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Gerolzhofen
Glosse zur Woche: Die Botschaft von der Vereinfachung des Alltags entpuppt sich als Ammenmärchen
Fahrzeuge können jetzt übers Internet zugelassen werden. Was als Fortschritt gepriesen wird, täuscht nicht darüber hinweg, dass Bürokratie immer neue Blüten treibt.
Wer sein Auto zulassen möchte, kann dies ab sofort digital erledigen, im Internet.
Foto: René Ruprecht | Wer sein Auto zulassen möchte, kann dies ab sofort digital erledigen, im Internet.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 07.09.2023 04:05 Uhr

Sie werden es bestimmt schon bemerkt haben: Das Leben wird immer einfacher und unkomplizierter. Jüngstes Beispiel ist die digitale Fahrzeugzulassung. Seit 1. September ist es in Deutschland möglich, Fahrzeuge übers Internet bei den Zulassungsbehörden anzumelden. Auch das Landratsamt Schweinfurt ermöglicht dies jetzt.

Ein Schelm, wer jetzt gleich nach Einwänden sucht. Und doch wird der Schelm schnell fündig. Denn während diejenigen, die ihre Fahrzeuge künftig digital zulassen, dafür weniger Gebühren zahlen als bisher, müssen diejenigen, die – was weiter möglich ist – für den Verwaltungsakt einen persönlichen Termin in der Behörde vereinbaren, tiefer in die Taschen greifen. So möchte es die Bundesregierung. Auch, um so den digitalen Fortschritt im Land anzustoßen.

Abgehängt im Internet

Wobei darüber alle diejenigen, die auch im Jahr 2023 weiter auf einen vernünftig schnellen Internetzugang warten, darüber wohl nur hohl lachen dürften. Für diese zum Sarkasmus genötigten Menschen im Land, die alles andere als eine kleine Minderheit sind, treibt das Schlagwort "Digitalisierung" allenfalls rote Pusteln ins Gesicht und den analogen Blutdruckmesser hoch bis zum Anschlag.

Von einer spürbaren Vereinfachung des alltäglichen Lebens zu sprechen, damit haben auch viele andere Menschen ihre schiere Not. Vereine beispielsweise, die eine Veranstaltung oder ein Fest planen. Ganz gleich, von welcher Seite her man es betrachtet: Vor 20, 30 Jahren war fast alles einfacher und unkomplizierter als heutzutage im Zeitalter der Digitalisierung und Entbürokratisierung, nach der Regierungsverantwortliche seit einer gefühlten Ewigkeit so emsig wie erfolglos suchen, wie Könige im Mittelalter nach dem sagenumworbenen Goldenen Vlies.

Vorschriften bis ins Detail

Ein altbekanntes Musterbeispiel ist die Kuchentheke. Dort darf kein Gebäck verkauft werden, von dem nicht eine umfangreiche Liste sämtlicher Inhaltsstoffe vorliegt. Während dies zum Schutz vor möglichen allergischen Reaktionen sogar noch nachvollziehbar ist, schaut's bei anderen Regelungen anders aus. Wer beispielsweise im öffentlichen Raum einen Toilettenwagen aufstellt, darf eine Warnbarke zur Absicherung des Hindernisses nur noch nach einer stundenlangen Sicherheitsunterweisung aufstellen.

Öffentliche Flächen sind sowieso ein ganz heikler Bereich. Wer dort etwas auf die Beine stellt, der sieht sich erstmal mit einem dicken Vertragswerk konfrontiert. Um dort durchzublicken, reicht das Zweite juristische Staatsexamen mit knapper Not gerade so aus. Und wer dann sämtliche juristische Haftungsklauseln im Vertrag durchstiegen hat, der würde am liebsten das Fest gleich wieder absagen, weil sich die Verantwortlichen plötzlich einem Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen viel näher fühlen als dem nächsten Sommerurlaub.

 
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