Kosten für eine Prostata-Krebs-Therapie, die ihm die AOK nicht erstatten will, hoffte ein Patient auf dem Umweg über den 20. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts, Zweigstelle Schweinfurt, zu bekommen. Es ging um 13 110,33 Euro und eine Behandlungsmethode, deren Erfolge - so das Gericht, wie zuvor die AOK und das Sozialgericht Würzburg - nicht wissenschaftlich belegt sind.
"Aber deswegen lebe ich doch noch", rief der Kläger, dem Mediziner im Jahr 2013 "höchstens noch sechs Monate" gegeben hatten. Und der Vorsitzende Richter sagte zu der Erfolgsmeldung aus Kläger-Sicht: "Darum geht es nicht." Juristisch war alles, was gegen den Patienten vorgetragen wurde, "astrein", zu belegen und nachzuvollziehen, menschlich betrachtet war es für die Betroffenen wieder mal ein "schwarzer Tag" mit permanentem Anlass zum Kopfschütteln und knapp an der Grenze zu "Wutausbruch oder drauflos heulen".
Kein Anspruch auf alternative Behandlungsmethode
Die Nerven waren zusätzlich strapaziert, weil die für 11 Uhr angesetzte Verhandlung erst um 12.35 Uhr aufgerufen wurde. Solange saß Kläger Richard Freibott aus Steinach (Lkrs. Bad Kissingen) mit Ulrike Dempsey, Lebensgefährtin und Bevollmächtigte, im Landessozialgericht auf dem Flur, in einer Tragtasche zwei Aktenordner , aber die haben sie ganz umsonst mitgebracht. Die Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Würzburg wurde als unbegründet zurückgewiesen, Anspruch auf eine alternative Behandlungsmethode habe der Kläger nicht. Für den verspäteten Beginn der Verhandlung hat sich der Vorsitzende entschuldigt, das Verfahren vorher habe erheblich länger gedauert als angenommen.
Die AOK verweigerte Freibott die Behandlungskosten mit Hinweis auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK): Die Entscheidung des Klägers, sich mit alternativen Heilmethoden behandeln zu lassen, sei zwar aus seiner Sicht verständlich und nachvollziehbar, eine Kostenübernahme sei jedoch nicht möglich, da ein sicherer Wirksamkeitsnachweis der Alternativtherapie nicht vorliege.
Im Jahr 2015, so der Kläger und sein Anwalt Jörg Fritsch vom Bezirksverband des VdK, sei von behandelnden Medizinern als letzte Möglichkeit - weil ein Prostata-Krebs nicht mehr zu therapieren sei - eine palliative Therapie zur Schmerzminderung empfohlen worden. Aber sterben wollte Freibott noch nicht und so kam es zu einer Ganzkörperhyperthermie-Behandlung, bei der Krebszellen, so wird behauptet, durch Hitzeeinwirkung zerstört werden.
Lebensversicherung für die Behandlungskosten aufgebraucht
Auf der Suche nach Unterstützung haben Freibott und Dempsey sich auch an die Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär (CSU) gewandt. Aber: Auch deren Mail an die Vorstandsvorsitzende der AOK in Bayern, Dr. Stippler, hat nichts gebracht, obwohl die Bundesministerin sehr ausführlich auf die gesundheitliche Situation von Freibott eingegangen ist und die wirtschaftliche. Ersparnisse, unter anderem auch eine Lebensversicherung, wurden für die Behandlungskosten "zum Überleben" aufgebraucht, und inzwischen gehe es "an die Substanz".
Die ganze Brisanz des Rechtsstreits wird an einem zugegeben etwas langen Satz in der Bär-Mail deutlich. Einem Zitat, das die Abgeordnete der AOK-Chefin ans Herz legte mit der Bitte, die Angelegenheit noch einmal zu überprüfen: Es sei mit den Grundrechten aus Artikel 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip nicht vereinbar, "einem gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernte liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht".
Ein Widerspruch, der vor Gericht auch nicht vertieft wurde: Behandelnde Ärzte sollen Freibott vor Jahren erklärt haben, dass es keine weitere Therapie gebe, die man bei ihm noch versuchen könne. Jetzt wird ihm von der AOK und dem Gericht entgegengehalten, dass er sich für eine nicht anerkannte alternative Behandlung entschlossen habe, als die Möglichkeiten der Schulmedizin noch nicht ausgeschöpft waren.
Revision gegen die Entscheidung wurde nicht zugelassen.
Es sollte doch jedem einleuchten, daß es eine "Liste" von anerkannten Medikamenten und Behandlungsmethoden geben muß, und nur diese werden von den Krankenkassen bezahlt.
Schließlich geht es doch um das Geld der Beitragszahler, das hier ausgegeben wird!
Ich stelle mir gerade vor, wie die Kommentatoren reagieren würden, wenn hier berichtet würde, daß die Kassenbeiträge ins Unermeßliche steigen werden, nur weil irgendein Hokuspokus, irgendein Afrikanischer Woodoo-Zauber künftig von den Kassen gezahlt würde....
Und deswegen über "die Beamten", "die böse AOK", "die Profitgeier" oder gar "die BRD" usw. herzuziehen ist geradezu dümmlich.
Und wenn jemand beklagt, "die böse AOK da oben ist geizig" und nicht merkt, daß das nicht deren Geld ist, sondern das der Beitragszahler, dann ist das tatsächlich dümmlich.
Was hat das ganze zu tun mit "Herz am rechten Fleck!"? Genau: gar nichts.
(Und nein, ich arbeite nicht bei der AOK.)
Der Zynismus, mit der das Leben eines kranken und verzweifelten Menschen gegen Kosten aufgewogen wird …
oder die Selbstverständlichkeit, mit der unsere Gesellschaft diesen Zynismus praktiziert und selbst die Gerichte ihre Urteile dieser abartigen „Wertschätzung“ des menschlichen Lebens unterwerfen.
Und die Krönung ist in diesem Fall ja auch noch der (für eine Krankenkasse) geradezu absurd lächerliche Streitwert von 13.000 Euro …
Ich habe ähnliches erlebt,der AOK geht es nur um Profit und nicht um den Menschen.Heißt ja auch, Gesundheitskasse,krank werden darfst du nicht !
Da gibts nur eine Alternative ,wechseln!
Wer zahlt da bei Erfolg?