
Zum Kern des katholischen Hochfestes Fronleichnam gehört es, während einer feierlichen Prozession die Monstranz mit der geweihten Hostie durch die Straßen des Ortes zu tragen. Dieser Tradition folgten am Donnerstag zahlreiche Gläubige in Gerolzhofen. Sie erfuhren von Pfarrer Stefan Mai dabei, wie wertvoll es sei, Gott als immerwährendes Geheimnis zu begreifen.
Dieser Gedanke widerspreche einem Trend der heutigen Zeit, erklärte der Geistliche während des Gottesdienstes im Garten des Pfarrer-Hersam-Hauses, der der Prozession durch die Altstadt vorausging. Denn eine Grundtendenz der Gegenwart sei es laut Mai, der Welt und den Menschen ihre Geheimnisse zu nehmen. "Das Geheimnis ist verkümmert, alles soll erklärt werden", sagte der Gerolzhöfer Pfarrer.

Dabei seien Geheimnisse weder etwas Verwerfliches, noch sollten sie einen im Leben stören. In der Liebe zwischen zwei Menschen könnten die Geheimnisse, die jeder Mensch in sich verborgen hält, womöglich ein Garant dafür sein, dass Liebe ein Lebtag lang spannend bleibt, meinte Mai. "Niemand von uns kann je einen anderen Menschen ganz durchdringen und begreifen. Selbst Menschen, die wir lieben und denen wir nahestehen, behalten ein eigenständiges Geheimnis." Den Anderen als Wesen voller Geheimnisse zu sehen, biete Menschen die abenteuerliche Chance, dessen Eigenart zu enträtseln, meinte der Geistliche während seiner Predigt.
Gott bleibt den Menschen ein Rätsel
Und wenn dies selbst für Menschen, denen wir jahrzehntelang sehr nahe sind, gelte, um wie viel mehr müsse die Freude am Rätseln dann erst unsere Beziehung zu Gott prägen, spannte Mai den Bogen zum christlichen Glauben. Denn wer wisse schon, wie Gott ist, was Gott denkt und was Gott tun wird, formulierte Mai Gedanken, die, wie er feststellte, dem Apostel Paulus gefallen hätten. "Wie kommst du auf die Idee, du könntest auch nur irgendeine Kleinigkeit über Gott wissen?"

Aus dem Blickwinkel des Apostels betrachtet, habe kein Mensch auch nur "den leisesten Hauch einer Ahnung" von Gottes wahrem Wesen. Gott sei unendlich viel größer als alles, was wir kennen, sagte Mai.
"Gott sei Dank werden wir das Geheimnis Gott nie entschlüsseln", stellte der Pfarrer weiter fest. "Aber wenn wir Gottesdienst feiern, drücken wir damit aus: Ohne dieses Geheimnis wäre unser Leben ärmer." Denn auf diese Weise könnten Menschen ihr Leben lang danach streben, Gottes Geheimnis auf die Spur zu kommen und über die "Klopfzeichen Gottes in unserem Leben nachzudenken", wie Pfarrer Mai es eingangs des Gottesdienstes unter freiem Himmel nannte.
Albert Einstein schätzte das Geheimnisvolle
Er verwies hierzu auf den Albert Einstein. Ausgerechnet als weltbekannter Wissenschaftler, der immer bemüht war, die noch nicht entdeckten physikalischen Zusammenhänge in der Welt ans Licht zu bringen und zu erforschen, habe dieser einmal festgestellt: "Das Schönste, was wir erleben können, ist das Geheimnisvolle."

Das Geheimnis ihres Glaubens stellten die Gläubigen auch während der folgenden Fronleichnamsprozession in den Mittelpunkt ihres Umzugs durch die Straßen der Gerolzhöfer Altstadt. Begleitet wurden sie dabei von Musikerinnen und Musikern und den diesjährigen Kommunionkindern, die sich extra nochmals mit ihrer Festkleidung in Schale geworfen haben. Mitglieder der Gerolzhöfer Feuerwehr sicherten die Prozession ab und regelten den Verkehr entlang der Prozessionswegs.