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Gerolzhofen
Gottesdienste an Ostern in Gerolzhofen: Sophie Scholls unbekannte Seite und die Frage nach dem Glaubenstyp
Evangelische und katholische Christen feierten die Auferstehung Jesu Christi. Dabei lernten sie eine Widerstandkämpferin neu kennen und warum Tränen Blicke schärfen.
Zu Beginn der Osternacht in der Stadtpfarrkirche in Gerolzhofen wurde an einem Feuer vor dem Hauptportal die Osterkerze gesegnet und entzündet.
Foto: Michael Mößlein | Zu Beginn der Osternacht in der Stadtpfarrkirche in Gerolzhofen wurde an einem Feuer vor dem Hauptportal die Osterkerze gesegnet und entzündet.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 14.04.2023 02:31 Uhr

Gemeinsam mit Gläubigen in aller Welt haben Christinnen und Christen beider Konfessionen an Ostern in den kirchlichen Gemeinden im Raum Gerolzhofen des Sterbens von Jesus Christus am Kreuz gedacht und dessen Auferstehung gefeiert. Nach Wegfall sämtlicher Corona-Einschränkungen waren die Gottesdienste in Gerolzhofen in der Stadtpfarrkirche und in der Erlöserkirche an den Feiertagen überwiegend gut besucht. Die Besucherzahlen früherer Jahre wurden aber auch zu diesem höchsten Fest im christlichen Kalender nicht erreicht.

Pfarrer Reiner Apel nutzte die von Reiner Gaar an der Orgel musikalisch begleitete Andacht zur Sterbestunde Jesu in der Evangelischen Erlöserkirche an Karfreitag, um mit Aufzeichnungen und Tagebucheinträgen von Sophie Scholl (1921-1943) eine wenig bekannte Seite der Widerstandskämpferin gegen das Nazi-Regime vorzustellen.

Scholl, die der Gruppe "Weiße Rose" angehörte, die sich mit Flugblättern friedlich gegen den von Deutschland ausgelösten Weltkrieg und die im Land herrschenden Nationalsozialisten wandte, habe sich auch mit "vielen religiösen Fragen auseinandergesetzt", sagte Apel. Er beschrieb die junge Frau als einen Menschen mit einer großen Sehnsucht nach Gott.

Mit Gott den Hunger stillen

Scholl sei, wie es aus einem Essay von ihr von Anfang 1942 hervorgeht, nicht nur jemand gewesen, die über Musik den Zugang zur Seelenwelt suchte. Ohne Gott, so schrieb sie, müsste ein Mensch verhungern. Sie selbst sah, wie sie ihrem Tagebuch anvertraute, in Gott denjenigen, der der Welt frische Luft zum Atmen einhaucht.

Zugleich zeigte sich Scholl in einem Brief an ihren Verlobten Friedrich Hartnagel, der Soldat der Wehrmacht war, angewidert von dem von den Nazis postulierten Überlebensrecht des Stärkeren. Dieses Denken führe alle unwiderruflich in den Untergang. Scholl glaubte dagegen an einen Sieg des Geistes. Dass ihre Idee sich durchsetzen werde, auch wenn sie selbst nicht mehr lebt, davon träumte sie, wie aus einer Erzählung von ihr überliefert ist, selbst noch in der Nacht vor ihrem Tod unter dem Schafott am 22. Februar 1943.

So lange erinnern, bis es wirkt

Pfarrer Stefan Mai sprach während der katholischen Osternachtsfeier in der Stadtpfarrkirche von der "immer gleichen, alten Geschichte", die an Ostern gefeiert werde. Gerade dieses Wiederholen und sich Erinnern an Altbekanntes könne Menschen Mut schenken, sagte der Geistliche während seiner Predigt. Denn irgendwann komme der Tag, "an dem es wirkt".

