"Konservativ, christlich, grün" – so sieht Vize-Kreisvorsitzender Stefan Bretscher die ÖDP und wird darin von der Stadträtin und Kooperationspartnerin Ulrike Schneider unterstützt. Im CVJM-Haus ging es aber nicht um die Wahlen 2020, sondern um Grundsätzliches. Bernhard Suttner, ehemals Landeschef der Ökologischen Demokraten und nun deren Beauftragter für Grundsatzfragen, fing buchstäblich wieder bei Adam und Eva an. "Die 10 Gebote – eine Ethik für den Alltag im 21. Jahrhundert" nennt sich sein kleines Buch über den biblischen Auftrag zu Umweltschutz und nachhaltigem Wirtschaften.
"Macht euch die Erde untertan" heißt es, gemäß konventioneller Übersetzung, in der Schöpfungsgeschichte, noch vor der Sache mit dem Apfel und der Vertreibung aus dem Paradies. Für den Pädagogen aus Windberg bei Regensburg ist der vermeintliche Gottesauftrag zum "Dominium terrae", zur Herrschaft über die Schöpfung, fast der wahre Sündenfall: "Das hätte nicht geschehen dürfen." Schon in den 70er-Jahren hat Suttner Gespräche darüber geführt, wie die Bibel den Umgang mit all dem regelt, was weder Gott noch Mensch ist: "Das ist mir in die Seele gefahren." Zwei Gesetzestafeln hat Mose vom Berg Sinai mitgebracht, im CVJM-Haus ist die Szene auf einem Bild von Marc Chagall verewigt. "Wo ist die dritte Tafel?"
"Ich bin der Herr, dein Gott" lautet das oberste Gesetz mit dem Verbot, falsche Götter anzubeten, inklusive Strafandrohung für kommende Geschlechter bzw. Segensversprechen bei Wohlverhalten. "Was ich tue, hat Folgen" interpretiert Suttner den 3000 Jahre alten Text, "auch für die Nachkommen." Ideologien, Karrieredenken, Körperkult, vor allem aber Geld und Konsum sind für ihn moderne Götzen: "Deswegen brennt Australien ab."
Bernhard Suttner: "Es braucht Gemeinwohl-Ökonomie statt Konsum-Manipulation"
Dann das Verbot, den Namen Gottes zu missbrauchen. Der Mensch habe, kraft Vernunft, nur den Auftrag, die Erde "im Namen Gottes" zu verwalten. Nicht aber, sich missbräuchlich an seine Stelle zu setzen. Es folgt die Sache mit dem Sabbat, dem befreienden Ruhetag. "Pausen bräuchte auch der Planet." Den "elterlichen Naturkräften" sollte der Menschen so viel Achtung und Ehre entgegenbringen wie Vater oder Mutter. "Morde nicht!" lautet das Lebensgebot im Original, deutbar als Aufforderung, die Lebensgrundlagen seiner Mitmenschen zu schonen. "Das fängt schon bei Fair Trade an."
Die Heiligung der Ehe beinhalte kein Erotikverbot, fügt Suttner bei, aus früher Erfahrung mit enger, ängstigender Glaubenslehre heraus. Du sollst nicht stehlen? "Wir sind eine Raub- und Diebesgesellschaft", kritisiert der Referent. Bereits versiegelter Boden sei Diebstahl an künftigen Generationen. Du sollst kein falsch Zeugnis reden? Es fehle an Wahrhaftigkeit, wenn für Trump der Klimawandel nur eine Erfindung der Chinesen sei, um die US-Wirtschaft kaputtzumachen. "Du sollst nicht begehren (...)", fordern zuletzt die Gebote Nr. 9 und 10. "Wenn wir die Tugend der Nichtbegehrlichkeit nicht pflegen, fliegt uns der Laden um die Ohren." Es brauche eine Gemeinwohl-Ökonomie statt Konsum-Manipulation und endlosem "haben müssen". Damit wäre sogar die 20-Stunden-Woche möglich, zitiert Suttner eine These des Postwachstums-Ökonomen Professor Niko Paech.
In kleiner Runde wird diskutiert, inwieweit Umweltschutz wirklich biblisch begründbar sein muss. Der ÖDP-Vordenker sieht durchaus Deutungsbedarf. Ministerin Damares Alves, Chefideologin von Präsident Bolsonaro, argumentiere exakt mit dem "Dominium terrae". Derzeit brennt auch in Brasilien das grüne Paradies.