
Das Atelier und die Keimzelle unzähliger, feinsinniger Karikaturen befand sich direkt unter dem Dach. Eine helle, lichtdurchflutete Studierstube, erreichbar über 21 Stufen und voll mit Staffeleien, Bildentwürfen, nebst einem überdimensionalen, weißen Schreibtisch.
Auf den ersten Blick wirkte der Schweinfurter Künstler mit dem weißen Dreitagesbart, der seine Gesprächspartner immer mit leicht verhangenen Augen hinter Brillengläsern fixierte, etwas mürrisch. Nichts als eine geschickte Maskerade, denn genau das war der Eindruck, den der 73-Jährige erwecken wollte. Erst einmal zuhören, den Gegenüber einschätzen, und bloß nicht gleich alle Karten offenlegen. Hinter der meist distanzierten Fassade verbarg sich ein messerscharfer Geist, der bei seinen Zeichnungen mit Biss und geisteshellen Humor aus dem Vollen schöpfte.
Auch in diesem Jahr erreichten seine Karikaturen kurz vor Weihnachten noch viele Haushalte, denn alle Zeichnungen im Müllkalender der Stadt stammen von dem launigen Künstler aus der Maibacher Straße. Bis 2015 war er zudem für den legendären Schweinfurter Karikaturen-Kalender mit dem Sauschwänzchen und dem Titel „Er hängt“ verantwortlich. Bis er daran das Interesse verlor und sich aus dem Projekt verabschiedete. Zu viele Geister von außerhalb wollten sich damals in seine Gedankenwelt und Ideen einmischen. Das hat dem Freigeist Böhm nicht gefallen, und er ging kompromisslos.
Böhm wollte immer seine künstlerische Ader ausleben, aber weil der Vater früh starb, blieb seiner Mutter nichts anderes übrig, als ihn zu bitten, eine Berufsausbildung zu machen. Bei der Bahn – aber auch dort hinterließ der Querdenker von Anfang an seine Spuren. Eine Uniform zu tragen, kam für ihn nicht in Frage, und auch der obligatorischen Kappe verweigerte er sich. Die Ausbildung sollte nur zwei Jahre dauern. Böhms Talent wurde schnell allen klar, als er begann, die Kollegen zu zeichnen. 1963 gewann er den ersten Preis bei einer Ausschreibung des DGB, und sein langgehegter Traum, die Kunstschule in Würzburg zu besuchen, wurde Realität.

Das, was Böhm seinen Hausschatz beim Zeichnen (und auch beim Malen, wenn er sich ab und zu an Ölbilder macht) immer nannte, war seine unbändige Kreativität – reich, frisch, mit gesunder Ironie und Launigkeit. Böhm aber nutzte diese für seine häufig peinlich genau treffenden Karikaturen, mit denen er über die „Notizen aus der Schweinfurter Provinz“ ätzte.
Mit großer Kunst sagte Böhm immer, habe er niemals was am Hut gehabt. Er sah sich eher als Auftrags-Zeichner, der versuchte, mit seinen Karikaturen und Porträts den Charakter der Menschen sichtbar zu machen – ihm gelang das spielerisch einfach, indem er nicht nur die typischen Eigenschaften der Personen, sondern auch ihr Umfeld scharf beobachtet. Seine filigranen Boshaftigkeiten und Sticheleien erschließen sich bis heute häufig erst auf den zweiten oder dritten Blick. Böhm war Slow-Food-Anhänger, stand gerne selbst am Herd und porträtierte Kochgrößen wie Lafer, Witzigmann und Schubeck. Eines allerdings war ihm zeitlebens zuwider. Man solle nicht sagen, der Böhm, der malt ja ganz nette Karikaturen. Ganz nett, sei nichts anderes als der kleine Bruder von Scheiße.
Heinz Adolf Böhm ist am 22. Dezember im Alter von 73 Jahren völlig überraschend verstorben. Am 31. Dezember hätten er und seine Ehefrau ihren 28. Hochzeitstag gefeiert. Die Beerdigung findet im Familienkreis statt.