So richtig angekommen in Schweinfurt ist Thomas Siebenson noch nicht. Am Dienstagabend ist er mit seiner Frau Reham und Töchterchen Alissa (dreieinhalb) von seiner Wahlheimat Kairo zurück nach Deutschland geflogen. „Alleine wäre ich vielleicht geblieben“, sagt er. Obwohl er die Lage dort als bedrohlich einschätzt. Er spricht von einer gespenstischen Situation.
Fünf Jahre hat der 33-Jährige in Ägypten gelebt und gearbeitet – als Projekt- und Hotelmanager. Er hat sich dort eine Karriere aufgebaut, viel Lebenserfahrung gewonnen. „Da unten kann man sich verwirklichen, seine Träume ausleben“, sagt er. Er hat auch gelernt, das Leben in Deutschland mit ganz anderen Augen zu sehen. „Hier schmeißen die Leute Essen einfach weg – und in Ägypten müssen sich Kinder aus Müllbergen was zu essen suchen.“
Ob die Siebensons wieder nach Ägypten zurückgehen werden – im Moment kann Thomas Siebenson das noch nicht sagen. Die Familie hatte eh vor, irgendwann wieder nach Deutschland zurückzukommen, auch wegen der Schulausbildung der Tochter. Nur haben den Zeitpunkt jetzt nicht sie, sondern die Umstände bestimmt. Thomas Siebenson kann sich in die Lage seiner Frau versetzen. Er ist in seiner Heimat, aber „meine Frau hat ihr Land verlassen“. Wenn Siebensohn über die letzen Tage spricht, merkt man ihm an, wie überraschend das alles kam. Plünderungen, Demonstrationen, Gewalt. Damit hatte niemand gerechnet. Schlangen vor Bäckereien, Geschäfte, in denen von heute auf morgen die Regale leer sind, weil die Leute in Panik eingekauft haben, wie verrückt.„Ich kann mir jetzt vorstellen, wie das in der Nachkriegszeit war.“
Seit Samstag hat der Schweinfurter regelmäßig bei der Deutschen Botschaft in Kairo angerufen, gefragt, wie die Lage ist. Mit seiner Frau hat er die wichtigsten Dokumente zusammengepackt, damit im Notfall alles beisammen ist. Und auch noch mal ein paar Pakete Reis und Nudeln gekauft. Für alle Fälle.
Gehen, bleiben? Die Entscheidung war relativ offen. Am Sonntag hatte Reham Siebenson Geburtstag. Diesmal traf sich die Familie nicht am Abend zum Essen. Ausgangssperre. „In Ägypten spielt sich das Leben eigentlich am Abend ab.“ Das Geburtstagsgeschenk für seine Frau hat Thomas Siebenson in einem Laden gekauft, der kurz darauf nur noch eine rauchende Ruine war. Dass Menschen sich so verändern, plündernd durch die Gegend ziehen: Darüber ist der 33-Jährige immer noch geschockt. Vor allem, weil er in Ägypten soviel Zusammenhalt und Hilfsbereitschaft erlebt hat.
Den Entschluss zu gehen, hat wahrscheinlich ein Schuss ausgelöst, der im Viertel der Siebensons zu hören war. Thomas Siebensohn hat seine Familie beruhigt, gesagt, das war bestimmt nur ein Kracher. Aber er hat sich in der Botschaft auf die Ausreiseliste setzen lassen. Bis zum Abflug wurde es noch etwas abenteuerlich. Bargeld zu kriegen – so gut wie unmöglich, sagt Siebenson. 50 Euro hat er noch bei einem Geldwechsler tauschen können. Die Fahrt mit dem Taxi zur Botschaft, vorbei an Bürgerwehrposten –das war angespannt.
Die Botschaft hat alles gemanagt, „die waren super“, sagt Siebenson. Und die Begrüßung des Piloten „Wir freuen uns, Sie heute nach Deutschland fliegen zu dürfen“ wird er so schnell nicht vergessen. Im Gegensatz zu Landsleuten im gleichen Flugzeug. Die haben sich beschwert, dass es auf dem Sonderflug keinen Duty-Free-Einkauf gab.