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SCHWEINFURT
Gute Saiten, schlechte Saiten
Redaktion
 |  aktualisiert: 24.03.2014 13:43 Uhr

Psst: Zu einem Geheimkonzert lud Timon Hoffmann, nach eigenen Worten, in die Disharmonie ein. Nur eine Handvoll Eingeweihter bekam „Lieder für Zwerchfell, Ohren und Hirn“ zu hören, oder auch „Klampfkultur in Reimform“.

Der frühere Berliner lebt heute als Familienvater in Hamburgs ruhiger Vorstadt Reinbek, zusammen mit 26 000 Einwohnern, mehreren Seniorenresidenzen und einem Friedhof, wie er sagt. Und übt den altmodischen Beruf des Liedermachers aus, heute besser bekannt als „Singer/Songwriter“, in den Fußstapfen eines Ulrich Roski, Werner Lämmerhirt oder Hannes Wader. Anders als Sozialrevolutionär und Wegbegleiter Wader ist Hoffmann eher ein Stino. Ein Stinknormaler, der nicht mehr für linke Freiheiten und Weltfrieden, sondern um freie Liegestühle kämpft, beim Badeurlaub in Äygpten. Der amüsiert zuschaut, wie das junge Glück mit Kind und Kegel bei Ikea einkauft und mitunter heftige Wahlplakatallergien erleidet. Devise: „Gute Lieder erklären sich von selbst.“

Der illustre Vorname verweist auf einen Philosophen der Antike, einen satirischen Spötter, entsprechend schnörkellos und geradlinig fließt ihm seine „textierte Instrumentalmusik“ von der Gitarre - wie „Chansons“ heute bei der GEMA heißen (dafür erhält einer dreimal so viel Kohle wie für gewöhnliches Liedgut). Eigentlich war er mal Schauspieler, gab einst den Pascal Morgenstern bei „Gute Zeiten, schlechten Zeiten“, später war er Kommunikationswissenschaftler, befasste sich mit Werbung und Marketing.

Heute sieht der musicalerprobte Sänger im Leben nicht mehr nur das Design: „Wenn man vom Glück verfolgt wird, sollte man sich ab und zu mal umdrehen.“ Nur sei er ein derartiger Unglücksrabe, klagt er in einem Lied, dass er sogar dem Glück noch Pech bringe, ihm jedenfalls regelmäßig davonlaufe. Wie zur Bestätigung reißt in dem Moment der Gitarrengurt. In den Werken geht es um Unlust in der Kirche (Dürfen Katholiken beim Liebesspiel lustvoll quieken? Wenigstens die Evangolen krakeelen? Oder auch nur Kinder kriegen?). Um sinnlose Werbe-Anglizismen (wie übersetzt man zum Beispiel „powered by Emotion“? „Kraft durch Freude“?). Um trunkene Stammtisch-Politiker, verdammt coole Südstaaten-Countrymusiker mit Mundharmonika, oder die eigene, kriminelle, wirtschaftsschädigende Konsumverweigerung, in Zeiten, in denen Fernseher flach sein müssen wie ihr Programm.

Ganz große Emotionen erlebt so ein Wahl-Reinbeker nur noch, wenn er den Nachbarn verfüttert, an dessen pausenlos dröhnenden Rasenmäher, und ihn als Dünger aufs fein säuberlich getrimmte Gras verteilt. Da klampft, reimt, fingerpickt und stichelt ein zurückhaltender Zwischenrufer, ein unaufgeregter Freund des Alltags, kein motzender Protestsong-Revoluzzer. Ansonsten ist das funkelnde Nordlicht voll des Lobes für die kleine, feine Kulturwerkstatt: „Seid dankbar, dass es so was gibt.“ Zuhause bauen sie noch immer an der Elbphilharmonie, spöttelt der Barde. Weniger ist auch am Main manchmal mehr. Uwe Eichler

 
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