Mit ruhigen Worte berichtet Gustav Basedow von dem, was er und eine Handvoll weiterer Kollegen vor einigen Tagen am Neuen See östlich von Gerolzhofen erleben mussten. Am Nikolaustag waren die Mitarbeiter des Fischzuchtbetriebs Gerstner aus Obervolkach damit beschäftigt, den weitgehend abgelassenen See abzufischen. Da ist es passiert: Zwischen den zappelnden Karpfen fanden die Männer eine Rasierklinge. Nach und nach kamen weitere zum Vorschein.
Basedow leitet den Fischzuchtbetrieb. Marc von Opel ist dort der zuständige Mitarbeiter für den Neuen See, den das Unternehmen gepachtet hat – wie weitere rund 60 Seen und Teiche in Unterfranken. Das sind nicht gerade wenige. Doch einen solchen Vorfall wie am Neuen See haben sie bislang nirgends sonst erleben müssen. In keinem ihrer insgesamt rund 100 Hektar umfassenden Fischzuchtgewässer hätten sie jemals Rasierklingen oder Vergleichbares herausgefischt, berichten die beiden Mitarbeiter.
Was die Männer besonders beschäftigt: Allem Anschein nach landeten die Rasierklingen nicht zufällig im Wasser. Die Pächter des Neuen Sees gehen von einem gezielten Anschlag aus, der der Gesundheit der Fischer, die einmal jährlich die Fische aus dem Wasser holen, gefährdet hat. Und natürlich seien auch die Fische gefährdet worden.
Der erste Vorfall liegt zwei Jahre zurück
Zusätzliche Brisanz erhält der Fall dadurch, dass beim Abfischen des Neuen Sees nicht zum ersten Mal Rasierklingen auftauchten. Vor gut zwei Jahren, es war der 29. Oktober 2021, erinnert sich von Opel noch genau, stießen sie erstmals auf Rasierklingen – in noch deutlich größeren Mengen als in diesem Jahr. "Damals haben wir per Hand 65 Rasierklingen herausgelesen", erzählt Basedow.
Um zu verdeutlichen, wie gefährlich die Situation tatsächlich war, zeigt er vor Ort, was sich zugetragen hat. Ihm zufolge müsse man sich das Abfischen des Sees so vorstellen, dass sich die Fische – größtenteils Karpfen, aber auch ein paar andere Fische, etwa Hechte – an der tiefsten Stelle des Sees sammeln. Dort, am sogenannten Mönch, befindet sich der Ablauf des Sees. "Beim Abfischen tummeln sich dort im verbleibenden Wasser bis zu zehn Tonnen Fische", sagt von Opel.
Die Fische tummeln sich auf engstem Raum, im Wasser und Schlamm. Dann gelangen sie durch eine Röhre in die nicht weit entfernte Abfischgrube. Dort warten die Fischer darauf, die Fische mit Keschern aus dem Wasser zu nehmen. "In den Keschern haben wir dann die ersten Rasierklingen entdeckt", sagt Basedow. Die Klingen hingen zum Teil an den Fischleibern.
Vorfall lässt Tiere leiden
Für von Opel steht fest, dass sich Karpfen an den Rasierklingen verletzt haben. Denn so vorsichtig seine Kollegen die Rasierklingen auch entfernten: Die Fische zappelten und rieben aneinander. Die superscharfen Klingen aus Edelstahl mussten da fast zwangsläufig ins Fleisch der Fische schneiden. Die Fische litten zudem zusätzlich, da das Abfischen deutlich länger dauerte als normal, weil zuerst die Rasierklingen geborgen werden mussten.
Glücklicherweise hat sich keiner der Fischer dabei verletzt, sind Basedow und von Opel froh. "Wir mussten tierisch aufpassen", sagt Basedow. Die Rasierklingen hätten leicht Pulsadern aufschlitzen können, zumal die Fischer anfangs, bis die ersten Rasierklingen zum Vorschein kamen, ahnungslos und mit völlig ungeschützten Armen in die Kescher gegriffen hatten.
Als sie den Seegrund vor dem Ablauf kontrollierten, entdeckten die Fischer weitere Rasierklingen im Schlick. Augenscheinlich hat der unbekannte Täter die Rasierklingen dort ins Wasser geworfen. Diese Stelle, an der das Ufer betoniert und leicht zugänglich ist, nutzen im Sommer auch immer wieder Menschen zum Baden. Dies ist seitens der Pächter zwar offiziell verboten. Doch davon lassen sich nicht alle abhalten, an der tiefsten Stelle des Sees ins Wasser zu hüpfen. Je nachdem, seit wann die Rasierklingen im Wasser lagen, waren also auch Badende akut gefährdet.
Polizei sucht nach Hinweisen
Nicht zuletzt deshalb nimmt die Polizei in Gerolzhofen die Sache ernst und hat die Anzeige des Fischzuchtbetriebs auch in ihren Pressebericht aufgenommen. Die Hoffnung besteht, über mögliche Hinweise zu verdächtigen Beobachtungen der Täterin oder dem Täter auf die Spur zu kommen. Die Polizei bittet um Zeugenhinweise unter Tel. (09382) 9400.
Wie realistisch dies ist, ist schwer zu beurteilen. Zumal auch nicht bekannt ist, wie lange die Rasierklingen (Marke "Wilkinson") schon im Wasser lagen. Basedow kann hierzu nur berichten: "Die Rasierklingen, die wir vergangene Woche gefunden haben, sahen ganz frisch aus."
Um auszuschließen, dass im Schlick Rasierklingen übersehen wurden, lässt der Pächter des Sees seine Mitarbeiter demnächst den im Untergrund betonierten Bereich vor dem Mönch gründlich abspritzen und vom Schlick säubern. "Wir hoffen, dass dann alles wieder sauber und sicher ist", sagt von Opel.