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Geschichten ohne Worte erzählen
Manfred Herker
 |  aktualisiert: 23.06.2016 03:36 Uhr

Am Wochenende präsentierte der Choreograf und Tänzer Peter Breuer mit seinem Salzburg Ballett im Theater seine umjubelte Neuschöpfung „Ballett ,n' Blues“. Breuer gehört zu den wenigen deutschen Tänzern des 20. Jahrhunderts, die international Aufsehen erregt haben. Nach seiner Ballettausbildung und Engagements an der Bayerischen Staatsoper München und an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf begann 1969 seine internationale Karriere als Solotänzer des weltberühmten London Festival Ballet, des American Ballett Theatre und des Ballett des Teatro alla Scala die Milano.

Breuers Sprungkraft und die Zahl seiner Pirouetten waren legendär. Anfang der 1980er Jahre entstanden seine ersten Choreografien für verschiedene deutsche Staatsopern, für die Budapester Staatsoper und das Internationale Ballettfestival Tokio. Seit 1991 ist Peter Breuer nun Ballettdirektor und Choreograf des Salzburger Landestheaters, 2015 wurde ihm der Deutsche Tanzpreis verliehen.

FRage: Sie sind nach Ihrer aktiven Zeit als Solotänzer seit 25 Jahren Ballettdirektor und Choreograf des Ballett Peter Breuer Salzburg. Auch in Schweinfurt schätzen wir Sie als Schöpfer großer Erzählballette wie „Tschaikowsky“, „Der Kuss“ (Camille Claudel und Auguste Rodin), „Carmen“ oder „Marie Antoinette“. Was hat Sie zu „Ballet ,n' Blues“ inspiriert? Wie entstand aus dem Blues eine Geschichte? Sind Sie ein Jazzfan?

Peter Breuer: Ich bin schon früh mit dem Blues vertraut worden. Mein Vater war ein erfolgreicher Konzertpianist und Dirigent, Meisterschüler von Edwin Fischer. Kurz vor Kriegsende haben ihm die Nazis die Hand zertreten. Um Geld zu verdienen, hat er danach unter anderem im Münchner „Domizil“ Jazz und Blues gespielt, mich hat er als kleinen Bub immer mitgenommen. Vor ein paar Jahren bin ich auf die faszinierende und tragische Lebensgeschichte des amerikanischen Bluesgitarristen Joe „Lemon“ Jackson gestoßen, die mich zu der Choreografie „Ballett ,n' Blues“ inspiriert hat. Als ich die österreichische Blueslegende Al Cook um Mitarbeit bat, sagte der: „Wos? A Bluesballett? Kann ma Blues üwahaupt verdanzen?“ - Es wurde ein großer Erfolg.

Haben Ihre Eltern Sie bei Ihrer Berufswahl Tänzer unterstützt, wann waren Sie selbst sich sicher, unbedingt Tänzer werden zu wollen? Was waren die ersten Schritte?

Breuer: Mein Vater hat immer zu mir gesagt: „Du musst einen Beruf ergreifen, bei dem du nicht von deinem Körper abhängig bist“. Deshalb habe ich gedacht: „Na gut, dann werde ich Archäologe“.

Dann hat mich mein Vater mit elf Jahren mal in eine Ballettprobe der Münchner Staatsoper mitgenommen, wo er die Compagnie als Pianist begleitete. Toll, diese Kraft, diese Sprünge, diese Drehungen. Jetzt wusste ich: „Ich will Tänzer werden, das ist mein Beruf“. Nach einer vierjährigen Ausbildung war ich mit 15 Jahren jüngster Gruppentänzer der Staatsoper: Ich bin gesprungen wie der Teufel und habe 15 Pirouetten gedreht. Und ich war ein fesches Knäblein.

Darf ich Sie nach drei Momenten Ihrer langen Karriere fragen? Bei Ihren legendär hohen Sprüngen - waren Sie dabei hoch konzentriert, gab es dabei auch einen Adrenalinstoß, etwa das Gefühl „jetzt zeige ich es euch und genieße das“?