Während der Osternachtsfeier segnete Pfarrer Stefan Mai das Weihwasser und tauchte hierzu die Osterkerze ins Wasser.
Foto: Michael Mößlein | Während der Osternachtsfeier segnete Pfarrer Stefan Mai das Weihwasser und tauchte hierzu die Osterkerze ins Wasser.

Dieses Denken widerspreche nur der heutzutage verbreiteten Sehnsucht nach immer Neuem. Etwas zu wiederholen, das habe einen negativen Touch. Das Matthäus-Evangelium dagegen verwende das Mittel der Wiederholung gezielt: Dort sagten Engel mehrfach zu den Menschen, dass diese sich nicht fürchten müssten. In der alten Welt, so Pfarrer Mai, sei dies ein Mittel, um wichtige Botschaften auch wirklich zu verstehen. "Doppelt genäht hält besser", sagte er.

Einer prescht vor, einer hält sich zurück

In den Protagonisten des Evangeliums des Oster-Hochamts am Sonntag erkannte Pfarrer Mai drei "Glaubenstypen". Simon Petrus stelle am leeren Grab Jesu den "Hauruck-Typen" dar. Forsch und vielleicht etwas vorschnell, verschafft er sich vor Ort einen Überblick – und ist ebenso rasch wieder verschwunden. Der andere Jünger hat sich zurückgehalten und war zuerst nicht in die Grabhöhle gegangen. Er vertrete in der Geschichte den "reflektierenden Typ", der kam, sah und glaubte, und der zugleich die dem Geschehen zugrunde liegende Ordnung erkannte, sagte Mai.

Der Kirchenchor unter Leitung von Kantor Karl-Heinz Sauer gestaltete das Hochamt am Ostersonntag in der Stadtpfarrkirche in Gerolzhofen.
Foto: Michael Mößlein | Der Kirchenchor unter Leitung von Kantor Karl-Heinz Sauer gestaltete das Hochamt am Ostersonntag in der Stadtpfarrkirche in Gerolzhofen.

Und dann tritt im Evangelium noch Maria Magdalena auf, die Emotionen zulässt und ihre Trauer und Furcht zeigt, als sie das leere Grab sieht. Sie ist diejenige, die Hilfe holt, und doch zunächst hilflos zurückbleibt, bis sie durch ihre Tränen hindurch Klarheit gewinnt und erkennt, dass Jesus, den sie liebt, nicht mehr unter den Toten ist. "Welchem Typ würden Sie sich als erstes zurechnen?", gab Mai den Besucherinnen und Besucher des Gottesdienstes eine Frage mit auf den Weg. Den Gottesdienst umrahmte der Kirchenchor unter Leitung von Karl-Heinz Sauer mit der "Kurzen Messe" ("Messe brève") von Théodore Dubois.

Blick nach oben zur Orientierung

Pfarrer Apel spürte in seiner Oster-Ansprache im österlichen Kontext der Bedeutung von Paulus' Kolosser-Brief nach. Dort ist die Rede von der Erweckung, die den Menschen mit der Auferstehung Christi  versprochen wird. Für Apel ist damit der Aufruf verbunden, immer wieder neu das Leben zu spüren und sich im Leben auf neue Perspektiven einzulassen. Zugleich gehe es darum, die Erde nicht aus dem Blick zu verlieren, berief sich Apel auf Dietrich Bonhoeffer.

Angesichts einer Kirche, die Veränderungen oft verspätet erkennt und versteht, riet der Pfarrer dazu, sich "droben" zu orientieren. Und das nicht nur im übertragenen Sinn, sondern durchaus auch dadurch, dass man sich an der Spur der Sterne orientiert. So habe er es einmal selbst erlebt, als er dank seines Blicks in den Himmel im Dunkeln den Weg von einer Almhütte zurück gefunden hat. Die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi weite den Blick auf die größere Wirklichkeit, sagte Apel in seiner Predigt während des Gottesdienstes am Ostersonntag. Diesen begleiteten der Posaunenchor und der Chor der Kirchengemeinde.

 
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