Unsere Welt ist schnelllebig. Lange Arbeitstage, Termindruck und wenig Schlaf gehören mittlerweile für viele Menschen zum Alltag. Inga Rumpf und Helmut Krumminga wollen dagegen unmissverständlich ein Zeichen setzen. Fast nach dem Motto: Gut' Ding will Weile haben. Die zwei Vollblutmusiker wollen nichts überstürzen. Das wird klar, als sie mit satten 25 Minuten Verspätung die Bühne in der rappelvollen Disharmonie besteigen.
Fast schon entschuldigend geht es dann aber richtig los. Die Hamburger Seemannstochter löst den Anker im beschaulichen Konzertsaal an der Schweinfurter Gutermann-Promenade und nimmt mit ihrem Steuermann Helmut Krumminga die 120 Zuhörer mit auf eine Reise, quer durch die weite Welt der Musik. Genregrenzen sind für die zwei Virtuosen unnötig, sie haben sich im Vorfeld ein buntes Potpourri mit allerhand Leckerbissen herausgesucht. Los geht's dann doch ein bisschen unerwartet: „Hallo Schweinfurt! Ahoi! Wir wagen heute ein Experiment, Sie dürfen dabei sein, wenn was schiefgeht! That's life“, sagt Inga Rumpf, nachdem sie am Klavier Platz genommen hat.
Wer nun schon die Rettungsweste unter dem Sitz vermisste, war spätestens wieder beruhigt, als die zwei ihr erstes Lied anstimmen. „No Doctor“, ein fetziger Bluessong, lässt die Erinnerungen an die guten, alten Zeiten erwachen.
Man, das war noch was, als Rumpf die strahlende Frontfrau von den City Preachers, Frumpy und Atlantis war. Sie zauberte etlichen Zuhörern ein Lächeln ins Gesicht und verlieh mit ihrer kraftvollen Stimme den Songs stets „das gewisse Etwas“. Doch das ist ja auch schon lang vorbei. . .
Nein, mitnichten! Die Stimme der sympathischen Sängerin hat nichts von ihrer Strahlkraft eingebüßt. Selbst Stücke, die eigentlich nicht für Frauenstimmen gedacht sind, rockt die mittlerweile 68 Jahre alte Powerfrau nach allen Regeln der Kunst. Sie hat keine Angst davor, ihre „Lieblingssongs“ einfach mal neu zu interpretieren. Der Outcome, ganz besonders bei Marvin Gayes Klassiker „It Takes Two“, bestätigt ihre Linie. Dass diese, von vielen Jüngeren als „Oldies“ betitelten Lieder einen frischen Anstrich bekommen, ist aber auch ein Verdient vom ehemaligen BAP-Gitarristen Helmut Krumminga. Er streichelt voller Hingabe die Saiten seiner Gitarren, während Rumpf das schwarze Piano zum Klingen bringt. Doch nicht nur das: Behände wechselt das Duo die Instrumente, sodass sich auch die letzten Landratten immer sicherer fühlen, auch wenn der Trip manchmal durch die hohe See der Musik führt. Nur die Chefs an Board möchten die Rettungswesten manchmal noch in Form von weißen Textblättern in ihrer Nähe wissen. „Es passt ja schon sehr gut, aber ich glaub', dass ich nochmal einen Blick auf den Text werfen muss. Wir fangen ja grad' erst an“, meint Steuermann Krumminga fast schon entschuldigend. Das Duo hat aber alles unter Kontrolle, ehe es nach zweieinhalb Stunden wieder sicher an der Gutermann-Promenade anlegt. Wackler stören auf hoher See sowieso nicht, schnell herbeigeführte Perfektion ist in diesen Kreisen auch eher nebensächlich. Gut' Ding will eben Weile haben.