Für Gerhard Weigand ist sie nicht nur die größte Jugendstrafanstalt im Freistaat, sondern „die interessanteste Anstalt in Bayern überhaupt“, wie er bekennt. Seit Oktober 2010 ist der gebürtige Gerolzhöfer und Nachfolger von Renate Schöfer-Sigl hier mittlerweile der Anstaltsleiter und Chef von insgesamt rund 230 Bediensteten. In der JVA Ebrach sind durchschnittlich 300 junge Strafgefangene im Alter zwischen 17 und 24 Jahren untergebracht.
Selbst sieht sich der 50-Jährige gar nicht so gern als „klassischer Anweiser“ und schon gar nicht im Vordergrund, auch wenn sich das natürlich nicht immer vermeiden lässt. Nicht aus Untertreibung oder vornehmer Zurückhaltung. Nein, zu vielschichtig seien einfach die Aufgaben, die es hier zu meistern gelte, und bei deren Bewältigung er ohne die Unterstützung der Fachleute als reiner Jurist überfordert sei, so der 50-Jährige.
In der Tat reichen die Aufgaben des Anstaltsleiters von Management-Aufgaben wie in einem Betrieb in der freien Wirtschaft, dem Personalwesen und der allgemeinen Organisation über das Haushaltskassen- und Rechnungswesen bis hin zur Kommunikation nach innen und außen sowie der Repräsentation.
Als Besonderheit kommen in Ebrach, bedingt dadurch, dass die JVA im ehemaligen Zisterzienserkloster und damit in einer historischen Bausubstanz untergebracht ist, die damit verbundenen Baumaßnahmen unter dem Aspekt des Denkmalschutzes dazu (siehe gesonderten Bericht auf dieser Seite).
Weigand ist es ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass in einer Strafanstalt wesentlich teamorientierter gearbeitet wird und werden muss als in klassischen Behörden. Der Grund: In vielen Fachfragen, wie etwa dem ärztlichen, psychologischen, dem von Sozialarbeitern und Sozialpädagogen geleisteten sozialen Dienst oder dem Werkdienst in den einzelnen Handwerksbetrieben innerhalb der Gefängnismauern fehlten ihm einfach die Kompetenz und das spezielle Fachwissen.
Gerhard Weigand: „Ich bin Jurist und damit zum Beispiel in Fragen der Waffen- und Sicherheitstechnik kein Fachmann, ebenso wenig wie ich ein Schlosser- oder Schreinermeister bin, um nur einige Beispiele von vielen zu nennen.“
Sein juristisches Fachwissen beschränke sich im Grunde genommen nur auf einen kleinen Teilbereich der Verwaltung, aber selbst da sei er noch auf die Beratung und Unterstützung der Mitarbeiter angewiesen, wenn es etwa um das Kassen- oder Haushaltswesen gehe.
So müsse er sich im Wesentlichen beim Personal auf Belange der Dienstaufsicht wie die Einhaltung der Arbeitszeit beschränken. Gerhard Weigand: „Allein schon deshalb bin ich nicht der klassische Anweiser.“ Vielmehr gehe es darum, im Team und in der gemeinsamen Diskussion gangbare Lösungen und sinnvolle Konzepte für jeden einzelnen Gefangenen zu erarbeiten, um seine persönlichen, schulischen oder beruflichen Defizite aufzuarbeiten.
Die Teamorientierung ist ein wesentlicher Grund, warum Gerhard Weigand im Justizvollzugsdienst und nicht im allgemeinen Justizdienst oder in einer Rechtsanwaltskanzlei gelandet ist. Sie ist ihm quasi in die Wiege gelegt worden, denn daheim in Gerolzhofen ist er in einer Großfamilie mit fünf Geschwistern und der Tante im Haus sowie reichlich Onkels und Tanten sowie Cousins und Cousinen aufgewachsen.
Und Gerhard Weigand hat sich hier trotz seiner Jugend früh in Vereinen und Verbänden der Stadt eingebracht und Verantwortung übernommen. Sei es als Fußballer beim FC, als Leichtathlet im Turnverein oder als Ministrant und als Gruppenleiter in der kirchlichen Jugendarbeit bei der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) oder den Pfadfindern.
Großen Wert hat Gerhard Weigand von Anfang an in seinem Leben auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit gelegt. So hat er schon relativ früh vor dem Abitur damit begonnen, durch Ferienjobs und Aushilfstätigkeiten am Wochenende den eigenen Lebensunterhalt zu finanzieren. Dies auch noch während seines Zivildienstes oder Studiums. Sei es auf dem Bau, in der Fabrik, als Schulbusfahrer, Krankenpflegehelfer oder Tontechniker für Bands aus der Musikszene, Gerhard Weigand war sich für nichts zu schade.
