Im Graben Nummer 26 hat Harry Gelbfarb im Januar 1956 das erste Bodybuilding-Studio Deutschlands eröffnet. Was mit 20 jungen Menschen aus Schweinfurt und Umgebung begann, treibt heute zehn Millionen Menschen in die Fitnessstudios. Am Sonntag trafen sich 25 Gelbfarb-Schüler im Graben, heute die Kneipe Pinte. Darunter auch Wolfgang Hartmann (80), der als einziger der Pinte-Gäste bei der Eröffnung vor 62 Jahren dabei war.
Initiiert hat das Treffen Peter Steinmüller. Der Schweinfurter Journalist interviewte Zeitzeugen und schrieb die Wahnsinns-Story über einen Mann auf, über den seine Schüler am Sonntag nur Gutes berichteten. Für Heinz Hußlein (78) war Gelbfarb eine „Bereicherung“, die frühere Kraft-Dreikämpferin Christine Ludwig nannte ihn „freundlich und geradlinig“, Helmut Fischer betonte seine „Kameradschaftlichkeit“.
Franzi Löw kämpfte mit Mut ums Überleben jüdischer Kinder
Gelbfarb wird 1930 in Wien geboren. Die Mutter ist Jüdin, gibt den Jungen in ein Waisenhaus. Später kommt er zu jüdischen Pflegeeltern, die den Holocaust zwar überleben, aber ins KZ verschleppt werden, weshalb der Zwölfjährige in ein jüdisches Kinderheim in Wien wechseln muss. Dort kümmert sich die Widerstandskämpferin Franzi Löw mit „Mut um das Überleben der Kinder“, insbesondere um das von Harry Gelbfarb, schildert Steinmüller.
Nach ihrer Darstellung wurde Gelbfarb dank eines gefälschten Taufscheins gerettet. Steinmüller hat nun aber vom Diözesanarchiv Wien auch zu seiner Überraschung erfahren, dass Gelbfarb bereits zwei Jahre nach seiner Geburt getauft worden ist, also Katholik und „nach der perversen Nazi-Logik als Halbjude“ eigentlich vor der Deportation geschützt war. An der untadeligen Haltung von Franzi Löw gebe es deshalb aber keine Zweifel, wenngleich es wohl ein ewiges Geheimnis bleiben werde, wie es zur nun nachweislich falschen Darstellung mit dem Taufschein kam, lautete Steinmüllers Fazit.
Seine Frau Elly lernte Gelbfarb im Sachs-Bad kennen
Harry wandert in die USA aus, wo er mit Boxen und Bodybuilding beginnt. Während seines Militärdienstes ist er ein Jahr in Schweinfurt stationiert, lernt beim Turmspringen im Ernst–Sachs-Bad die Sportlehrerin Elly Böttcher kennen, die er später heiratet. Mit ihr eröffnet Gelbfarb 1956 das Studio im Graben 26. Schon im März 1957 wechselt man in ein größeres Studio in der Friedhofstraße 16 um, 1973 folgt der Umzug ins Zentrum. Fitnessstudios kommen in Mode, auch dank Arnold Schwarzenegger, der 1965 als US-Soldat über einen Kasernenzaun geklettert war, um an einem Bodybuilding-Wettbewerb teilnehmen zu können. Schwarzenegger sollte dem Bodybuilding in den USA den Weg bereiten.
Trotz guter Nachfrage verkauft Gelbfarb 1983 in Schweinfurt alles, versucht sein Glück in den USA, scheitert, kommt 1991 zurück. Er wohnt in Zell bei Schweinfurt, erkrankt an Krebs, stirbt am 27. Mai 2005, drei Jahre vor Elly.
Alte Bilder helfen beim Erinnern an die Bodybuilding-Zeiten
In der Pinte werden viele Bilder gezeigt, auch die der Schweinfurter Schüler. Immer wieder werden Namen gerufen, man erinnert sich. Fritz Clemens ist gekommen, der 1976 eine Zeitlang für Gelbfarb arbeitete. Helmut Fischer besuchte Gelbfarb 1986 in den USA, traf dort auch Schwarzenegger, der ihn fragte: „Woher hast Du diese sauguten Waden?“.
Heinz Hußlein erlag der Überzeugungskraft Gelbfarbs und fuhr 1958 als Kampfrichter zur ersten Bodybuilding-Europameisterschaft nach Turin mit. Marga Müller machte die ersten Frauen-Wettkämpfe in den 1970ern mit, ebenso Birgit Wohlford-Schwank. Jaro Neubauer ist gekommen, der in der Friedhofstraße trainierte, später Bayerischer und Deutscher Vizemeister wurde.
Rigobert Müller (77) fing 1961 bei Harry an, wurde Dritter beim Mister Germany-Wettbewerb, wirkte mit Schwarzenegger 1969 am Wettbewerb „best gebauter Athlet“ mit. Heinz Rösch ist da, der einen der von Gelbfarb erfundenen Expander besitzt, der kürzlich im Jüdischen Museum in München ausgestellt war. Es wird weitere Gelbfarb-Erinnerungstreffen geben. Zu viel haben sich seine Schüler noch zu erzählen.