Der „Star des Abends“ kommt nicht etwa aus den Tiefen des Backstage-Bereichs, sondern bahnt sich locker und grüßend seinen Weg durch sein Publikum. Im Schlepptau seine neue Tourband, in der Hand sein Arbeitsgerät, seine E-Gitarre, der man auch ansieht, dass sie schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat.
Henrik Freischlader, der am Dienstagabend im gut gefüllten Stattbahnhof gastierte, ist ein Rockarbeiter, ein Musiker ohne Allüren, der mit Lederjacke und Jeans, seiner Fender und seiner schwarzen, bluesgetränkten Stimme, vor allem eines gut kann – sein Publikum mit astreiner, zu 100 Prozent handgemachter Musik, unterhalten.
Und das tat der 34-jährige Wuppertaler gemeinsam mit seiner gut eingespielten Band zweieinhalb Stunden lang mit seinem völlig eigenständigen Mix aus Blues, Funk und Rock. Da wippt nicht nur der Fuß, da werden Männer mittleren Alters wieder zu Freistiltänzern, leuchten die Augen derjenigen, die mit der Musik von Stevie Ray Vaughan, Jimi Hendrix oder Gary Moore aufgewachsen sind, denn deren Einflüsse sind unverkennbar im Gitarrenspiel von Henrik Freischlader.
Adios Internet
Der Mann singt und spielt aber nicht nur, sondern er hat auch etwas zu sagen. Zum Beispiel, dass er sich entschlossen hat sein Leben vorerst völlig offline zu gestalten. Keine sozialen Medien, keine Homepage, keine Likes und Tweets – wer Henrik Freischlader erreichen will, der muss ihm eine Postkarte schreiben.
Und genau dazu ermutigt er seine Fans, zum Beispiel jene, die seine für Frühjahr 2018 geplante Live-Doppel-LP (eine CD wird es nicht geben) haben wollen. Reservierungen für diese Platte, für die auch im Stattbahnhof das Tonband mitlief, wurden angenommen – mittels auszufüllender Postkarte, die dann im Frühjahr „Wenn der Mohn blüht“ an jene verschickt werden, die ihren Ohren lieber schwarze Scheiben, als MP-3-Files gönnen.
Die CD's von denen Freischlader mit wechselnden Besetzungen schon eine ganze Reihe veröffentlicht hat, wurden nach dem „Alles mus raus-Prinzip“ für 9,99 Euro unter die Leute gebracht. Immer in der Hoffnung, dass der Retour-Cent in der Spendenbox landet, mit deren Inhalt die Brautschuhe von Sängerin Joanne Kasner bezahlt werden sollen. „Früher war das Brauch, dass Brautschuhe mit Pfennigen bezahlt wurden, mal sehen, ob wir noch einen Laden finden, der heute noch die Münzen nimmt“, erklärt Freischlader seine Version von Old-School-Schuhkauf.
Doch nicht Schuhe, sondern Töne bestimmten den Abend. Die beiden Sängerinnen Joanne Kasner und Linda Sutti durften nicht nur Background des Meisters bluesgetränkte Stimme begleiten, sondern auch solo ran. Auch Harrisen Lakner Maing, der zweite Sechssaiten-Zauberer auf der Bühne, wusste vor allem bei Feuerzeug-Balladen, wie der vom „Strawberry Wine“ zu überzeugen.
Nostalgie nach Noten gab es auch von Daniel Szebenyi, der mit seiner schwergewichtigen Hammond-Orgel für den warmen Wohlklang, der so herrlich an den Rock der 70er-Jahre erinnert, sorgte.
Neben reichlich Songs, vor allem aus dem Album „House in the Woods“ und Wagenladungen voller ausgezeichneter Gitarrensoli, waren es dann doch zum Ende des Sets hin die Cover-Versionen, die überzeugten. Bei „Baby what you want me to do“, lief Linda Sutti stimmlich zu Höchstform auf. „Crosstown Traffic“ hätte wohl auch dessen Schöpfer Jimi Hendrix gefallen, wenn er noch unter uns wäre und „Get up stand up“, erzeugte wohlige Gänsehautschauer auf dem Rücken der Freunde gepflegter Gitarrensoli.
„You make me feel like a natural woman“, Teil der ausgedehnten Zugabe, sorgte für letztes Entzücken. Vielleicht landet es ja auf dem Doppelalbum – Postkarten mit Vorbestellungen für das analoge Wiederhören wurden reichlich ausgefüllt.