aus meiner Arbeit im Bankwesen vertraut", sagt Schmid und schmunzelt. "Und dankeswerterweise hat mich Herr Hofmann während des ganzen Prozesses unterstützt und stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite."
Am 1. September 2020 lag dann die Genehmigung im Briefkasten. Es konnte losgehen. Leider nur ein paar Wochen, dann kam der zweite Lockdown. Michl Schmid musste erneut geduldig sein. Erst seit Juni dieses Jahres kann er wieder mit seinem alten Feuerwehrauto in den fränkischen Weinbergen unterwegs sein. "Immer, wenn ich in meinem Blitzi einsteige, habe ich sofort Erinnerungen meiner Kindheit vor Augen. Es riecht wie damals bei meinem Vater im Auto."
Sogar die Ausrüstung ist noch im Originalzustand
Kein Wunder, Besitzer und Fahrzeug trennen nur vier Jahre: Michl ist Baujahr 1965, sein Blitz 1969. Das Löschfahrzeug wurde vor 51 Jahren von der damaligen Firma Voll in Würzburg mit dem Aufbau fertiggestellt und im Mai 1970 zugelassen. Unter dem Namen "Florian Gabelbachergreut 43/1" war es jahrzehntelang als Einsatzfahrzeug unterwegs. Sogar die Ausrüstung ist noch im Originalzustand. Neben der Tragkraftspritze, der schweren Vorbaukreiselpumpe, der Steckleiter und Schlauchmaterial sind zur Freue der Gäste auch noch Helme und Mützen vorhanden.
Das Konzept stimmt, die Nachfrage ist groß
Diese haben sich bei der Tour in den Stammheimer Weinbergen inzwischen die vier Frauen geschnappt und posieren damit gegenseitig vor der Kamera. "Der Weitblick hier ist echt super! Ich wusste gar nicht, dass es den Altmain gibt", sagt Silvia, die vor vielen Jahren als Kind mit ihren Eltern an der Mainschleife war. Als Jubilarin wurde sie von ihren Freundinnen überrascht und bekam den heutigen Auslug geschenkt. "Es gibt nichts Schöneres, als gemeinsame Zeit zu verbringen", sagt Sabine, die bei Michl gebucht hat. "Die Kombination aus Fahren, die Landschaft erkunden und Wein zu verkosten ist einfach wunderbar."
Das Konzept stimmt, die Nachfrage ist groß. Michl Schmids Terminkalender ist voll. Doch bevor er seinen Blitzi am ersten November wieder in den Winterschlaf versetzen, Reifen wechseln und Rostflecken behandeln wird, stehen noch viele Ausflugsfahrten in der Region an. "Es bereitet mir unheimlich viel Spaß! Am schönsten sind Touren mit lustigen Gästen. Da geht mir das Herz auf". Und mit einem Augenzwinkern gibt er zu: "dann wird es auch gern mal länger, als die geplanten vier bis fünf Stunden."