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Schweinfurt
Heino Naujoks: Das Figürliche in die Moderne tragen
Die Kunsthalle widmet Heino Naujoks eine wunderbare Retrospektive.
Heino Naujoks und sein eindrucksvolles Großformat "Flut II".
Foto: Karl-Heinz Körblein | Heino Naujoks und sein eindrucksvolles Großformat "Flut II".
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 03.12.2019 10:32 Uhr

Vor vier Jahren hat die Kunsthalle der Gruppe WIR eine große Retrospektive gewidmet. Zwei ihrer Gründer, Florian Köhler und Helmut Rieger, sind bereits gestorben. Dem dritten Mann im Bunde ist jetzt eine eigene Ausstellung gewidmet, die weit über die Region hinausstrahlt, wie der Besuch ihrer Eröffnung im Nordflügel der Kunsthalle eindrucksvoll bewies.

Dort widmet sich das Haus unter dem Motto "jung und wild" in der im Juli eröffneten neuen Dauerausstellung der neofigurativen Kunst der Gruppen CoBra, Spur, WIR, Geflecht und Kollektiv Herzogstraße. Deren Mitglieder setzten sich streng ab von der Kunst des übergegenständlichen Informel beispielsweise von ZEN 49, als Reaktion auf das Kunstdiktat während der Nazizeit. Deren Vertreter wie Rolf Cavael, Georg Fietz oder Rupprecht Geiger sind im Westflügel zu sehen.

Der heute 82-jährige Heiko Naujoks hat zusammen mit Köhler und Rieger an der Münchner Akademie bei Erich Glette freie Malerei studiert. Auf der Suche nach einer eigenen Sprache orientierten sie sich an Rubens oder Delacroix, deren Werke sie in der Alten Pinakothek erlebten, aber auch am Barock, den sie in den Kirchen Süddeutschlands fanden.

Die weitgehend chronologisch gehängte Retrospektive, die die Jahre 1959 bis 2017 umfasst, zeigt wie Naujoks einen dritten Weg zwischen Informel und Neofiguration, zwischen Figur und Farbe sucht. Er will das Figürliche hineintragen in die Moderne, sagt der Hamburger Kunsthistoriker Claus Mewes, der in die Ausstellung einführte.

Menschliche Köpfe und Glieder

Naujoks geht stets von der Figur aus, die für den Betrachter nicht immer sofort erkennbar sein muss. Das 1959 geschaffene kleinformatige Gemälde "Unterm Kreuz" entstand unter dem Einfluss des Eichmannprozesses und der Lektüre von Eugen Kogons "SS-Staat". Menschliche Köpfe und Glieder sind über die Bildfläche zerteilt, schmerzverzerrt sind die Gesichter, eine überdimensionierte Hand reckt sich flehend nach oben. Holzkreuze sind zu Bruch gegangen. In der gedämpften Farbigkeit und ihren Konturen zeigen die Arbeiten dieser Phase den Einfluss Max Beckmanns.

Wohl auch beeinflusst vom Besuch der documenta III, 1964, werden die Arbeiten kontrastreicher und farbiger. Bei Naujoks wird das Figürliche immer stärker abstrahiert, schwerer kenntlich. Das fertige Bild muss nicht eindeutig sein, wird der Maler im Katalog zitiert.

Ausstellung Heino Naujoks. Mit dem Bild zum Titel "Das Innere des Kreidefelsens.
Foto: Karl-Heinz Körblein | Ausstellung Heino Naujoks. Mit dem Bild zum Titel "Das Innere des Kreidefelsens.

Mit dem Bezug eines großen Ateliers am Starnberger See wachsen auch die Formate. Naujoks legt die Leinwand nun auf den Boden, arbeiten von vier Seiten auf die Mitte, das verdichtete Zentrum zu. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist "Flut II" aus dem Jahr 1992. Das Bild mit einem weißen Zentrum wirkt wie der Blick an eine barocke Decke oder in einen wolkigen Himmel, durch den Sonnenstrahlen brechen. Es könnte aber auch der Blick in die Tiefe, in einen verschlingenden Strudel, eine mitreißende Flut sein.

2017 schließlich sind acht kleinformatige Zeichnungen unter dem Titel "Geweb‘ und Fels" entstanden, ein wirres kleinteiliges Geflecht von Linien mit kalligrafischen Einflüssen und einer heiteren Farbigkeit.

Die von Hausherrin Andrea Brandl kuratierte, bis zum 9. Januar zu sehende Ausstellung, trägt den Titel "Das Innere des Kreidefelsens", nach einem Großformat, das auf Caspar David Friedrich verweist. Die rund 30 Gemälde und Zeichnungen sind sehr großzügig gehängt, vor allem die Großformate können so ihre Wirkung wunderbar entfalten. Es gibt einen eigenen Katalog.

Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 17 Uhr, Donnerstag 10 bis 21 Uhr. Montags geschlossen.

 
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