Der Gerolzhöfer Stadtrat musste sich in seiner jüngsten Sitzung, die am Montagabend wegen der Corona-Pandemie erneut in der Stadthalle stattfand, nochmals mit dem Bauprojekt in der Bleichstraße 6 beschäftigen. Denn aus dem geplanten Umbau des Hauses wurde inzwischen ein kompletter Neubau. Wer dachte, dass das Thema in wenigen Minuten durch ist, sah sich getäuscht. Der Stadtrat diskutierte sage und schreibe 45 Minuten nur über diesen einen Bauantrag.
Die neuen Eigentümer des teilweise unter Denkmalschutz stehenden Wohnhauses planten zunächst, das um 1700 entstandene vordere Gebäude zu sanieren, aufzustocken und den später entstandenen modernen hinteren Anbau abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Die alte Vierung des Hauses sollte - wie vor über einem Jahr berichtet - stehenbleiben und der hübsche Fachwerkgiebel wiederverwendet werden. Ziel des Umbaus war es, die Raumhöhe in den Zimmern des Gebäudes den Bedürfnissen der heutigen Zeit anzupassen. In Absprache mit dem Amt für Denkmalschutz sollten aus optischen Gründen statt Dach-Einliegefenster vier Schleppgauben im Satteldach entstehen.
Bereits Ende Februar 2019 erteilte der Stadtrat ohne größere Diskussion das gemeindliche Einvernehmen zu den vorgelegten Umbauplänen. Und zwar einstimmig.
Mauern zu marode
Nach Beginn der Baumaßnahme stellte sich dann allerdings heraus, dass das Gebäude eine marode Bausubstanz aufweist. Ein Aufstocken auf die alten Vierungsmauern kam aus statischen Gründen nicht mehr in Frage. Die Bauherren konnten allerdings den historischen Fachwerkgiebel noch in einem Stück ausbauen und für die Wiederverwendung zur Seite stellen.
Als bei den Abbrucharbeiten dann auch die Grundmauern des vorderen, unter Denkmalschutz stehenden Hauses beseitigt wurden, habe es "einige Aufregung" gegeben, berichtete Bürgermeister Thorsten Wozniak am Montagabend dem Stadtrat. Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege und des Landratsamts Schweinfurt (Untere Denkmalschutzbehörde) hatten anschließend mit den Bauherren einen Vor-Ort-Termin. Dabei wurde festgehalten, so Wozniak, dass das Bauprojekt jetzt kein bloßer Umbau mehr sei, sondern ein kompletter Neubau. Und für den Neubau sei ein neuer Bauantrag mit baurechtlicher Genehmigung erforderlich.
Neuer Bauantrag
Dieser Bauantrag lag nun dem Stadtrat vor. Das neue Wohnhaus nimmt die äußere Gestaltung des historischen Ursprungshauses weitestgehend auf, was Außenmaße, Dachform und Dachneigung anbelangt. Die Firsthöhe wird allerdings etwas angehoben, so dass die Wohnräume eine der neuen Zeit angepasste Raumhöhe erhalten. Entlang der östlichen und westlichen Dachflächen entstehen, wie bereits beim ersten Planentwurf vom Februar 2019, vier Gauben.
Im Wohngebäude entstehen zwei getrennte Wohneinheiten. Entlang der westlichen Grundstücksseite wird eine Doppelgarage mit Abstellraum errichtet. Die Garage erhält ein Satteldach. Die zwei rechnerisch erforderlichen Stellplätze werden also auf dem eigenen Grundstück bereitgestellt. Die bislang geschlossene Straßenfront entlang der Bleichstraße bleibt auch künftig erhalten, teilweise durch vorhandene Einfriedungselemente in Kombination mit einem neuen Holztor.
Die baurechtliche Prüfung der in diesem Zusammenhang einzuhaltenden Abstandsflächen zu den beiden modernen Nachbar-Gebäuden zu beiden Seiten obliegt dem Landratsamt Schweinfurt als Baugenehmigungsbehörde, ebenso wie die Zulässigkeit von Fenstern im Bereich der Grenzbebauung.
