Sie haben alle klein angefangen. Wer aber einmal vom Seifenkistensport infiziert ist, bleibt offenbar lebenslang infiziert und fasziniert. Jetzt stehen sie als Opa, Oma, Papa, Mama, Bruder oder Schwester der nächsten Fahrer-Generation bei.
Die Kisten haben sich zum Großteil in Hightech-Boliden verwandelt, die Tipps sind die gleichen geblieben wie: „Mir erging es bei meinem ersten Rennen genauso. Fahre beim nächsten Mal möglichst gerade, auch wenn ein Kanaldeckel kommt.“
Der Traum von der Deutschen Meisterschaft
Am Sonntag führte die Motorsportvereinigung zum 63. Mal in ununterbrochener Reihenfolge seit 1955 ihr Rennen durch. Es hat damit bundesweit die längste Tradition. Kein Wunder, dass Markus Braun als Bundesvorstandsmitglied im Deutschen Seifenkisten-Derby-Verein und Regionalleiter für Bayern, eine Deutsche Meisterschaft in Gerolzhofen als Austragungsort vorschwebt.
Während der Nürnberger die Vorbereitungen für das Rennen seiner Kinder trifft, lässt er den Reporter wissen: „Wir würden uns wünschen, dass die Stadt einsteigt, um die Veranstaltung hier haben zu können. Es wäre mein großer Traum.“ Und er fügt hinzu: „An den Kosten lässt sich sicher schrauben.“
Markus Braun ist aus Verbundenheit Mitglied in der Motorsportvereinigung und einst schon selbst auf der Strecke am „Berliner Ring“ gegen den Gerolzhöfer Marco Reinstein gefahren, der am Sonntag seine Feuertaufe als Rennleiter bestand.
Marco Reinsteins Einstand
Das Wetter zeigte sich dem „Neuen“ gegenüber sehr gewogen. Es blieb trocken und am Nachmittag blinzelte sogar ab und zu die Sonne durch die Wolken. Auch sonst gab es keine Probleme oder Unfälle beim Einstand des Nachfolgers von Otmar Haub.
Unterstützt wurde Marco Reinstein bei seiner Premiere von zahlreichen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern auf der Strecke sowie hinter den Kulissen. Ohne all die guten Geister wäre die Organisation und Durchführung der Traditions-Veranstaltung nicht möglich.
Die große Seifenkisten-Familie
Seifenkistenfahrer sind, wie erwähnt, eine große Familie. So traten wie einst die Väter jetzt die Töchter von Marco Reinstein und Markus Braun in der Seniorenklasse aufeinander. Die ersten Kisten mit den ohne jegliche Motorkraft und Gaspedal abwärts rollenden Rädern hatten die Großväter gebaut.
Das 63. Derby zählte als Lauf zur Bayerischen, Baden-Württembergischen und erstmals auch zur Hessischen Meisterschaft. Dazu wurde traditionell die Stadtmeisterschaft auf dem eigens zwischen Wiebelsberger und Dingolshäuser Straße gesperrten Teilabschnitt der am Baugebiet Kapellberg vorbeiführenden Berliner Straße ausgefahren.
360 Meter geht es in verschiedenen Klassen den Berg hinunter
Entsprechend der Konstruktionsform sowie des Alters der Teilnehmer ab sechs Jahre sind die Seifenkisten in verschiedene Klassen eingeteilt. Jeweils zwei Fahrer werden gemeinsam von der Startrampe auf die 360 Meter lange Strecke gelassen. Bei ungerader Starterzahl muss ein Fahrer notfalls ohne Gegner alleine nach unten rollen.
Das muss kein Nachteil sein. Die Platzierungen in den einzelnen Klassen werden ohnehin aufgrund der bei den Rennläufen per Lichtschranke gemessenen Zeiten ermittelt.
Bei der Stadtmeisterschaft gelten andere Regeln
Eine Ausnahme macht nur die Stadtmeisterschaft. Hier geht es darum, die zwei Läufe möglichst in der gleichen Zeit hinunterzubringen. Die geringste Zeitdifferenz gibt den Ausschlag. So haben alle die gleiche Chance.
Das Gros der 42 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kam aus Gerolzhofen und der näheren Umgebung, sowie aus dem Raum Nürnberg und Sindelfingen. Aber selbst aus der Bundeshauptstadt hatte sich mit der „Power Crew Berlin“ ein Rennstall auf den weiten Weg nach Unterfranken gemacht.
