zurück
SCHWEINFURT
Grüne-Politikerinnen wollen keine falsche Bescheidenheit
Sie geben Frauen in der Politik ein Gesicht: Die Vertreterinnen der Grünen Frauen (von links) Bezirksrätin Bärbel Imhof, die unterfränkische Bundestagskandidatin Manuela Rottmann, Landtagsabgeordnete Kerstin Celina und Kreisrätin Birgid Röder.
Foto: Grüne | Sie geben Frauen in der Politik ein Gesicht: Die Vertreterinnen der Grünen Frauen (von links) Bezirksrätin Bärbel Imhof, die unterfränkische Bundestagskandidatin Manuela Rottmann, Landtagsabgeordnete Kerstin Celina ...
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 14.05.2017 03:32 Uhr

„Wir sind nicht angetreten, um die Gesetze zu brechen, wir sind angetreten, um sie zu machen.“ Unter diesem Motto kämpften vor fast genau einem Jahrhundert Frauen als die sogenannten Suffragetten darum, das Wahlrecht zu bekommen. Bis dahin galt: Frauen werden durch ihre Väter, Brüder und Männer politisch vertreten. Um Bilanz zu ziehen nach fast 100 Jahren Frauenwahlrecht, luden Kerstin Celina, sozialpolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, und die Schweinfurter Grünen Frauen zur Filmvorführung „Suffragetten – Taten statt Worte“ und zu einem lockeren Frühstücksgespräch ein. Thema war die Situation von Frauen in der Politik im Laufe dieser einhundert Jahre.

Ein langer Weg

1919, als Frauen das erste Mal in Deutschland wählen durften, beteiligten sich 82 Prozent der Frauen an der Wahl; 41 weibliche Abgeordnete, also fast zehn Prozent, saßen fortan in der Weimarer Nationalversammlung, erläuterte Birgid Röder, Kreisrätin der Schweinfurter Grünen einleitend.

Die Parlamentarierinnen der Weimarer Republik setzten Reformen durch, die das alltägliche Leben von Frauen verbesserten, zum Beispiel die Garantie der Sozialversicherung für Heimarbeiterinnen, die Milderung der Abtreibungsstrafe und ein Mutterschutzgesetz. Dennoch lag die Gleichberechtigung der Frau in weiter Ferne: Frauen waren in der Ehe nach wie vor vollständig von ihren Männern abhängig. Vier Frauen im parlamentarischen Rat schafften es, die Gleichberechtigung von Mann und Frau in Artikel 3 des Grundgesetzes endlich festzuschreiben, erzählte Röder und wies darauf hin, dass die traditionellen Rollenbilder in der Gesellschaft aber noch bis heute nachwirken.

Erst 1958 kippte das alleinige Entscheidungsrecht des Mannes in der Ehe. Doch die Zuständigkeit der Frauen für den Haushalt blieb nach wie vor gesetzlich verankert, genauso wie weitere Beschränkungen der Frauenrechte. Erst eine Reform des Ehe- und Familienrechts 1977 ersetzte die Hausfrauenehe durch ein Partnerschaftsprinzip. Und erst mit dieser Reform, im Jahr 1977, durften Frauen ohne die Einwilligung ihres Ehemannes zum Beispiel arbeiten, ein Konto eröffnen, und ihr eigenes Vermögen verwalten.

Sexismus gibt es immer noch

Und heute? Sexismus in der Politik gäbe es immer noch, zumindest immer wieder, sagt Manuela Rottmann, unterfränkische Bundestagskandidatin, und verwies auf eine Debatte im Frankfurter Stadtrat, in der es um einen Antrag ging, der die angemessene medizinische Behandlung von Frauen nach einer Vergewaltigung sicherstellen sollte. „Diese Debatte war schlimm. Von Feixen und Grinsen bis zur Behauptung, Frauen würden Vergewaltigungen nur erfinden, um sich Vorteile in Scheidungsverfahren zu verschaffen, kam alles vor. Aber plötzlich ging ein Ruck durch die Versammlung. Die Frauen standen auf gegen diese frauenverachtende Stimmung. Alles, was sie sonst überhören, übersehen oder verdrängen, kam an dem Abend hoch.“

Die Frauen erinnerten an Hildegard Hamm-Brücher, die parteiübergreifend anerkannte „Grande Dame“ der Politik, die von ähnlichen Erfahrungen berichtete. Als unabhängige, unbequeme Frau und Politikerin hatte sie es nie leicht gehabt, erzählte sie einmal in einem Interview und betonte, wie mühevoll es war, sich als Frau Gehör zu verschaffen.

Neue Gesetze, altes Rollenbild

Celina ist überzeugt davon, dass auch heute politische Entscheidungen oft anders ausfallen, wenn Frauen die Betroffenen sind. Ihr Beispiel: Als der Rechtsanspruch auf Kita-Plätze gesetzlich verankert wurde, wurden aus der Politik heraus Modelle entwickelt, um zusätzliche und flexible Betreuungsplätze durch„Tagesmütter“ anbieten zu können. Das ganze Modell basiere aber darauf, dass die Frauen „sowieso“ zuhause und beim Ehemann mitversichert sind, bemängelt Celina. „Wären es überwiegend Männer, die diese Betreuungstätigkeit übernehmen würden, wären die Konditionen, zu denen sie dies täten, ganz anders: Die Bezahlung würde sich danach orientieren, dass es eine selbstständige Tätigkeit ist, für die man sich selbst versichern muss und von der man ein ausreichendes Auskommen für sich erwirtschaftet“.

„Frauen müssen selbstbewusst darstellen, was sie können und was sie wissen“, appellierte Shiloe Mokay, die seit Kurzem die Aktionen der Eine-Welt-Initiativen in Unterfranken koordiniert. Die unterfränkische Bezirksrätin Bärbel Imhof aus Lohr plädierte dafür, dieses Wissen und Können in die kommunalen Gremien zu tragen. Sie selbst habe immer wieder erfahren, dass gerade diejenigen Frauen, die ehrenamtlich Politik in den Gemeinderäten, Stadträten, Kreisräten und auf Bezirksebene machen, den frauenpolitischen Anliegen ihrer Parteien ein Gesicht geben: „Wir Frauen in der Politik sind immer auch Vorbilder für Frauen, den Schritt in die Politik zu wagen. Frauen können Politik!“

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Schweinfurt
Ursula Lux
Birgid Röder
Hildegard Hamm-Brücher
Kerstin Celina
Sexismus
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top