Ein Hauch von MTV schwebte am Samstagabend über der schwimmenden Mainbühne an der Gutermannpromenade. Die Blues Agency hatte die Ghostrockets eingeladen, ihre Songs fast ohne Strom zu spielen. So wie es berühmte Bands wie Nirvana, Alice in Chains oder Korn für den weitgehend verschwundenen Musiksender MTV in legendären „Unplugged“-Konzerten zelebriert hatten. Und die Ghostrockets zeigten, dass sie sich mit der abgespeckten Version ihres Programms keineswegs hinter prominenten Vorbildern wie den Foo Fighters verstecken müssen. Das erste Konzert dieser Art hatten die fünf Schweinfurter Jungs übrigens vor fast zwei Jahren beim Straßenmusikerfestival Pflasterklang gespielt – mittags in der Judengasse bei Viva Barista und abends dann bei der Straßenmusikermeile an der Gutermannpromenade.
Den Anfang machte auf den schwankenden Brettern der Schweinfurter Songwriter Patrick May, der sich Plainly nennt. Für seine gefühlvollen, deutschsprachigen Geschichten aus dem Leben hat sich der Akustik-Barde Verstärkung geholt. Neben einem zweiten Gitarristen waren die italienische Cellistin Linda Varagnolo (Life Of An Owl) und Bernhard Wegner-Schmidt (Phonogam, Tagtraum) am Akkordeon dabei. Noch bei Tageslicht zelebrierte May Eigenkompositionen wie „Beste Freunde“, „Hauptsache ich“, „Irgendwann“ oder „Allein anstatt zu zweit“ mit der erweiterten, ungewöhnlichen Instrumentierung. Und er musste erstaunlich selten gegen die potenzielle Dreifach-Lärmbelastung durch Autos am Rusterberg, Bahnstrecke und Schiffsverkehr ankämpfen. Nur der eine oder andere Sportbootfahrer ließ es sich nicht nehmen, mit seinen Wellen die schwimmende Bühne gehörig ins Schaukeln zu bringen. Nach einer kurzen Umbaupause ging's weiter mit den Ghostrockets. Die hatten die Bühne mit kleinen Nachttischlampen und Kerzenständern in eine heimelige Wohnzimmeratmosphäre getaucht. Im Rücken der Bühne illuminierte das Konferenzzentrum die Szenerie und sorgte für bunte Lichteffekte auf dem Wasser. Der Main plätscherte ans Ufer, es ging ein laues Lüftchen und es roch ein bisschen nach Fisch. Mit dem Klassiker „Ghost“ vom Debütalbum startete die Unplugged-Show. Für ein Konzert der sonst so dynamischen Ghostrockets war sehr wenig Bewegung auf der Bühne. Sänger Eric Greulich, der sonst kaum zu bremsen ist, lehnte mit weißem Hemd und schwarzer Sonnenbrille lässig auf einem Barhocker. Keine Sprünge, keine waghalsigen Stunts, keine Spielchen mit dem Mikrofonständer. Und auch die anderen Musiker klebten auf Barhockern oder verkleideten Bierkästen und konzentrierten sich auf die Songs. Wohl auch, weil jede zusätzliche Bewegung die ganz Bühne in Wallung gebracht hätte. Dynamik war aber an diesem Abend nicht gefragt, die Songs sprachen für sich. Heruntergebremst deshalb auch das Publikum. Dort, wo sonst wild getanzt wird und Haare unkontrolliert durch die Luft fliegen, wurde am Samstag anerkennend auf dem Sitzplatz mitgewippt und geklatscht. Beeindruckend waren vor allem neue Stücke wie „Phantasmagoria“, „Echoworld“ oder „Neon“, die zeigen, wie ausgereift das Songwriting von Schweinfurts Vorzeigerockband Nummer Eins inzwischen ist. Außerdem kam die Stimme von Sänger Eric Greulich in dem Akustik-Set besonders gut zur Geltung. Überhaupt entfalteten die Kompositionen durch das zarte Gewand erst ihre volle Schönheit, die sonst teilweise von Feedbacks, verzerrten Gitarren oder wummernden Bässen überlagert wird. Gut gewählt waren auch die beiden Gäste: Sänger Jasmin Osmanovic als zweite Stimme und Schlagzeuger Tobias Götz (Tagtraum, Phonogam), der die Band mit diversen teils exotischen Percussion-Instrumenten begleitete. Seine Einlage an einer sogenannten Caisa Drum fand besonders viel Anklang. Die Caisa ist eine runde Steel Drum mit etwa 60 Zentimetern Durchmesser, die mit den Fingern gespielt wird und erstaunliche Klangvielfalt offenbart. Immer wieder brandete auf der voll besetzten Tribüne neben der Disharmonie spontaner Beifall auf. Es herrschte ohnehin eine sehr familiäre Atomsphäre. Es wurden Eltern gegrüßt, Freunde abgeklatscht und davor und danach gemeinsam Bier getrunken. Vergeblich versuchten die ersten Reihen im Publikum Sänger Eric zum Ende des Konzerts zu einem „Becker-Hecht“ zu animieren, in Anspielung auf die skurrile Einlage von Schauspieler Ben Becker, der an gleicher Stelle vor wenigen Wochen nackt in den Main gesprungen war. Die Ghostrockets tankten an dem Abend auf für die nächsten anstrengenden Aufgaben. Marc Hanson, Simon Friedrich, Sebastian Väth, Steffen Schmidt und Eric Greulich sind gerade erst zurück von einer kurzen Gastspielreise mit der legendären kalifornischen Punkband Bad Religion und stehen am 13. August schon wieder gemeinsam mit den Senkrechtstartern von The Gaslight Anthem auf der Bühne der Posthalle. In wenigen Tagen erscheint die neue EP „Echoworld“ als Vorbote für das zweite Ghostrockets-Album, das im Herbst in Eigenregie veröffentlicht wird. Das wohl erste komplett bestuhlte Konzert der Band war da sicher eine willkommene Abwechslung.