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Schweinfurt
Gewalt und Aggressionen im Klassenzimmer
Die Schulen können ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag nicht mehr alleine erfüllen, sie brauchen Hilfe durch die Schulsozialarbeit. Die Stadt stockt jetzt die Stellen auf.
Die Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen an Schulen nimmt zu. Dieser Entwicklung soll mit dem weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit entgegen gesteuert werden. 
Foto: Oliver Berg | Die Gewaltbereitschaft von Kindern und Jugendlichen an Schulen nimmt zu. Dieser Entwicklung soll mit dem weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit entgegen gesteuert werden. 
Irene Spiegel
 |  aktualisiert: 12.07.2021 02:15 Uhr

Cyber-Mobbing, Bullying (andere drangsalieren), Respektlosigkeit, Gewaltbereitschaft, Leistungsverweigerung, Schulversäumnisse, Selbstverletzungen – die Zahl der auffälligen Kinder und Jugendlichen an Schweinfurts Schulen ist vor allem auch durch die Corona-Pandemie erschreckend gestiegen. Kinder von Alleinerziehenden und aus Familien mit Migrationshintergrund sind besonders häufig betroffen. Die Schulen können schon lange nicht mehr alleine ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen, sondern brauchen externe Unterstützung. Durch die Schulsozialarbeit. Sie agiert an der Schnittstelle zwischen Schule und Jugendhilfe und wird direkt in den Schulen angeboten.

In Schweinfurt wurde die Jugendsozialarbeit an Schulen, kurz JaS, bereits 2003 an Mittelschulen ausgebaut und seit 2010 sukzessive auf die Grundschulen ausgeweitet. Auch an zwei Förderschulen gibt es JaS. Der Jugendhilfeausschuss hat in seiner Sitzung am Mittwochnachmittag nun den weiteren Ausbau der Schulsozialarbeit beschlossen und grünes Licht für die Schaffung von vier zusätzlichen Halbtagsstellen gegeben. Damit wird ab dem neuen Schuljahr an allen acht städtischen Grundschulen sowie an insgesamt drei Förderschulen JaS installiert und an den drei Mittelschulen sogar eine Vollzeitkraft tätig sein. Für die Stadt entstehen dadurch jährliche Kosten in Höhe von insgesamt 106 460 Euro.

Dringenden Bedarf nach sozialpädagogischer Unterstützung hatte die Julius-Kardinal-Döpfner-Schule angemeldet. 165 Kinder besuchen das Förderzentrum zur sprachlichen Entwicklung, 114 davon leben in Schweinfurt. Zwei Drittel von ihnen haben Migrationshintergrund, zum Teil Fluchterfahrung und Traumata aus diesen Erlebnissen. Nach Angaben der Schule haben viele Kinder Sprachdefizite, und mit den Eltern könne nur per Dolmetscher kommuniziert werden. Die Kinder hätten zudem großen sonderpädagogischen Förderbedarf. Das Aggressionspotenzial sei hoch, die Frustrationstoleranz gering und Konfliktfähigkeit kaum vorhanden.

Die Regierung von Unterfranken unterstützt den Antrag der Schulleitung und bezuschusst die Einrichtung einer Halbtagsstelle pauschal mit 8180 Euro. Für die Stadt verbleiben damit jährliche Kosten von 26 820 Euro. Die Stadt übernimmt auch die Trägerschaft der JaS-Fachkraft an der Julius-Kardinal-Döpfner-Schule.

Regierung bezuschusst sozialpädagogische Fachkraft

Seit 2010 sind auch an den Grundschulen in der Stadt Schulsozialarbeiterinnen tätig. Die Kerschensteiner-Grundschule war bislang noch nicht zum Zuge gekommen, weil Mitte 2019 die staatlichen Fördermittel ausgeschöpft waren. Die Regierung  von Unterfranken hat nun für das kommende Schuljahr wieder Fördermittel in Aussicht gestellt, so dass nun auch die größte und letzte der acht Grundschulen in der Trägerschaft der Stadt sozialpädagogische Unterstützung erhalten kann.

