Der kleine Extraraum sieht eigentlich unspektakulär aus. Ein paar hohe Regale, darin Kanister in Pappkartons auf Europaletten. Es riecht nicht, kein Warnlicht blinkt und auf den Kisten ist ein üppig grünes Feld in idyllischer Landschaft aufgedruckt.
Hier ist gerade einmal Platz für 250 Paletten a eine Tonne, lächerlich in der modernen Logistik, und dennoch gilt das Lager als sehr groß. Denn vom Inhalt der Kartons bräuchte es nur eine sehr kleine Menge, um einen Menschen zu töten oder eine Fluss zu verseuchen. Es ist der Giftraum im neuen Gefahrstofflager von Schäflein Logistics in Röthlein.
Auf insgesamt 8000 Quadratmetern wird hier gelagert und verschickt, was zum Beispiel sehr toxisch ist oder leicht in Flammen aufgeht. Also etwa besonders giftige Pflanzenschutzmittel, Benzine, Säuren oder Schmieröle für die Industrie oder die Landwirtschaft. Im März ist das Lager in Betrieb gegangen, etwa die Hälfte der 10 000 Palettenstellplätze sind bereits belegt. Es ist das erste Lager in der Region, das den sogenannten „erweiterten Pflichten gemäß Störfallverordnung“ unterliegt. Das bedeutet etwa, dass Schäflein im Vorfeld ein Umwelt- und Sicherheitskonzept vorlegen musste. An einem Infoblatt für die Bürger wird noch gearbeitet.
Also wie schützt man die Umwelt und auch die Mitarbeiter vor den Gefahren, die von diesen Stoffen ausgehen? Beim Rundgang mit Carsten Licht, der das 8,8-Millionen-Euro-Projekt leitet, wird klar: Auf den ersten Blick sieht die Halle aus wie jedes andere Lager auch, bei genauerem Hinsehen dann nicht mehr.
Die ganze Halle ist eine Wanne
Noch am offensichtlichsten ist die Einteilung. Während andere Lager aus einem einzigen großen Raum bestehen, ist das Gefahrstofflager in sechs Bereiche eingeteilt: fünf sind Lager, in einem kommt und geht die Ware. Dicke Brandschutzwände grenzen die Räume voneinander ab. In jedem dürfen nur bestimmte Stoffe aufbewahrt werden. Der gesamte Hallenboden ist wie eine Wanne gebaut. An den Türen und den Verladetoren wölbt sich der Beton sieben Zentimeter höher auf als in der Mitte. So können ausgelaufene, gefährliche Flüssigkeiten nicht nach draußen strömen.
Auch zwischen den Räumen wölbt sich der Boden auf. Carsten Licht steht am Durchgang zu dem Raum, in dem Schäflein Gefahrstoffe der Lagerklasse 3 unterbringt. Diese Klassen stammen aus dem Regelwerk „TRGS 510“, das den Umgang mit den gefährlichen Stoffen bestimmt. Lagerklasse 3 bedeutet: brennbare Flüssigkeiten, bei denen sich schon bei einer Temperatur unter 55 Grad ein zündfähiges Dampf-Luft-Gemisch bilden kann, eine explosionsfähige Atmosphäre. Benzine gehören da dazu – und sie stapeln sich in Fässern fast bis unter die zwölf Meter hohe Hallendecke. „Wir haben bei der Feuerwehr ein Video gesehen, wie brennendes Benzin nach draußen fließt, das war heftig“, sagt Carsten Licht. Daher die Anrampungen und – noch viel bedeutender – eine extrem potente Brandschutzanlage.
Im Lagerklasse-3-Raum gibt es eine Schaumlöschanlage, die die komplette Halle innerhalb von zweieinhalb Minuten bis unters Dach mit Schaum füllen kann. Mehr als 20 000 Kubikmeter. Für die Mitarbeiter bliebe bei einem Alarm gerade einmal eine knappe Minute, sich nach draußen zu retten. Wobei es bei einem solchen Lager sowieso nicht mehr als 35 Meter bis hinter die nächste Brandschutztür sein dürfen, normal sind 50 Meter Fluchtweg zulässig.
Gasfühler prüfen permanent, ob was in der Luft liegt
16 Gaswarnfühler in Bodennähe prüfen permanent, ob sich Gase gebildet haben. In Bodennähe, weil diese Gase schwerer als Luft sind und deshalb nach unten sinken. „Deshalb ist auch die komplette Elektrik in einer Höhe ab 1,50 Meter verlegt“, sagt Licht, „damit durch einen Funken kein Gas entzündet werden könnte.“
Im Fall eines Gasalarms würden sofort die Türen schließen und eine Meldung ginge automatisch nach draußen. Denn, das ist auch noch so ein Ding bei diesem Lager, der Computer weiß hier alles. Jedes Fass und jede Palette wird erfasst. Bei der Anlieferung scannen die Mitarbeiter den Barcode an der Ware und die Software weiß sofort, was es ist, welche Gefahren es birgt und wo ein geeigneter Lagerplatz dafür frei ist. Wenn der Lagerist die Palette am zugewiesenen Platz abgestellt hat, scannt er dort einen weiteren Code. Nur wenn alles stimmt, gibt das System ihm das OK und er kann weiterarbeiten.
Die Software weiß also genau, was alles im Lager ist und wo es steht. „Das wird minütlich aktualisiert“, sagt Licht. Auch die Feuerwehren haben Zugriff auf die Daten. Im Notfall wissen sie dann, mit was sie es zu tun haben. „Auch für die Feuerwehren ist das Lager eine Herausforderung“, sagt der Projektleiter. Damit es nicht zu einem Notfall kommt, mussten alle Mitarbeiter speziell geschult werden. Fällt etwas runter und läuft aus – was in kleineren Mengen durchaus schon vorgekommen ist – wissen sie, wie mit den Anweisungen auf dem Gefahrstoff-Datenblatt umzugehen ist.
Größter Kunde: die Baywa
Der größte Kunde des Gefahrstofflagers ist derzeit mit großem Abstand die Baywa. Sie hat ihre Logistik für die Energie-Sparte komplett zu Schäflein ausgelagert, betreibt für diesen Sektor kein eigenes Lager mehr. Das ist laut Licht schon länger so, nur sei die Baywa mit dem vorherigen Dienstleister unzufrieden gewesen. Schäflein sieht im Bereich Gefahrstoffe noch großes Potenzial, zumal die Schäflein Spedition direkt nebenan liegt. Außerdem werden die gesetzlichen Vorschriften immer strenger. Passiert ein Unfall und die Lagerung war nicht korrekt, drohen empfindliche Strafen.
Unternehmen, deren überholte Lager jetzt noch Bestandsschutz genießen, werden ihn in ein bis zwei Jahren verlieren, sagt Licht. Dann stünden sie vor der Entscheidung: in ein neues Lager investieren oder auslagern. Schäflein hofft natürlich, dass sie sich für die zweite Möglichkeit entscheiden.