Rudolf Hoch hatte einfach keine Lust, einen trockenen Bericht über eine Hunderassenschau im Gasthof „Wilder Mann“ im Jahr 1950 zu schreiben. Er setzte sich stattdessen hin und schrieb ein köstliches Gedicht in der Manier von Eugen Roth über das Verhältnis von Mensch und Hund. „Der Mensch, am Ende seines Strebens, stellt fest, dass er sich plagt vergebens, denn aus dem Dackel wird kein Boxer, kein Pudel, Pinscher und kein Foxer“, lautet eine Passage aus dem Gedicht, das die Leser des „Steigerwald-Bote“ in der Ausgabe 115 des Jahrgangs 1950 vorgesetzt bekamen.
So etwas kommt heraus, wenn ein Journalist auch gleichzeitig Künstler ist. Heute wäre diese Art von Berichterstattung natürlich undenkbar. Rudolf Hoch (geboren 1903 in Nürnberg) war der erste Redakteur oder Schriftleiter, wie es damals hieß, der kurz nach dem Wiedererscheinen der Heimatzeitung nach dem Krieg ab dem 1. September 1949 in Gerolzhofen arbeitete. Er war also auch der erste Journalist, der nach dem neuen Prinzip der Pressefreiheit walten konnte. Und davon machte er weidlich Gebrauch.
Sein kulturelles Wissen nutzte er für seitenlange Besprechungen von Auftritten des Fränkischen Theaters Schloss Maßbach oder von Operetten-Aufführungen in Gerolzhofen. Die Jahreshauptversammlung der Feuerwehr oder des Schützenvereins interessierte ihn dagegen herzlich wenig. Seinen Verleger Joseph Teutsch brachte er durch sein eigenwilliges Arbeiten manchmal zur Weißglut, manchmal auch zu tiefer Bewunderung.
Rudolf Hoch war ein Mann der Improvisation. Wenn es abends an den Umbruchtisch ging (heute sagt man Layout), und es klaffte noch irgendwo einen Lücke auf der Zeitungsseite, dann ließ sich der Schriftleiter nieder und schrieb ein kurzes, knackiges Gedicht. Oder er zeichnete eine Karikatur zu einem Tagesthema. Einfach so aus dem Stegreif. Die Seite war voll. Daran kann sich Uwe Teutsch, Sohn von Joseph Teutsch, bis heute gut erinnern.
„Ich wundere mich, woher er immer diese Zeit genommen hat“, sagt Uwe Teutsch. Die einzige Erklärung für ihn: Rudolf Hoch muss alles sehr leicht von der Hand gegangen sein.
Den Lesern, die nicht mit einer Berichterstattung einverstanden waren, brachte er unmissverständlich bei, wie man mit der Presse umzugehen hat. Direkte und persönliche Kritik, wie er sie in Gerolzhofen erlebte, waren ihm von seiner bislang vorwiegend feuilletonistischen Arbeit in größeren Städten unbekannt.
Bevor Hoch in Gerolzhofen antrat, hatte er sich bereits einen Ruf bei anderen namhaften Zeitungen gemacht. Freischaffend schrieb der gelernte Bankkaufmann in den zwanziger Jahren zunächst Beiträge für den „Fränkischen Kurier“ in seiner Heimatstadt Nürnberg, für die „Münchner Neuesten Nachrichten“ und die „Thüringer Allgemeine Zeitung“. Bei den „Geraer Nachrichten“ war er dann stellvertretender Chefredakteur, Chef vom Dienst und Feuilletonredakteur.
Nebenbei beschäftigte er sich als Grafiker, gewann mehrere Wettbewerbe auf thüringischer Landesebene. Er illustrierte Bücher und Bucheinbände. In den dreißiger Jahren kam er an die „Allgemeine Thüringische Landeszeitung“ in Weimar. Dort wohnte er im ehemaligen Hofrat Schardt'sche Haus, dem Elternhaus der Charlotte von Stein, zu der Johann Wolfgang von Goethe eine sagenumwobene Beziehung hatte.
Hoch arbeitete sich zum angesehenen Theaterkritiker empor und wurde schließlich Rezensent für Schauspiel am Deutschen Nationaltheater.
Der Zweite Weltkrieg gab der Karriere Rudolf Hochs aber eine nicht vorgesehene Wendung. Es wurde nichts mit dem Posten des Chefredakteurs bei der „Landeszeitung“. Er verlor Heim und Habe und musste sich als Evakuierter eine neue Existenz aufbauen. Erst war er Gemeindeschreiber, dann, 1949, gelang ihm endlich die Rückkehr in sein geliebtes Zeitungsmetier. In seiner Geburtsstadt Nürnberg redigierte er die „Freie deutsche Presse“, eine von den US-Besatzern lizenzierte demokratische Zeitung.
Wie aber kommt ein derart renommierter Journalist ins kleine Gerolzhofen? Es waren schlicht und einfach die Zeitumstände. Die Wohnungsnot im ausgebombten Nürnberg war groß. Und Verleger Joseph Teutsch hatte Verlockendes zu bieten: eine Wohnung in Gerolzhofen. Es war das heute nicht mehr stehende Elternhaus des Heimatdichters Franz Mittenzwey in der Steingrabenstraße. Uwe Teutsch hat noch sehr gut das Bild vor Augen, wie Rudolf Hoch mit seiner Mutter im tiefsten Winter 1950 auf dem offenen Lastwagen in Gerolzhofen angekommen ist. Die Mutter war in dicke Decken gehüllt.
Nach den vier Jahren in Gerolzhofen und einer kurzen Übergangsstation bei der „Main-Tauber-Post“ kam Rudolf Hoch zur Kitzinger Zeitung, wo er bis zu seiner Pensionierung 1968 als Chefredakteur arbeitete. Er lebte in dieser Zeit in Dettelbach, mietete sich dort im Franziskaner-Kloster eine Klause als Maleratelier an. So wie er schrieb, malte er auch. Die Bilder hatte er im Kopf. Er brauchte nur einige Anhaltspunkte. Bei ihrer Umsetzung ging es ihm nicht zuvorderst um äußere Richtigkeit, sondern um innere Wahrheit.
Rudolf Hoch starb 1979. Er war zweimal verheiratet. Lebende Nachkommen sind seine Tochter Annette Benz (Bad Kissingen) und Bernd Müller-Kaller (Dresden).
Eine Ausstellung mit Werken Rudolf Hochs, zusammengestellt von Annette Benz, läuft zurzeit im Weingut Apfelbacher in Dettelbach. Sie ist noch bis Ende August zu sehen.