Es darf aufgewogen werden
Begonnen hatte der Tag nach der Registrierung der Starter mit der Inspektion der Seifenkisten inklusive Wiegen und Bremstest. Bei den Junioren sind inklusive Fahrer 90 Kilo, bei den Senioren 113 Kilo und in der XL-Klasse gar 140 Kilo zulässig.
So wird beim Wiegen zwecks der Chancengleichheit noch eifrig mit vorne in der Spitze auf Schrauben befestigten Blei- oder Stahlplättchen das Gewicht der Seifenkiste austariert, bis die Ansage im Mess- und Prüfstand dann zum Beispiel endlich heißt: „90 Kilo genau.“
Die Räder werden ausgelost
Entscheidend sind jedoch die Räder. Sie werden deshalb vom Verband gestellt und den Teilnehmern zugelost. Die gleiche Laufleistung und Gummihärte sorgen bei aller Tüftelei der Kistenkonstrukteure für gleiche Chancen auf dem Asphalt.
Bei der Fahrerbesprechung an der Startrampe gab es die letzten Instruktionen von Marco Reinstein. Dann wurde es ernst. Die Trainings- und Wertungsläufe begannen.
Dazu wurden die ersten von Streckensprecher Jürgen Wagner angekündigten Starter von Konrad Haub an der Mechanik zum Absenken der Startklappen nach der letzten Überprüfung der Bremsen abgelassen.
Die Siegerehrung auf der Kartbahn
Den Abschluss bildete die Siegerehrung im Vereinsheim der Motorsportvereinigung auf der Kartbahn.
Die Schirmherrschaft hatte wieder Gerolzhofens Bürgermeister Thorsten Wozniak übernommen. Er war es auch, der mit Rennleiter Marco Reinstein und MSVg-Vorsitzenden Konrad Haub den stolzen Gewinnern und Gewinnerinnen die Pokale und Urkunden überreichte.
Die Ergebnisse
Ergebnisse der Läufe mit bayerischer Beteiligung:
Schnupperklasse Junioren: 1. Sarah Brandt (Volkach), 2. Leander Schmincke (Gerolzhofen), 3. Selina Kühl (Schonungen).
Juniorenklasse (Lauf zur bayerischen Meisterschaft): 1. Jana Brandt (Volkach), 2. Carlos Reinstein (Gerolzhofen), Johannes Kriegelstein (Nürnberg), 4. Samuel Kunkel (Haßfurt).
Seniorenklasse (Lauf zur bayerischen Meisterschaft): 1. Stella Schrüfer (Cadolzburg), 2. Alma Trenkle (Nürnberg), 3. Marie Reinstein (Gerolzhofen).
Stadtmeisterschaft: 1. Marie Reinstein (Gerolzhofen), 2. Sarah Brandt (Volkach), 3. Leander Schmincke (Gerolzhofen), 4. Selina Kühl (Schonungen), 5. Jana Brandt (Volkach), 6. Carlos Reinstein (Gerolzhofen), 7. Samuel Kunkel (Haßfurt).
Elite XL (Lauf zur bayerischen Meisterschaft): 1. Sebastian Strohmaier (Emskirchen).
Schnupperklasse Senioren: 1. Torsten Boll (Nürnberg).
DSKD Open: 1. Leander Eisen (Markt Taschendorf).
Rennstrecken und Rennleiter
Die ersten Seifenkistenrennen der Motorsportvereinigung fanden von 1955 bis 1962 auf der Gefällstrecke zwischen Dingolshausen und Gerolzhofen statt. Die Zuschauer säumten damals in Massen die Rennstrecke.
Von 1963 bis 1970 rollten die Seifenkisten in der Schallfelder Straße bergab: Zunächst im unteren Bereich, vom Amtsgericht bis zur Firma Reuß. Von 1971 bis 1980 dann von weiter oben vom Kreisbauhof bis zum Amtsgericht.
1981 erfolgte der Umzug ins damalige Neubaugebiet am Kapellberg, wo das Spektakel noch heute auf der Berliner Straße stattfindet. Jetzt am Sonntag war es zum 63. Mal.
Als Rennleiter fungierten Karl Kern, Josef Süß, Ernst Jung, Hans Pfaff, Ludwig Marschall, Wolfgang Lustig, Werner Ach, Kurt Vetter und Konrad Haub, dessen Erbe jetzt Marco Reinstein angetreten hat. novo