„Bescheiden is(s)t, wer sich den Käse mit den größten Löchern nimmt“: Dieses Zitat wird dem wohlerzogenen Freiherren Adolph Knigge nachgesagt. Der adelige Aufklärer hat, entgegen landläufiger Meinung, dennoch nie das richtige Drapieren von Besteck auf einem Esstisch oder feine Manieren gelehrt: Seine Name ist (dank eines bekannten Society-Ratgebers von 1788) dennoch untrennbar mit gutem Benehmen verbunden. Der im gleichen Jahr geborene Friedrich Rückert, nach dem die Grund- und Mittelschule in Stadtlauringen benannt ist, soll bei Tische nicht allzu formvollendet gewesen sein: Der Dichter hat es trotzdem zu was gebracht.
Auch das Essen will gelernt sein
Handlungsbedarf sehen die Wirtsleute Sabine und Ernst Böhm in jedem Fall, beim Projekttag „Gutes Benehmen“ an der Mittelschule. „Wir erleben da schon in unserem Wirtshaus so einiges“, sagt der Gastronom, der das prämierte „Madenhäusle“ in Madenhausen betreibt, als Quereinsteiger:„Das geht quer durch alle Altersschichten“. In Zeiten, in denen selbst der Präsident im Weißen Haus seine Cola lässig per Knopfdruck bestellt (und auch sonst nicht gerade durch Rokoko-Etikette auffällt), wollen die Böhms gegensteuern. Sabine Böhm kocht unten mit der „Sozialen Gruppe“ ein fränkisches Festtagsmenü: Kartoffelsuppe, Fleischküchli und Kartoffelsalat, als Dessert Rhöner Creme auf Kirsche. Ernst Böhm versucht oben die „Basics“ eines gedeihlichen Miteinanders in einer Gaststube zu vermitteln. Beide haben den „Hintergedanken“, auf diesem Weg künftige Restaurantfachleute zu finden, schließlich ist Sabine Böhm in der Kreisstelle des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands aktiv.
Höflichkeit und Pünktlichkeit kommen gut an
„Bitte“, „Danke“, Tür aufhalten und auch sonst dem Anderen helfen, dazu der richtige Umgang mit Messer und Gabel: Darum geht es. Höflichkeit fängt schon mit pünktlichem Erscheinen zur verabredeten Uhrzeit an: „'Wartst scho lang?? ist ein No Go“, sagt der Mundart-Wirt.
Gepflegtes Äußeres bringt ebenfalls soziale Pluspunkte. Bei der Suppe sollte der Kopf nicht gleich in der Schlüssel hängen, aufrechte Sitzhaltung ist gefragt. „Jede Serviette hat zwei Seiten“, weiß Ernst Böhm, somit lassen sich diskret Gräten oder Kerne darin verbergen. Auf dem Teller hat der benutzte Stoff nichts zu suchen, er wird rechts am Tellerrand platziert: „Es gibt nichts Schlimmeres als vollgesiffte Servietten.“
Dann die Bestecksprache: „Man muss sich den Teller wie eine Uhr vorstellen.“ Eine V-Form von Messer und Gabel teilt der Bedienung den Wunsch mit, nach einer Pause weiter zu essen, liegen Messer und Gabel nebeneinander „auf halb 5“ kann abgeräumt werden. Bei Missfallen mit dem Menü sei es besser, direkt mit der Küche zu kommunizieren.
Servier-Akrobatik ist verpönt
Ein heikles Thema: Wer zahlt die Zeche? Der Mann, die Frau, die Freundin? „Wenn ein gleichgeschlechtliches Paar zum Essen geht, wer bezahlt dann?“, will eine Schülerin wissen. Jawohl, die Zeiten haben sich geändert: Heute bezahlt in der Regel der (die), der (die) vorher eingeladen hat. Nur sollte das in dem Moment klar sein, wenn die Rechnung kommt, im Sinne des Kellners. Machismo am Portemonnaie ist jedenfalls passe. „Früher gab es Damenkarten, damit die Mädels nicht nach dem Preis bestellt haben.“ Apropos Kellner: Servier-Akrobatik ist bei Tisch ebenfalls verpönt. Merkregel: „Der gute Kellner kommt von rechts. Den schlechten sieht man eh nie.“
Ansonsten rührt Ernst Böhm bei Raffael, Felix, Michelle, Alisia & Co noch ein wenig die Werbetrommel: 700 Euro verdiene ein angehender Restaurantfachmann im ersten Lehrjahr, dazu komme Aussicht auf Trinkgeld und manch gutes Essen. Gefragt seien Gastronomen sowieso, egal in welchem Alter. Der eine oder die andere scheint durchaus interessiert.
Einstweilen müssen die Jungen ran, und bei den Lehrern, Mitschülern sowie Bürgermeister Friedel Heckenlauer auftischen, im Foyer. Vor ein paar Jahren waren die Böhms schon mal da, dank gutem Kontakt zu Lehrerin Silke Schmich. „Eigentlich wollten wir den Projekttag für die Grundschüler anbieten“, sagt Schulleiterin Susanne Kolb, „nun sind es erst einmal die Mittelschüler.“ Die Jungs und Mädels haben sich mächtig ins Zeug gelegt, auch die Küche. Rathausschef Heckenlauer schmeckt die Zutaten einzeln heraus, dank Erfahrung in der Politik ebenso wie in der Wirtschaft.
Am Ende gibt es wohlverdienten Applaus: Schon mit gutem Willen lässt sich in der Welt der Etikette einiges erreichen.