Der Fahrradmarkt boomt. Technische Errungenschaften haben den Drahtesel von einst schneller, leichter und immer spezieller gemacht. Gebremst wird hydraulisch. Die mit einer App am Handy eingestellte Schaltung wird per Funk gesteuert. Der Strom für das LED-Licht kommt aus dem Nabendynamo oder dem Akku des E-Bikes. Wer ein Rad kauft, muss wissen, was er will – besser noch, wo er unterwegs sein will. Es gibt City-, Trekking-, Cross- und Rennräder. Allein in der Sparte der Mountainbikes sind Cross-Country-, Marathon-, All-Mountain-Enduro- oder etwa Downhill-Bikes zu nennen. Wer über Schotter rasen will, entscheidet sich für das aktuell besonders gefragte Gravel-Bike. All diese und auch das Lasten- oder das Jugendrad gibt es mit und ohne Motor.
Werkstätten und Personal gesucht
Was es vielerorts nicht und auch in Schweinfurt kaum gibt, das sind Werkstätten für Fahrräder. Und wenn eine gefunden ist, dann ist die Reparatur von heute auf morgen keinesfalls selbstverständlich. Den Werkstätten fehlt das Personal. Die Redaktion hat sich umgeschaut und für den Zweiradmechatroniker der Ausrichtung Fahrrad ein Berufsfeld mit Zukunft und mit unterschiedlichen Einsatzgebieten insbesondere in Schweinfurt entdeckt.
Nicht nur für die Werkstatt, auch für den Verkauf sucht Unterfrankens größter Fahrradfachmarkt "Radmarkt Schauer" Auszubildende. Der Service werde immer wichtiger. Die E-Bike-Sortimente würden zu längeren Fahrstrecken, häufiger Nutzung und damit auch zu höherem Verschleiß führen, sagt Anja Schneider aus der Geschäftsführung, die mit zwei neuen Azubis jetzt fünf junge Leute in der Werkstatt, vier im Verkauf und einen im Elektronischen Handel ausbildet.
Mehr als schrauben und schmieren
Dreieinhalb Jahre dauert die Ausbildung zum Zweiradmechatroniker. Anschließend gibt es jede Menge Weiterbildung, weil die Fahrradhersteller wie auch deren Zulieferer alljährlich Neuerungen auf den Markt bringen. Für die Lehre werden in der Branche der Abschluss an der Mittel- oder Realschule, Fahrradbegeisterung und technisches Verständnis vorausgesetzt. Ab dem zweiten Lehrjahr findet Blockunterricht in der Berufsschule in Straubing statt. Wer den Meister machen will, der muss zumindest bis nach Frankfurt fahren.
Bei Schauer stehen in der Werkstatt vor allem E-Bikes. Das Wechseln von Reifen und Schläuchen, das Schmieren von Ketten und Zügen bestimmen längst nicht mehr den Arbeitsalltag. Federungen müssen fit und Schaltungen gängig gemacht werden. Bremsen müssen auf den Punkt greifen. Neue Fahrräder werden aufgebaut, andere nach Kundenwunsch umgebaut. Allenthalben stehen Testgeräte und Laptops, die anzeigen, was Motoren und Akkus leisten.
Viele Aufträge kommen über das Fahrrad-Leasing in die Werkstatt, da hier vergleichbare Regeln wie beim Auto-Leasing gelten und das Rad regelmäßig in die Wartung muss. Bei allen Werkstätten gilt, dass am liebsten Fahrräder aus dem eigenen Verkauf zur Reparatur angenommen werden. Wer mit einem "Schnäppchen" kommt, hat oft das Nachsehen, auch weil bei Billigrädern oftmals Teile und insbesondere Motoren zum Einsatz kommen, für die Ersatzteile schwer oder auch nicht aufzutreiben sind.
Herausforderung Lastenfahrrad
Der Grafenrheinfelder Ernst Brust, der 1991 den Dienstleister Velotech (Fahrrad-Test-Zentrum) gründete und bis vor kurzem dem Zweirad-Industrie-Verband die Geschäfte führte und dort noch in Sachen Technik engagiert ist, spricht von einer spannenden Entwicklung durch die Elektrifizierung und durch die Automobilindustrie, die das Fahrrad für sich entdeckt habe und auf den Zweiradmarkt dränge. Sprunghaft steigen werde der Bedarf an Fachkräften nicht zuletzt durch Entwicklung und Wartung beim Lastenrad.
In der Max-Planck-Straße in Sennfeld zeigt die Winora Group in der erst im März eingerichteten Gläsernen Fabrik hinter großen Fenstern, wie 14 hochqualifizierte Mitarbeiter Rahmen, Räder und vieles mehr für die Marke Haibike zusammenbauen, wie die Elektronik eingestellt wird und die Endkontrolle abläuft, ehe hier jährlich 10 000 Räder des gehobenen Preissegments ganz ohne Plastik und umweltfreundlich in Kartonagen verpackt werden.
Beratung für Deutschland, Österreich und die Schweiz
Bei Sram in der Romstraße 1 des Industrie- und Gewerbeparks Maintal, einer der weltweit führenden Hersteller von Fahrradkomponenten mit den Marken RockShox, Truvativ, Zipp, Quarg und Sram, sind die Mechatroniker vor allem im Händlerservice eingesetzt. Händler aus dem deutschsprachigen Raum können sich dort digital von den Mechatronikern über Wartung und Reparatur der Produkte des Konzerns informieren und einweisen lassen. Sram ist ebenfalls ein Ausbildungsbetrieb.
Mit der Firma Speed fun hat Schweinfurt eine weitere Firma, die sich einen Namen weit über Unterfranken hinaus gemacht hat. Entwickelt und hergestellt werden von dem Unternehmen in der Würzburger Straße Liegeräder. Seit 23 Jahren gilt, dass jedes Rad ein Unikat ist und nach Kundenwunsch gebaut wird. Über die aktuelle Nachfrage kann sich Norbert Karl Landgraf "nicht beschweren". Der Trend zur individuellen Anfertigung sei erfreulich groß – was sicherlich für die ganze Fahrradbranche gelte, die dafür Fachkräfte brauche, also den Zweiradmechatroniker, der für eine derart spezielle Fertigung wie bei dem auf Wunsch zugeschnittenen Liegerad allerdings nur die Grundkenntnisse mitbringe und sich weiterbilden müsse.