Fehlende Nachbarunterschrift
Den Bauplan haben nicht alle Nachbarn unterschrieben. Dies veranlasste Stadtrat Günter Iff (Freie Wähler), doch tiefer in das Thema einzusteigen. Da es in dem Bereich an der Bleichstraße keinen Bebauungsplan gibt, müsse man prüfen, ob der Neubau sich in das bestehende Ensemble einfüge. Er vermisse diesbezüglich eine "Visualisierung", kritisierte Iff. Außerdem stelle sich die Frage, ob die Dachgauben "möglicherweise die Nachbarn einschränken". Auch Thomas Vizl (Geo-net) sagte, er tue sich schwer zuzustimmen wegen fehlender Nachbar-Unterschriften, weil es "möglicherweise wegen der Gauben auf der Ostseite Probleme geben könnte".
Bürgermeister Thorsten Wozniak betonte, für die von Günter Iff vorgetragenen Bedenken sei nicht die Stadt Gerolzhofen, sondern das Landratsamt als Genehmigungsbehörde zuständig. Es sei für die Stadt rechtlich nicht relevant, ob Unterschriften von Nachbarn fehlen oder nicht.
Unterschrift keine Voraussetzung
Zur rechtlichen Situation: In der Tat ist nach dem bayerischen Baurecht ein Bauherr nicht auf die Nachbar-Unterschrift angewiesen, weil die Unterschrift keine Voraussetzung für die Baugenehmigung ist. Die Baugenehmigung wird vom Landratsamt dann erteilt, wenn die baurechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Die Unterschrift eines Nachbarn gehört aber nicht zu diesen Voraussetzungen. Umgekehrt bedeutet die geleistete Unterschrift des Nachbarn allerdings, dass er dadurch auf rechtlichen Widerstand gegen das Bauprojekt verzichtet. Der Nachbar kann, wenn er vorab unterschrieben hat, gegen die Baugenehmigung des Landratsamts dann nicht mehr mit Rechtsmitteln vorgehen.
Fortbildung angeregt
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU, Burkhard Wächter, begrüßte den Bauantrag in der Bleichstraße und signalisierte Zustimmung für seine Fraktion. Gleichzeitig regte er an, eine Schulungsveranstaltung für den Stadtrat zu veranstalten, wo man sich über die rechtliche Bedeutung fehlender Nachbar-Unterschriften nach Artikel 66 der Bayerischen Bauordnung fortbilden könne. Bedarf sei gegeben, weil in den vergangenen Sitzungen das Thema von fehlenden Unterschriften regelmäßig aufgetaucht sei und für Diskussionen gesorgt habe.
Christoph Rosentritt (CSU) ergänzte, der jetzt eingereichte Bauantrag sei praktisch identisch mit den damaligen Umbauplänen, denen der Stadtrat 2019 noch einstimmig zugestimmt hatte. "Die Firsthöhe ist gleich geblieben, die Fenster sind gleich und die Gauben wurden deshalb so geplant, weil es der Denkmalschutz so will."
Klare Zustimmung
Zweiter Bürgermeister Erich Servatius betonte für die SPD-Fraktion, die Bauherren würden mit dem Amt für Denkmalschutz in Verbindung stehen. Das Amt prüfe dabei auch den von Iff in Frage gestellten Ensembleschutz, deshalb könne man als Stadt den Plänen zustimmen.
Die Abstimmung nach einer Dreiviertelstunde Diskussion ging dann eindeutig aus: Mit 18:3 Stimmen erteilte der Stadtrat sein gemeindliches Einvernehmen. Gegen den Neubau stimmten lediglich Günter Iff und Martin Zink (Freie Wähler) sowie Kerstin Krammer-Kneißl (Geo-net).
Es hat nichts mit dem Ergebnis der Abstimmung zu tun, ob für oder gegen den Bau, die Frage ist wie die Abstimmungen abgehalten werden.
Die Stadtratswahl ist eine Personenwahl, wann wird dies endlich auch praktiziert?
Es ist sehr enttäuschend zu lesen, dass Stadtrat Wächter für seine Fraktion eine Zustimmung signalisiert und SPD Servatius für seine Fraktion stimmt.
Stadträte - wann habt ihr endlich eine eigene Meinung!!!
Vorbildlich dafür sind die Stadträte von Geo-net und Freie Wähler die sich trauen nicht im Fraktionszwang mit abzustimmen! Weiter so! Ich sage nur "bunte Mehrheit" wäre die Zukunft!