Herzlich nimmt Colin Monk seine Schülerin in den Arm. Und Sarah Rinkowitz genießt diesen Trainingsauftakt. Die 27-Jährige ist mit Down Syndrom auf die Welt gekommen und nach allerlei anderen Sportausflügen vor sechs Jahren beim Golfsport gelandet.
Das junge Mitglied des Golf-Clubs Schweinfurt kann mittlerweile sehr gut mit dem Schläger umgehen. Wegen ihrer Erfolge wählte sie die Gemeinde Schonungen im Herbst 2014 sogar zur Sportlerin des Jahres – der Golfplatz des GC Schweinfurt liegt schließlich im Ortsteil Löffelsterz.
Zweimal in der Woche ist Training. Weil Menschen mit Down-Syndrom in ihren kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt sind, hat Colin Monk einen Trainingsplan mit viel Abwechslung erarbeitet. Denn die ist nötig, um die schnell abflauende Konzentration hoch zu halten.
Auch bei diesem Freitagstraining kann man das beobachten. „Ziel“ ist ein 100 Meter entferntes Loch. Sarah bringt die ersten Bälle auf der Driving-Range nah an die Fahne. Dann gehen einige daneben, die Schülerin schaut nicht mehr nur auf die Bahn, die Körperhaltung lässt nach. Monk merkt das und ruft „Besenstil“, eine Eselsbrücke für Sarah: Sie nimmt den Schläger auf den Rücken, wiegt mit dem Oberkörper hin und her. Der nächste Schlag sitzt wieder, weil der Oberkörper wieder gerade ist.
Einige Schläge später fällt die Spannung wieder ab. Der Trainer bittet nun zum Sandbunker. Chippen ist jetzt angesagt, ein flacher Annäherungsschlag, bei dem der Ball ein kurzes Stück fliegt und dann auf dem Grün weiter zum Loch rollt. Eine neue Aufgabe, hohe Konzentration bei Sarah, die Schläge sitzen. Bald danach nächste Station: Putten auf der Kurzbahn. Der Ball liegt acht Meter entfernt vom Loch, Sarah ist voll dabei.
Zuerst kam das Skifahren
Die Sportlichkeit ihrer einzigen Tochter erkannten Irene und Udo Rinkowitz früh. Um die Muskelspannung, die bei Down-Syndrom fehlt, zu fördern, wird Sarah mit sechs Jahren Skifahrerin. Vater Udo ermöglicht ihr das therapeutische Reiten, lehrt ihr das Fahrradfahren – ohne Stützräder. 2000 siedelt die Familie vom Niederrhein nach Kleinmünster im Landkreis Haßberge um, der Heimatregion von Mutter Irene.
Udo Rinkowitz betreibt wegen der gebotenen Möglichkeiten für weitere behinderte Mädchen der Lebenshilfe – Sarah arbeitet in der Werkstätte in Augsfeld – das therapeutische Reiten. Er muss das wegen eines Bandscheibenvorfalls aber aufgeben. Ein Nachfolger findet sich zu seinem Bedauern nicht. 2009 fragt er beim Golf-Club an, rennt offene Türen ein. „Ein Glücksfall“, sagt der 70-Jährige.
Colin Monk, 13 Jahre Trainer in Löffelsterz, war vorher sechs Jahre Trainer beim Golf Club in Maria Bildhausen. Wegen der dortigen Einrichtung für Behinderte hatte er „erste Begegnungen“ mit Behinderten bei Schnupperstunden und einer Behindertenmeisterschaft. Ein bisschen gespannt sei er hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Sarah dennoch gewesen.
Benötigt man bei ihr nicht mehr Geduld? Monk lacht: „Als Golflehrer brauchst Du immer Geduld, Golf lernst Du nicht, Du verstehst nur besser zu werden.“ Sarah ist erstaunlich schnell besser geworden. „Dass sie soweit kommt, freut mich schon“, sagt Monk.
Sie habe Talent, dann die Unterstützung der Eltern, vor allem aber: „Sarah will das.“ Es gibt für Behinderte erlaubte Hilfen. Eine Uhr am Handgelenk gibt Hinweise auf die Entfernung der Fahne. Die gemeldete Farbe hilft bei der Auswahl des richtigen Schlägers. Ein schwarze Linie auf Ball und Schläger zeigt die Schlagrichtung an. Mehr nicht.
Silbermedaille bei den Special Olympics
Ihre Glanzleistung und bisher beste Platzierung erreichte Sarah letztes Jahr bei den „Special Olympics“ in Düsseldorf. Unter den 40 Golfern, darunter 14 Frauen und Mädchen, erreichte sie die Qualifikation als beste weibliche Teilnehmerin, holte beim Einzelschlag und beim Neun-Loch-Wettbewerb die Silbermedaille. Ein Ereignis war die Teilnahme an den Special Olympic World Games in Los Angeles im Juli 2015. In der Disziplin Golf waren 187 behinderte Sportler am Start. Die Sportlerin mit Down Syndrom vom GC Schweinfurt landet bei dem den Damen auf dem (undankbaren), aber großartigen vierten Platz.
Übrigens: Der Golf Club Schweinfurt wird am Wochenende einen weiteren Golf-Aktivtag mit der Behindertensport-Organisation Special Olympics Bayern auf die Beine stellen. Die Landesgruppe arbeitet mit über 170 Einrichtungen der Behindertenhilfe, aber auch mit Sportvereinen und Einzelpersonen zusammen. Mit Training und Wettbewerben in vielen Sommer- und Wintersportarten soll Behinderten die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden.
Golf war bislang noch nicht im Angebot. Jetzt wurde der Sport aufgenommen. Der Grund: Der erste Aktivtag fand letztes Jahr als Testballon auf der Anlage in Löffelsterz statt und war ein Riesenerfolg. Die Idee dazu hatte Udo Rinkowitz. Mit dabei war und ist auch wieder Sarah, die Golf einfach nur „schön“ nennt.