Breuer: Konzentration muss man als Tänzer haben: Wie springst du ab, wie landest du. Bei einem ganz hohen Sprung hat man für einen Moment das Glücksgefühl, in der Luft zu stehen. Wenn dann der Applaus kommt, hat man schon ein tolles Triumphgefühl. Applaus ist ja auch eine Art Lohn für uns, für all die Plackerei. Ähnliches gilt auch für die Pirouetten: je mehr du schaffst, desto größer wird der Beifall. Als ich mal an der New Yorker Met getanzt habe, stand oben im Rang bei den Variationen eine Gruppe Kubaner auf und hat mich bei jeder Drehung mehr lautstark angefeuert. Wenn mal etwas nicht so gelang, man nach der achten abschmierte, ging ein bedauerndes „Oh“ durch den Zuschauerraum. So oder so: Tanzen gab mir immer ein Glücksgefühl und ich habe sogar das Training genossen. Und diese Freude erlebe ich heute mit meinen Ballett und meinen Choreografien. Tanz ist für mich noch immer etwas Großartiges: Mit Geschichten und Emotionen das Publikum mitten ins Herz treffen.

Sie waren als Solotänzer ein umschwärmter Künstler: Nach jeder Vorstellung regnete es Blumen, an den Bühnenausgängen warteten die Autogrammjägerinnen nach dem „Schwanensee“ auf ihren Prinzen Siegfried. Was ist das für ein Gefühl?

Breuer: So viel Applaus, Jubel und Anerkennung sind natürlich die schönste Belohnung, und wenn es Blumen regnet, ist es dreimal so schön. Und zu den Fans: In München stand immer ein 17-jähriges Mädchen am Bühnenausgang, sie besuchte jede meiner Vorstellungen. Ich verließ München, wir verloren uns aus den Augen. Nach fast 30 Jahren traf ich sie vor vier Jahren wieder. Jetzt ist mein größter Fan von damals meine Lebenspartnerin. Das ist eine Geschichte, was?

1988 beendeten Sie Ihre Karriere als Tänzer, wohl wegen Gelenkproblemen. Als letzte Vorstellung verabschiedeten Sie sich in der Münchner Staatsoper mit dem „Onegin“. Hier hatte Ihre Karriere begonnen. Dann das Finale. Schlussakkord im Orchester. Vorhang. Was geschah dann?

Breuer: Zuerst nahm mich die Ballerina Natalja Makarova in die Arme, da habe ich schon geheult. Sie war meine Wunschpartnerin für diese allerletzte Vorstellung und kam extra aus New York.

Vor dem Vorhang war was los: Stürmischer Beifall für 20 Minuten, Bravorufe, ein Blumenmeer. Und ich allein vor dem Vorhang. Wunderbar, ein Traum. Doch dann kam der Moment, wo ich wusste: „Jetzt ist's vorbei, ein Teil deines Lebens ist für immer vorbei“. Diese Abschiedsvorstellung war wunderbar und schrecklich zugleich. So was behält man im Herzen.

Was hatten Sie da für Pläne für Ihr weiteres Leben, Sie waren ja gerade 42 Jahre alt, etwas früh für einen Vorruhestand?

Breuer: Ich hatte ja schon vorher verschiedene Choreografien für große Compagnien geschrieben. Außerdem habe ich mir in Niederbayern einen alten Bauernhof mit Pferden gekauft, ihn durch einen Reitplatz und Swimmingpool erweitert. Jetzt wollte ich die Ruhe genießen. Doch schon nach drei Monaten ist mir furchtbar langweilig geworden.

Dann kam der rettende Anruf aus Salzburg?

Breuer: Ja, man bot mir beim Landestheater Salzburg die Stelle als Ballettdirektor und Choreograf an. Ich habe mir das mal angeschaut und gedacht, das mach ich mal. Und dann ging's los: Ich habe die Compagnie auf 16 Tänzerinnen und Tänzer aufgestockt, heute sind es alle erstklassige Solisten. Wir sind eine große Familie, wir vertrauen und lieben uns, es ist grandios. Die Zahl der Ballette pro Saison wurde verdoppelt und ich konnte mir nach und nach die Wertschätzung nicht nur des Salzburger Publikums erarbeiten. Einer der vielen Höhepunkte: Bei meinem „Schwanensee“ kam es zu einer Zusammenarbeit mit der Bolschoi Ballettschule in Brasilien, wo ich vor Ort aus der Abschlussklasse die mir fehlenden Tänzerinnen der zwölf Schwäne für vier Monate nach Salzburg holte.

Und außergewöhnliche Pläne für die Zukunft?

Breuer: Die gibt es. Meine Produktion „Carmen“ konnte ich an eine große Ballettcompagnie in Kuba verkaufen. Ich werde meine Choreografie dort im Herbst mit dem kubanischen Ensemble einstudieren, 2018 wird das dann in Europa zu sehen sein. Vielleicht in Schweinfurt? Sie sehen, wir haben schon noch Pläne. Mir macht die Arbeit so viel Freude, warum sollte ich aufhören?

 
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