Riesenandrang bei den Kirchen(t)räumen in der Gerolzhöfer Stadtpfarrkirche: Hunderte Zuschauer wollten am Freitagabend bei den drei sich wiederholenden Aufführungen im Steigerwalddom dabei sein. Besonders die ersten beiden Events waren außerordentlich gut besucht. Kirche zieht auch heute noch – wenn sie zeitgemäß ist.
Die Musikauswahl beschritt in diesem Jahr neue Wege. Statt eine Band pro Abend gab es heuer mehrere Interpreten zu hören. Wir erinnern uns: 2017, zum Start dieses großartigen Erfolgsmodells, stand die Musik von "Pink Floyd" regelrecht in der gotischen Hallenkirche. Die am Synthesizer generierten gewaltigen sinfonischen Klangwände der britischen Band, eine der kreativsten und erfolgreichsten Rockgruppen der Musikgeschichte überhaupt, füllten den Raum wie bei einem klassischen Konzert, ohne dass dabei aber die sozialkritischen Texte untergingen.
Orchestrale Rockmusik
2018 folgte dann die konsequente Fortsetzung mit Musik ausschließlich von "Alan Parsons Project". Parsons hatte zunächst noch bei den "Beatles" in deren späten Phase und dann für Paul McCartneys "Wings" im Tonstudio gearbeitet, ehe er als Toningenieur und Produzent für den Art-Rock von "Pink Floyd" verantwortlich war. Seine Leidenschaft für orchestrale Rockmusik steigerte er noch bei den Hymnen von "Barclay James Harvest", ehe Parsons gemeinsam mit Eric Woolfson das "Alan Parsons Project" ins Leben rief und bei der musikalischen Nacherzählung der Schauergeschichten von Edgar Allan Poe gemeinsam mit Kultsänger John Miles bombastische Sounds entwickelte – Sounds, die im Zusammenspiel mit den von Matthias Kram (MK Audio Veranstaltungstechnik) perfekt choreografierten Lichteffekten und Farbmischungen bei den Besucher der "Kirchen(t)räume 2018" für Gänsehaut sorgten.
Verschiedene Interpreten
In diesem Jahr nun, bei der dritten Auflage der Kirchen(t)räume unter dem Motto "Highway to heaven", standen nicht nur die Musik und die Texte einer einzigen Band im Mittelpunkt, sondern erstmals waren verschiedene Interpreten zu hören. Das Konzept blieb allerdings gleich: Achim Winkelmann und Erna Kleinhenz zitierten Psalmen und Bibelstellen, ehe dann dazu die passende Musik und Texte eines Rockmusikers zu hören waren. Erstmals wurden die Psalmen und Bibelstellen per Leuchtschrift an das Gewölbe oberhalb der Orgel geworfen – allerdings entdeckte ein Großteil der Besucher im Hauptschiff diesen besonderen Effekt hinter ihrem Rücken nicht.
Wenn man sich still in die Kirche setzt und sich bewusst darauf einlässt, dann kann man sie erspüren, diese besondere Atmosphäre: Alle Lieder und Gebete, alle Freude und alle Trauer, alle Schreie aus Schmerz, Trauer und Not, aber auch der Jubel und der Dank über glückliche Fügungen, alle Worte, Gedanken und Gefühle, die in den vergangenen Jahrhunderten in diesem Gotteshaus von unzähligen Generationen gesungen, gefühlt und gesprochen wurden, sind gleichsam gespeichert, haben sich dort verdichtet. Man spürt sie. Und sie beeinflussen das innere Erleben eines Menschen mehr als man glaubt. So großartig gestaltete Räumen mit solchen Dimensionen wie die Stadtpfarrkirche in ihrer Höhe und Weite findet man nur selten. Hier erlebt man sich mit seinem Körper ganz anders, ganz neu.
Verdichtete Atmosphäre
Die Kirchen(t)räume 2019 beschäftigten sich mit den Höhen und Tiefen des menschlichen Lebens, mit diesen gespeicherten Gefühlen in der verdichteten Atmosphäre des Steigerwalddoms. Highway to Heaven oder Highway to Hell? Das Leben als Himmel auf Erden, immer geradlinig, ohne lästige Kreuzungen, an denen man warten muss, einfach mit Vollgas voraus, alles Beschwerliche hinter sich lassen? Oder das Leben als Hölle auf Erden? Verliebtsein, das Glück einer funktionierenden Partnerschaft, oder der Tod eines geliebten Menschen, Krankheit, Burnout, Mobbing am Arbeitsplatz, Scheidung – die Gefühlslagen im Leben können nicht unterschiedlicher sein.
Es begann deutlich gedämpfter als in den Vorjahren. Den Auftakt machte der düster und pessimistisch klingende Song "You want it darker" (Du willst es dunkler) von Leonhard Cohen. Matthias Kram hatte dazu auch nur eine zurückhaltende Lichtkomposition gewählt. Auch bei "Das Leben ist schön" von Sarah Connor und "Draußen vor der Tür" von den Toten Hosen unterstrich das weiche Licht die Textaussagen und die bewusst schlicht gehaltenen Arrangements der Songs. Ein besonderes I-Tüpfelchen war in diesem Jahr der Auftritt des Geigenspielers Bernt Eichmüller, der beispielsweise bei "Durch die schweren Zeiten" von Udo Lindenberg oder beim Highlander-Klassiker "Who wants to live forever" von Queen live improvisierte.
Mächtig Power
Doch neben den eher zarten, nachdenklichen Tönen gab es auch Power. Und zwar mächtig Power. Erstmals in der über 1000-jährigen Geschichte des Gotteshauses läuteten Satans Glocken der Hölle von AC/DC. Lichtdesigner Matthias Kram und sein Team hatten dazu ein tolles Lichtschauspiel entwickelt, als zu jedem dröhnenden Schlag der "Hells Bells" die dunkle Kirche plötzlich blutrot aufleuchtete und im Chorraum die Nebelsäulen aufstiegen. Ähnlich begeisternd dann die Lichtregie bei Rammsteins "Engel" mit teils wilden Lichtblitzen und wirbelnden Strahlen.
Zum versöhnlichen Ende mit "Heal the world" von Michael Jackson leuchtete die Kirche dann in den buntesten warmen Farben, als die Ministranten klatschend durch den Mittelgang einzogen und die Besucher zum Mitmachen und Mitsingen animierten.
Verantwortlich in diesem Jahr für Konzeption und Durchführung war wieder das Projektteam des Pfarrgemeinderats der katholischen Pfarrei Gerolzhofen mit Pastoralreferent Josef Pohli, Annette Mößlein, Carmen Wächter und Matthias Kleinhenz.
Lang anhaltender Applaus und Jubelstürme nach jeder der drei Aufführungen.