Über 300 Schülerinnen und Schüler besuchen die Schule am Deutschhof. Gegensätzliche Welten prallen dort aufeinander. Einerseits ist der Deutschhof stark von Zuwanderung geprägt, teils mit Familien aus prekären Verhältnissen, andererseits wohnen dort aber auch viele Familien aus gutsituierten Verhältnissen. Auseinandersetzungen mit Schülern und Eltern werden in vielen Beispielen im Antrag der Schule beschrieben. Hierzu gehören Leistungsverweigerung und mangelnde Teilnahme am Unterricht, aber auch Beratungsresistenz bei den Eltern. Das Stadtjugendamt ist ständig vor Ort, auch weil es in der Vergangenheit mehrfach Anhaltspunkte für Kindeswohlgefährdung gab.

Der Deutschhof entwickele sich zum sozialen Brennpunkt, schreibt das Staatliche Schulamt Schweinfurt in seiner Stellungnahme. Die Zahl der Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund steige, ebenso die Zahl derer, die auf jugendpsychiatrische Hilfe angewiesen sind. Auch der Jugendhilfeausschuss erkannte die Dringlichkeit einer sozialpädagogischen Fachkraft und befürwortete einstimmig die Einrichtung einer Halbtagsstelle.

JaS-Stellen werden auf ganztags aufgestockt

Aufgestockt von halbtags auf ganztags werden auf Beschluss des Ausschusses die JaS-Stellen an der Albert-Schweitzer- und an der Auen-Mittelschule. Die Schulsozialarbeiterinnen unterstützen hier die Lehrkräfte bei Fragen zum Kinderschutz sowie in Gesprächen mit den Eltern und Kindern. An der Albert-Schweitzer-Mittelschule ist bereits seit 2003 eine sozialpädagogische Fachkraft mit einer halben Stelle vertreten. Träger war bisher das Haus Marienthal. Mit der Aufstockung auf eine ganze Stelle übernimmt die Stadt nun die Trägerschaft. Begründet wird der Bedarf mit der hohen Zahl an Kindern aus bildungsfernen Familien, die große Erziehungsdefizite und hohe soziale-emotionale Störungen aufweisen. Besonders jetzt, nach der langen Zeit des Distanzlernens, sieht die Schulleitung dringenden Bedarf für Sozialarbeit. Cyber-Mobbing und Bullying seien an der Tagesordnung. Den Kindern mangele es an sozialen Fähigkeiten, sie seien respektlos und gewaltbereit. Auch Drogenmissbrauch wird angeführt. "Es ist dringend notwendig, dieser Entwicklung mit einer langfristig angelegten Präventionsarbeit gegenzusteuern", heißt es in dem Antrag.

Ähnlich ist die Situation an der Auen-Mittelschule, wo es seit 2007 eine 50-prozentige sozialpädagogische Fachkraft gibt. Die Halbtagsstelle decke den Bedarf allerdings nicht mehr ab, verweist die Schule auf die schwierigen häuslichen Verhältnisse vieler Schüler. Es fehlten Erziehungsstrukturen und es gebe Tendenzen zur Verwahrlosung. Die Hemmschwellen zu physischer und psychischer Gewalt seien gering. Im Schulalltag komme es immer wieder zu Krisensituationen, eine Schülerin habe gar Todeswunschgedanken geäußert.

Angesichts dieser Problematiken stimmte der Jugendhilfeausschuss ohne Diskussionen der Aufstockung der bisherigen JaS-Stelle auf Vollzeit zu.

Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS)

JaS ist eine Leistung der Jugendhilfe, die an Schulen mit gravierenden sozialen und erzieherischen Problemen zum Einsatz kommt. Sie soll sozial benachteiligte junge Menschen bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen und fördern. Sie richtet sich vor allem an junge Menschen mit sozialen und erzieherischen Problemen. Durch JaS sollen deren Chancen auf Teilhabe verbessert werden. Die Jugendsozialarbeiter und -arbeiterinnen agieren eigenständig, aber in enger Kooperation mit der Schule.
Die Jugendämter vor Ort stellen im Rahmen der Jugendhilfeplanung fest, an welchen Schulen ein so großer jugendhilferechtlicher Handlungsbedarf besteht, dass er mithilfe von JaS gedeckt werden soll. In Einzel- oder auch Gruppengesprächen mit den jungen Menschen werden deren Probleme im Alltag, in der Familie, in der Schule oder auch im Übergang in die Ausbildung und in den Beruf besprochen und gemeinsam Lösungswege entwickelt. Auch die Eltern werden eingebunden, um innerfamiliäre, erzieherische oder schulische Probleme zu lösen.
Quelle: Bayerisches Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales
 
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