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GOCHSHEIM
Gegen die „selbstherrliche Macht“ der Männer
Nadja Bennewitz
Foto: Ursula Lux | Nadja Bennewitz
Ursula Lux
Ursula Lux
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:53 Uhr

„Heute profitieren wir von dem, wofür die Frauen vor 100 Jahren gekämpft haben“, meinte Bürgermeisterin Helga Fleischer. Der Kampf aber ging noch lange weiter, erinnerte sich Fleischer „Wir haben noch dafür gestritten, dass Frauen zuhause bleiben dürfen, wenn ein Kind krank ist. Und erst in den 1970er Jahren mussten Ehemänner nicht mehr unterschreiben, dass ihre Frauen arbeiten gehen dürfen.“

Gemeinsam mit der Gleichstellungsstelle des Landkreises lud die Gemeinde zu einem ebenso historischen wie aktuellen Abend ein. Nadja Bennewitz sprach in der Veranstaltungsreihe „Mehr Stolz ihr Frauen“ über das Thema „Frauen erobern das Stimmrecht“.

Die Historikerin arbeitet seit 1996 im Bereich der historischen Frauen- und Geschlechterforschung. Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Angestellte am „Lehrstuhl für Didaktik der Geschichte“ der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Ebenso fundiert wie abwechslungsreich und lebendig, schilderte sie mit Bild und Tonaufnahmen gewürzt, den Kampf der Frauen ums Stimmrecht.

Vordenkerinnen in der Französischen Revolution

Und der begann lange vor dem 20. Jahrhundert. „Wer hat dir die selbstherrliche Macht verliehen, uns Frauen zu unterdrücken“, fragte schon Olympe de Gouges 1789 die Männer. Im Zuge der Französischen Revolution verfasste sie 1791 die „Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin“, als Protest gegen die Männer-Privilegien, der neuen Verfassung. Olympe de Gouges wurde damit zu einer der Vordenkerinnen der europäischen Frauenbewegungen.

Diese Frauenbewegungen unterschieden sich oft wesentlich voneinander und unterstützten sich wenig, erklärte die Referentin. Da war die zahlenmäßig große und militant kämpferische Bewegung der Suffragetten in England, die für das Wahlrecht eintretenden „Frauen des Proletariats“, die der SPD nahe standen und die beiden bürgerlichen Lager, das kämpferische und das gemäßigte.

Letztere forderten beispielsweise, wie Gertrud Bäumer, „egal wie der Staat beschaffen sei“ vor allem und allein den „Kultureinfluss der Frauen zur Wirksamkeit zu bringen“. 1891 schaffen es die sozialdemokratischen Frauen, dass ihre Forderung nach einem Frauenwahlrecht ins Parteiprogramm der SPD aufgenommen wird. Was aber an ihrer Stellung und der Akzeptanz der Männer, so Bennewitz, noch lange nichts änderte.

Die frühesten politischen Rechte erhielten Frauen in Ländern wo die wenigsten Klassenunterschiede bestanden. So beispielsweise schon 1906 in Finnland, einem Land, in dem sich das bürgerliche Frauenbild nicht durchgesetzt hatte. Die Spaltung der Frauen in bürgerliche und proletarische, die im Deutschen Reich herrschte, nahm der Bewegung viel Kraft.

Politikverbot bis 1908

Dennoch brauchten alle Frauen Mut sich zu äußern und sich einzumischen, denn bis 1908 war ihnen nach dem herrschenden Vereinsgesetz jede Beschäftigung mit politischen Themen und jedwede diesbezügliche Aktion verboten.

Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland schlug am 12. November 1918 und ist dem Rat der Volksbeauftragten zu verdanken, der unter Führung von Friedrich Ebert eine demokratisch legitimierte Regierung vorbereiten wollte. „Ohne die Novemberrevolution hätte es das Frauenwahlrecht nicht gegeben“, betonte Bennewitz, das Stimmrecht der Frau war kein parlamentarischer Akt.

Auch 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts gibt es noch keine wirkliche Gleichberechtigung, wie die anschließende Diskussion zeigte. Da berichteten eine Frau davon, dass ihnen angedroht wurde nie einen Mann zu bekommen, wenn sie als Gemeinderätin tätig sei, oder eine andere, dass sie bei Gehaltsverhandlungen gefragt wurde, wozu sie so viel Geld brauche, wo sie doch verheiratet sei. 100 Jahre haben anscheinende nicht genügt, die Blockaden in so manchen Köpfen einzureißen.

 
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