
Die Jubilare sind Kinder der "Roaring Twenties", der stürmischen Zwanziger Jahre. Wenn Ilse und Kurt Richter am 31. Dezember ganz groß feiern dürfen, dann nicht allein wegen Silvester. Stolze 70 Jahre ist das Jubelpaar verheiratet: eine seltene Gnadenhochzeit.
Beide sind waschechte Schweinfurter und vielerorts bekannt: "Am Marienbach bin ich großgeworden", sagt Ilse Richter, die 1926 als Ilse Drescher und Älteste von drei Geschwistern geboren worden ist. Der Vater arbeitete bei der Kugellager-Firma Star ("damals waren die noch selbstständig"). Die Mutter hatte der sportliche Mann bei einem Fahrradausflug ins Saarland kennengelernt. Ehemann Kurt wurde 1927 geboren und entstammt der Maibacher Straße. Die Kindheit war nicht einfach. Der Vater, der in der Industrie gearbeitet hatte, starb früh. Die Mutter war blind und kam später beim Sohn und seiner Familie unter.
Miteinander in der Volksschule
"Wir waren schon miteinander in der Volksschule" erinnert sich Ilse ans frühe Kennenlernen. Das war am Martin Luther-Platz, wo auch mal Friedrich Rückert die Schulbank gedrückt hatte. In der benachbarten Johanniskirche wurde Ilse Richter getauft, konfirmiert und hat später auch geheiratet: "alles bei Pfarrer Beil." Nach der Handelschule musste sie in der Nazizeit erst einmal das "Pflichtjahr" absolvieren, das in diesem Fall sogar zwei Jahre dauerte, länger als sonst: Die junge Frau arbeitete "nur" für einen Schweinfurter Arzt. Eigentlich sollte der Zwangsdienst in Großfamilien auf dem Land geleistet werden, gemäß der herrschenden Ideologie.
Luftalarm beim ersten Arbeitstag
Noch im Krieg kam die Stenotypistin zu SKF in die Buchhaltung: Als sie in der Schultesstraße anfing, seien viele Nachbargebäude schon abgebrannt gewesen. Gleich am ersten Tag, "ein Montag", war Luftalarm. Die Schreibmaschinen wurden zum Sirenengeheul in den Keller getragen. Sie selbst radelte schnell heim in die elterliche Wohnung und erhielt einen Rüffel: Auch sie musste künftig im Firmenbunker ausharren. "Etliche sind verschüttet worden", berichtet die Zeitzeugin. Offenbar, weil Kurt Richter Wassersport auf dem Main betrieb (auch später war er ein begeisterter Kajak- und Faltbootfahrer) wurde er 1943 zur Marine eingezogen, das junge Paar getrennt. Auf der Marineschule entging Kurt Richter dem Untergang ebenso wie der Gefangenschaft. Das Elternhaus in der Maibacher Straße war allerdings zerbombt.
1949 wurde endlich geheiratet, im kriegszerstörten Schweinfurt. "Das mit Silvester war Zufall", berichtet Ilse Richter – wer als Pärchen in eine gerade freistehende Wohnung einziehen wollte, musste bereits verheiratet sein. Dafür gab's als "Luxus" ein Öfchen im Haus und eine Toilette auf dem Hof. Kurt Richter arbeitete dann über 50 Jahre in der Industrie, als Lehrlingsausbilder und Verantwortlicher an der Produktionslinie. Ilse brachte es bei SKF auf 20 Jahre : "Es war Zusammenhalt da."
1959 wurde Sohn Axel geboren, der heute für die Rummelsberger Diakonie arbeitet. 1963 ging es in die eigenen vier Wände, in der Gertrud-Herz-Straße. Es wurde viel Sport getrieben, etwa bei der Turngemeinde, und Fahrrad gefahren: "bis zu hundert Kilometer weit". In der Waschküche wurde ein eigener Kajak zusammengebaut.
Auch das Reisen zählte zu den Hobbys, bis nach Neuseeland. "Ich kann sagen, ich hab Glück gehabt im Leben", sagt Ilse Richter. Selbst ihre beiden Freundinnen aus jungen Jahren gibt es noch, alle sind jetzt um die 90: "Das ist auch nicht die Norm." Zum Ehrentag gratulieren dem rüstigen Paar nicht zuletzt der Sohn und der Enkel.