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Schweinfurt
Hat ein junger Schweinfurter die Autos von sieben Nachbarn abgefackelt?
Der Pflegeassistent soll die Fahrzeuge mit einem Flambierbrenner angezündet haben. Falls ja – warum? Er schweigt vor Gericht.
Das Amtsgericht in der Rüfferstraße 1 in Schweinfurt. 
Foto: Patty Varasano | Das Amtsgericht in der Rüfferstraße 1 in Schweinfurt. 
Stefan Sauer
Stefan Sauer
 |  aktualisiert: 30.04.2024 02:49 Uhr

An Heiligabend 2022, als bei vielen Familien Bescherung ist und Weihnachtslieder erklingen, klingelt in einem großen Mietshaus in Schweinfurt die Polizei an einer Wohnungstür. Sie sucht den 32-Jährigen, der im Verdacht steht, bereits in der Nacht davor und soeben, an diesem 24. Dezember, je ein Auto in der Nachbarschaft in Brand gesetzt zu haben – mit einem Schaden von zusammen 18.500 Euro.

Nachdem die Mutter des jungen Mannes geöffnet hat, versucht der junge Mann die Wohnungstür wieder zuzuwerfen, doch ein Beamter stellt den Fuß dazwischen. Der 32-Jährige will nach dem Dienstausweis greifen. Er tritt dem Polizisten in den Bauch und seinem zur Unterstützung gerufenen Kollegen in den Leistenbereich.

Am Ende sind sechs Beamte dabei, den renitenten Verdächtigen zu Boden zu bringen, an Händen und Füßen zu fesseln und wie ein Paket nach unten ins Dienstauto zu tragen. So steht es in der Anklageschrift, so bezeugen es die eingesetzten Polizeizeugen vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts Schweinfurt beim Prozessauftakt wegen Brandstiftung, Körperverletzung, Widerstands und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte.

Angeklagter belehrt Polizisten über richtiges Löschen

Verdächtig gemacht hatte sich der Pflegeassistent schon am 23. Dezember, als das Fahrzeug einer Nachbarin vor dem Wohnhaus des Angeklagten "in Vollbrand" stand. Der 32-Jährige sei sogleich mit eigenem Feuerlöscher zur Stelle gewesen und "versuchte uns zu belehren, dass wir von unten löschen sollten", sagte ein Polizist im Zeugenstand. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung fanden sich unter anderem sechs Sturmfeuerzeuge, ein Feuerlöscher und eine Gasflasche.

Im Sommer 2023 hatten Polizei und Feuerwehr mit einer noch größeren Brandserie zu tun – wieder exakt im Wohnumfeld des 32-Jährigen. Da brannten in einer einzigen Nacht, vom 19. auf den 20. Juli, zwei Wohnmobile und zwei Pkw, ein fünftes Auto wurde beschädigt, weil es neben dem abgefackelten Wohnmobil stand. Gesamtschaden: 125.000 Euro.

Eine Zivilstreife sah ihn laut Anklage, als er gegen 0.30 Uhr aus der Richtung der Brandherde auf sein Wohnanwesen zulief und nahm ihn "mittels einfacher körperlicher Gewalt" fest, da er trotz mehrfacher Aufforderung nicht stehen blieb. Er habe auch dabei Beamte bedroht und Widerstand geleistet und bei seiner Verhaftung ein Sturmfeuerzeug bei sich geführt. In beiden Fällen sei der Mann mit 1,6 bis zwei Promille nicht unerheblich alkoholisiert gewesen.

Nachts unterwegs mit einem "Flambierbrenner"

Der Angeklagte schweigt zu alledem, auch nach dem Hinweis des Vorsitzenden, dass nach Aktenlage eine ganze Menge für seine Täterschaft spreche und ein umfassendes Geständnis "über zwei Jahre mehr oder weniger entscheiden" könne. Bei seiner Festnahme habe er zwei Feuerzeuge dabei gehabt, darunter einen Flambierbrenner, mit dem man problemlos auch ohne Brandbeschleuniger ein Auto anzünden könne. Das bestätigt in seinem Gutachten der Brandsachverständige vom Landeskriminalamt. 15 Sekunden bis eine Minute brauche es nur, um damit etwa Kunststoffteile zu entzünden. Aber auch Selbstentzündungen seien nicht auszuschließen.

Der Angeklagte war seit 2020 Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Er leidet an Asperger-Autismus. Was das für die Frage seiner Schuldfähigkeit bedeutet, dazu stellte ein forensischer Psychiater sein Gutachten vor. Die Antwort: Die Brandstiftungen seien eher Akte von Aggressionsabbau, seine Erkrankung dafür kaum von Bedeutung: "Er ist trotz seiner Autismusstörung in der Lage, Kontrolle auszuüben." Dagegen sei bei den Widerstandshandlungen gegen die Polizisten eine eingeschränkte Schuldfähigkeit aufgrund des Asperger-Syndroms nicht auszuschließen.

Der Prozess wird am 15. Mai, 9 Uhr, fortgesetzt.

 
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