Die Vorfreude auf ein Autogramm und die Nervosität vor der kurzen Begegnung mit einem verehrten Künstler können einem Fan schon mal das Hirn vernebeln, das Deutsch verrutschen lassen und den Gebrauch von Fremdwörtern erschweren: So bekam einmal der Sänger Gunther Emmerlich von einem Bewunderer das Kompliment gemacht, seine Stimme sei einfach "indiskutabel". Der Entertainer nahm’s vermutlich mit heiterer Gelassenheit, und dass seine Stimme auch im Alter von 78 Jahren Wärme, Fülle und Kraft aufweist, bewies er dem Gerolzhöfer Publikum auf überzeugende Weise.
"Best of" heißt eines der Programme, mit denen er derzeit auch in der Region unterwegs ist. Im ausverkauften Theaterhaus Gerolzhofen hatte sich eine überwiegend der reiferen Generation zuzurechnende Fangemeinde versammelt, das weibliche Geschlecht dabei in der Überzahl. Theaterleiterin Silvia Kirchhof öffnete für den gastgebenden Verein "Kleines Stadttheater" den "großen Vorhang für einen großen Künstler".
In Erinnerungen geschwelgt
Dann kam man in den Genuss eines Wohlfühlabends, bei dem nicht nur das stimmungsvolle Ambiente passte. Emmerlich, in Thüringen geboren, in Dresden lebend, bot einen bunten Streifzug durch sein Leben, seine Gedanken und die von anderen, wechselte zwischen Philosophischem und Anekdoten, Ernstem und Heiterem, oder entließ wirkungsvoll Kalauer und Bonmots in den Raum. Im Mittelpunkt standen dabei kurze Lesungen aus seinen Büchern, die Titel wie "Zugabe" oder "Spätlese" tragen und humorvoll, selbstironisch und augenzwinkernd ein langes Künstlerleben kommentieren.
Eine Plauderei über die Begegnung mit dem hundertjährigen Johannes Heesters, der offensichtlich sehr trinkfest und genussfreudig war, Erinnerungen an die Jugend in der DDR mit "Hunger auf alles" und ersten Liebeserlebnissen, Versuche als familiärer Weihnachtsmann mit Fellmütze à la Breschnew und grauem Lappen als Bart, die Verbindung von der "halben Portion" als Kind mit dem Seniorenteller im Alter – all das kommt bei Emmerlich mit einem hintersinnigen Augenzwinkern und auf einer vertrauten Erlebnisebene mit dem Publikum.
Der Abend verging wie im Flug
Der Mann mit der sonor-rauchigen Stimme macht an Stationen seiner Karriere Halt, erzählt von zahlreichen Begegnungen mit Promis und Politikern. Er ermöglicht seiner Fangemeinde einen Blick ins Innenleben seiner Familie, sinniert über die Debatte zu Mohrenköpfen und Kosakenzipfeln, und nimmt sich selbst gewaltig auf die Schippe, indem er seinen Kampf mit einem Strandkorb schildert – das ist so plastisch und lustig, dass es auch aus einem Loriot-Sketch stammen könnte!
Dazwischen greift der ausgebildete Opernsänger immer wieder zur Gitarre: Das Lieblingsschlaflied seiner Tochter vom ungewaschen müffelnden König Ludewig erklingt da zum Beispiel, Musicalmelodien (Old Man River), Traditionals (Oh When The Saints), eine figurbezogen neu getextete Fassung des jiddischen Lieds "Bei mir bist Du schön" oder mit "Man müsste nochmal zwanzig sein" eine für viele vertraute Filmmusik zum Mitsummen.
Wie im Flug verging der gut zweistündige Abend, bei dem man mitgenommen wurde auf eine Reise durch einen ganz persönlichen Kosmos, in dem sich dennoch jeder irgendwie wiederfinden konnte. Lang anhaltenden, großen Applaus im Stehen gab es für Gunther Emmerlich, als Dank dafür drei Zugaben.