Nur im letzten Semester seines Jurastudiums hat er ein Studienabschlussdarlehen in Anspruch genommen, um sich konzentriert auf die Abschlussprüfung vorbereiten zu können. Da er ein „Prädikats-Examen“ hinlegte, musste er das Darlehen am Ende nur zum Teil zurückzahlen.
Nach der Zeit als Rechtsreferendar in Würzburg und Schweinfurt sowie dem zweiten Staatsexamen hatte sich Gerhard Weigand in mehreren Bundesländern für den allgemeinen Justizdienst beworben, um Richter oder Staatsanwalt zu werden.
Am schnellsten habe das Justizministerium in Stuttgart reagiert und ihm eine Stelle im Justizvollzugsdienst als weiterer stellvertretender Leiter in der JVA Heilbronn mit der Option zum Wechsel in den allgemeinen Justizdienst angeboten. So kam er danach zur Staatsanwaltschaft in Heilbronn und zum Sonderdezernat Wirtschaftskriminalität.
Den Ausschlag für den Wechsel zurück in den Justizvollzug im heimatlichen Bayern hätten zwei Gründe gegeben. Zum einen habe ihn diese Aufgabe mehr gereizt als die Tätigkeit bei der Staatsanwaltschaft oder bei Gericht.
Gerhard Weigand: „Dort geht es ausschließlich um abgeschlossene Sachverhalte, wobei die Arbeit im Justizvollzug mehr gestaltend und in die Zukunft ausgerichtet ist, um die Strafgefangenen in die Gesellschaft zurückzuführen. Das ist in meinen Augen wesentlich reizvoller, interessanter und spannender, gerade wegen der Bereiche, die über das rein Juristische hinausgehen.“
Der zweite wesentliche Grund, der für die Rückkehr nach Bayern mit ausschlaggebend war, sei gewesen, dass seine Frau, eine Grundschullehrerin, nach der Elternzeit zurück in den Schuldienst wollte. Seitdem lebt die Familie, zu der zwei Söhne zählen, im Raum Würzburg.
Als sich nach den Wanderjahren, in denen er verschiedene Strafanstalten und zuletzt das Justizministerium in München kennen lernte, für ihn die Chance ergeben habe, im Oktober 2010 die Stelle als Anstaltsleiter in Ebrach zu übernehmen, habe er deshalb die Gelegenheit „sehr gerne genutzt“.
Er bekennt: „Ich fühle mich hier wohl. Der Steigerwald ist ein Stück meiner Heimat. Die gleiche Sprache zu sprechen wie die Leute hier, ist zudem eine gute Basis, um mit den Mitarbeitern zurechtzukommen.“
Darüber hinaus habe er sich auch deswegen hierherbeworben, weil er aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als stellvertretender Anstaltsleiter von 2002 bis 2004 wusste, dass er hier auf ein gutes und hoch motiviertes Leitungsteam treffe, „wo es einfach passt“.
Gerhard Weigand: „Meine Hoffnungen und Erwartungen haben sich, seitdem ich wieder hier in Ebrach bin, voll und ganz bestätigt.“
Gerhard Weigand
Der Leiter der JVA Ebrach begann seine Laufbahn im Justizdienst nach dem 2. Staatsexamen am 1. Februar 1995 in Baden-Württemberg als weiterer stellvertretender Anstaltsleiter in der JVA Heilbronn. Anschließend kam er zum Sonderdezernat Wirtschaftskriminalität der Staatsanwaltschaft Heilbronn.
Zum 1. Oktober 1998 wechselte der gebürtige Gerolzhöfer nach Bayern an die Justizvollzugsanstalt Würzburg. Als er sich für die Stelle des Leiters der Straf- und Untersuchungshaft-Abteilung beim Aufbau der neuen JVA am Wöllrieder Hof bewarb, wollte man ihn im Justizministerium zunächst gar nicht nehmen, da man dachte, er käme aus dem reinen Justizdienst. Erst der Hinweis „Bitte nicht auflegen, ich war schon im Gefängnis“ machte den Weg frei.
Nachdem der Jurist ab 1. September 2002 zwei Jahre lang als Vertreter der Anstaltsleiterin in der Justizvollzugsanstalt Ebrach gewirkt hatte, übernahm er 2004 die Leitung der Justizvollzugsanstalt in Aschaffenburg.
Nach fünfjähriger Tätigkeit als dortiger Anstaltsleiter folgte der Regierungsdirektor zum 1. Juni 2009 dem Ruf vom Main an die Isar in das Bayerische Justizministerium, um als Leiter das für alle Justizvollzugsanstalten im Freistaat zuständige Referat für Sicherheitsfragen und -angelegenheiten im Justizvollzug in München aufzubauen.
Seit 1. Oktober 2010 leitet der 50-jährige Regierungsdirektor als Nachfolger von Renate Schöfer-Sigl die Justizvollzugsanstalt Ebrach. Text: novo