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Schweinfurt
Hamburger Kammerspiele in Schweinfurt: Eine Zeitreise beim Entrümpeln
'Die Dinge meiner Eltern' wurde im Theater im Evangelischen Gemeindehaus gespielt.
Foto: Arno Declair | "Die Dinge meiner Eltern" wurde im Theater im Evangelischen Gemeindehaus gespielt.
Karl-Heinz Körblein
Karl-Heinz Körblein
 |  aktualisiert: 20.01.2025 02:34 Uhr

Die etwas Älteren werden sich wahrscheinlich noch erinnern. Ihren Kindern steht die Erfahrung noch bevor. Vielleicht. Die Eltern sind gestorben. Das Haus ihrer Kindheit ist vollgestopft, vom Keller bis unters Dach. Gilla Cremer hat darüber ein Stück ("Die Dinge meiner Eltern") geschrieben, das sie für die Hamburger Kammerspiele auch selbst spielt. Seit über zehn Jahren ist sie damit auf der Bühne, ohne dass das an Intensität auch nur ein bisschen verloren hätte.

Davon konnte sich ein begeistertes Publikum im Theater im Evangelischen Gemeindehaus an zwei Abenden (Regie: Dominik Günther) überzeugen.

Hunderte Einweckgläser und 17.000 Bücher

Die Mutter stirbt überraschend und viel zu früh. Drei der vier Kinder haben sich auf dem Karriere-Trip über die Welt verteilt, nur die Schauspielerin Agnes hat die Last der Hinterlassenschaft zu tragen. Sie kann verkaufen, verschenken, den Container vor der Haustür von einem Entsorger füllen lassen oder viele der Dinge, die ihre Erinnerungen wieder wecken, einfach behalten. Das sind schwere Entscheidungen.

Über Jahrzehnte hat sich allerhand angesammelt. Mehrere Hundert über viele, viele Jahre angesammelte Einweckgläser, über 17.000 Bücher, die jedes Antiquariat sprengen würden, ein Klavier, eine schnöde Nähmaschine für Agnes, der Muff des geblümten Morgenmantels der Mutter, die geölten Gewehre des Vaters. Mit der ellenlangen Aufzählung beginnt der Abend witzig, provoziert viele Lacher, wird dann ein wenig sentimental, wenn die Erinnerung zurückschlägt.

Agnes ist in einer strengen Familie aufgewachsen. Ellbogen vom Tisch! Finger weg, Kinder! Erst kauen, dann schlucken! Ihr müsst alles so zurücklassen, als ob man nicht wiederkommt, hat die Mutter vor jeder Reise gesagt. Dass die Betten der Eltern auseinanderstanden, und Agnes sich in die Ritze dazwischen schleichen musste, sagt viel. In der Nähmaschine entdeckt Agnes die Briefe eines heimlichen Geliebten der Mutter. Der Vater, ein ausgesprochener Schürzenjäger, hat die Nazi-Devotionalen seines Vaters versteckt, wenngleich er dessen Vergangenheit in der SS verdrängt hat.

Eine Wand aus Umzugskartons

Gilla Cremer spielt die Solo-Performance, die Zeitreise in ihre Kindheit in den 60er-Jahren, souverän, meistert den umfangreichen Text sicher, manchmal auch augenzwinkernd. Die Bühne wird von einer Wand aus Umzugskartons beherrscht. Agnes klaubt sich einzelne hervor, um zuletzt das Ganze zum Einsturz zu bringen.

Gilla Cremer kommt in dieser Saison noch zweimal nach Schweinfurt: Am 26. März mit "Was man von hier sehen kann" von Mariana Leky und am 24. Mai mit "Meeresrand" von Véronique Olmi. Zuletzt war sie an dieser Stelle mit "Freundschaft" zu Gast. Diesmal hat sie sich in Schweinfurt so verabschiedet: "Wissen Sie, was für ein tolles Theater Sie haben?"



 
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