"Mantrailing": Das Wort klingt nach Lockruf der Wildnis, Freiheit und Abenteuer. Doch es geht um etwas ganz anderes. Zum ersten Mal haben sich die bundesdeutschen Johanniter in Schweinfurt getroffen, um ihre Rettungshunde nebst Frauchen oder Herrchen in der Kategorie "Personenverfolgung" zu prüfen. Es geht darum, einer sich fortbewegenden Spur zu folgen, über größere Distanzen hinweg, was als kniffliger gilt als das Absuchen von Flächen oder Trümmern. Statt durch Wald und Tundra geht es durch den Stadtdschungel, der für den Geruchssinn der "Schnüffler" jede Menge Ablenkung bietet.
Treffpunkt ist am Unteren Marienbach, in der Zentrale der "Johanniter-Unfall-Hilfe" (JUH) am Main. Außer einer praktischen Prüfung müssen die sechs Hundeführer an zwei Tagen auch noch einen Theorie-Teil meistern. In der Mehrzahl sind es Hundeführerinnen, sie kommen aus dem hessischen Vogelsberg, Nordrheinwestfalen, Nordbrandenburg, Schwabmünchen bei Augsburg, Essen, Ostbayern oder dem oberbayerischen Peißenberg.
"Der Hundeführer ist einer der bestausgebildetsten Mitglieder der Johanniter", sagt Zugführer Andreas Ebeling, Leiter der Rettungshundestaffel im Ortsverband Schweinfurt/Bad Kissingen. 15 Module müssen absolviert werden: dazu zählen Orientierung mit Karte und Kompass, der Umgang mit Funk, Sanitätsdienst, Erste Hilfe für den Hund, aber auch Krisenintervention bei Staffelkollegen, falls diese mit psychisch belastenden Situationen nicht zurechtkommen, etwa bei einem Verkehrsunfall mit Kindern. Vom vierbeinigen Team-Mitglied werden Gehorsam und volle Konzentration abverlangt. Alle zwei Jahre muss die Zertifizierung wiederholt werden, auswärts, auf "neutralem" Grund. Als Prüfer in Schweinfurt fungieren Jörg Oestreich von den Johannitern in Schleswig-Holstein und Dieter Schemenauer von der DRK Mannheim.
22 Suchfälle gab es in Schweinfurt im vergangenen Jahr
In Schweinfurt befasse man sich erst seit zwei Jahren mit Maintrailing, sagt Ebeling: "Wir bilden gerne Hündinnen aus, die sind einfacher." 32 Suchfälle hatte man im letzten Jahr. Mal wird der ver(w)irrte Senior gesucht, mal die vermisste, zuletzt per Anhalter entwischte Teenagerin. Bei der Prüfung erhält der Hund eine Geruchsprobe in Form eines Tuchs. 20 Minuten hat er Zeit für die Orientierung, in einer Stunde muss er die Person dann gefunden haben, in 2,5 Kilometern Entfernung. An diesem Tag ist in Schweinfurt für reichlich Ablenkung gesorgt: außer Straßenverkehr und Fußgänger gibt es noch das Mittelalter-Fest an der Stadtmauer, mit Turnier. Was daran erinnert, dass die "Johanniter" ein Ritterorden sind, der zuletzt von Streitrössern auf Spürhunde umgesattelt hat: Das umgeschnallte Kenngeschirr ist tatsächlich eine Art Wappenrock, mit dem weißen Malteserkreuz auf rotem Grund.
Sir Shadow begibt sich in den Brandenburger Wäldern immer wieder auf abenteuerliche Questen, um Menschen in Not zu helfen: "Sobald ich ihm das Geschirr anlege, weiß er, es geht los", sagt David Ratzel aus Eberswalde, der mit seinen beiden Weimaranern eine Probandin begleitet: "Als Jagdhunde brauchen sie eine Aufgabe." Brandenburg ist Sitz und Urheimat des evangelischen Johanniter-Ordens, der sich dort während der Reformation von den "Maltesern" getrennt hat: Die katholischen Johanniter wurden erst von Napoleon aus ihrer letzten Hochburg Malta vertrieben. Ein wenig Geschichte des ursprünglich in Nahost, in Jerusalem und Akkon ansässigen Ordens zählt ebenfalls zum Prüfungsstoff: "Akkon" ist in Schweinfurt bis heute der Funkrufname der JUH-Fahrzeuge. Mittlerweile geht es um rein caritative Aufgaben. Zuhause haben Sir Shadow, seine Gefährtin, Lady Saphira, und die übrige Staffel einige Aufgaben zu meistern, berichtet Ratzel. Das reiche vom verirrten Pilzesammler bis zum suizidgefährdeten Kind. Berlin gehört mit zum Einsatzgebiet.
An diesem Tag gilt es Oma Helga zu finden, zwecks Demo. Helga Nitsch (85) ist als Freiwillige schon zum dritten Mal dabei. Zur Belohnung erhält Sir Shadow, der Retter im Zeichen des Malteserkreuzes, das heißgeliebte Katzenfutter. Man gönnt sich ja sonst nichts. Verstärkung ist auch in Schweinfurt willkommen, maximal zwei Jahre sollte ein Hundeneuling alt sein. Trainiert wird samstags oder sonntags. Ausdauer bräuchten die ehrenamtlichen Helfer schon, sagt Andreas Ebeling. Bei Wind und Wetter geht es ins Gelände: "Wer im Herbst kommt und im Frühjahr noch da ist, der ist bestens geeignet." Das Dienstfahrzeug hat es schon auf 300 000 Kilometer gebracht. Für Ersatz werden in jedem Fall Spenden benötigt (www.johanniter.de/schweinfurt).