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Garstadt
Garstadter Seen: Ein Paradies mit 278 Vogelarten
Die Seen-, Schilf- und Gebüschlandschaft der Garstadter Seen (Lkr. Schweinfurt) lockt Vogelfreunde aus ganz Deutschland an. Der Rundweg gewährt viele Einblicke, der Aussichtsturm gibt einen Überblick.
Foto: Anand Anders | Die Seen-, Schilf- und Gebüschlandschaft der Garstadter Seen (Lkr. Schweinfurt) lockt Vogelfreunde aus ganz Deutschland an. Der Rundweg gewährt viele Einblicke, der Aussichtsturm gibt einen Überblick.
Gerd Landgraf
Gerd Landgraf
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:18 Uhr

Harald Vorberg erwartet uns mit Fernglas, Fernrohr und Stativ auf dem Parkplatz am Vogelschutzgebiet Garstadter Seen, zu dem ein Weg gegenüber der Klostermauer in Heidenfeld von der Straße nach Hirschfeld abbiegt. Kurzweilige zweieinhalb Stunden werden wir an diesem Vormittag eines prächtigen Herbsttages bei dem „ruhigen Spaziergang“ auf dem 4,8 Kilometer langen Rundweg durch das 230 Hektar große Naturschutzgebiet erleben.

Überblick vom Aussichtsturm

Der Kreisvorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz weist sich per Armbinde als Beauftragter der Naturschutzwacht Bayern aus und bringt die Verhaltensregeln für das streng geschützte Vogelparadies auf einen Nenner: erlaubt ist ein ruhiger Spaziergang, also das Beobachten der Natur – sonst nichts, auch nicht das Verlassen des mit Pfosten markierten Weges, das Radfahren, das Führen von Hunden, Joggen oder Reiten und das Baden. Dass keine Blumen mitgenommen oder eingepflanzt werden, ist im Naturschutzgebiet eine Selbstverständlichkeit.

Auf dem kurzen Gang zum Aussichtsturm, von dem man einen perfekten Überblick über die Seen-, Schilf- und Baumlandschaft hat, den man in nur wenigen Minuten erreicht, und der oben auf der überdachten Terrasse viel Platz und eine Bank bietet, macht Vorberg auf die harte Grenze zwischen Schutzgebiet und Ackerbau aufmerksam. Ein Pufferzone fehlt, „leider“, so Vorberg.

102 Arten auf der Roten Liste

278 Vogelarten haben die Mitglieder des Landesbundes für Vogelschutz und der hier ebenfalls aktive Ornithologische Arbeitskreis gezählt: eine rekordverdächtige Summe, die Vogelfreunde aus ganz Deutschland anreisen lässt. 107 Vogelarten brüten hier, 102 der 278 Arten stehen auf der Roten Liste.

Das Paradies ist aus zweiter Hand, klärt Vorberg auf, – entstand Mitte der 1970er Jahre als Ausgleichsfläche für den Bau des nahen Kernkraftwerkes bei Grafenrheinfeld. Zuvor wurde das Gelände für den Sand- und Kiesausbau genutzt. Die frei gelegten Mooreichen, die im Untergrund geschlummert hatten, sind heute Lebensraum für Echsen und Insekten, auch für die Ringelnatter und natürlich für die Vögel.

Der Rundweg ist so angelegt, dass der Vogelfreund immer eine gute Sicht hat. Bis zum Turm sehen wir jedoch nur Allerweltsvögel, vor allem den Grünfink, aber auch keine Mountainbiker, die sich oft an nichts halten würden, sagt Vorberg.

Gebüsch verdrängt das Schilf

Doch nicht nur der Mensch stört die Natur. Manchmal macht auch die Natur der Natur das Überleben schwer. Allenthalben wächst und wuchert im Naturschutzgebiet das Gebüsch. Weiden, Erlen und Eschen drängen das Schilf zurück, weshalb alljährlich im Winter die Untere Naturschutzbehörde den Umwelttrupp des Landratsamtes schickt, der den Wildwuchs stutzt, Sichtfenster (für den Menschen) schneidet, dem Schilf und den Vögeln Lebensräume zurückgibt.

Am Aussichtsturm angekommen, berichtet Vorberg von einem seltenen Gast. Dort im Schilf hat einmal der Purpurreiher gebrütet, der als stark gefährdet gilt und eigentlich in Afrika daheim ist. Doch an diesem Freitag ruft hier nur die Wasserralle.

Den Info-Tafeln am Turm ist zu entnehmen, dass das Kerngebiet des Vogelparadieses 50 Hektar hat, dass mit den Jahren weiteres Gelände wie das Garstadter Holz dazukam, dass heute 230 Hektar unter Schutz stehen, darunter auch eine große Wiese, die sich im Frühjahr besonders farbenprächtig zeigt.

Vom grundwasser gespeist

Im dichten Unterholz haben am Aussichtsturm Blaukehlchen, Neuntöter & Co viel Unterschlupf, jedoch nicht mehr die Beutelmeise, die aus ungeklärten Gründen verschwunden ist. Meisen sind an den Grundwasserseen in nahezu allen Versionen heimisch, aber auch die Turteltaube, die noch immer in den Mittelmeerländern gefangen wird.

Der Turm wurde 2006 errichtet. Der Bau war umstritten. Gegner hatten um die Existenzgrundlage der Zwergdommel gefürchtet, die aber hier immer noch und weiterhin recht verborgen lebt und die Menschen kaum zur Kenntnis nimmt.

„75 bis 80 Prozent der Besucher gehen nur bis zum Turm“, weiß Vorberg. Das Warum ist schnell klar. Die Aussicht auf den Wehrsee, den Kleidersee, den Bananensee, den Vorderen, Mittleren und Hinteren Lakensee ist toll, ist nicht zu toppen. Auch hat man Blick auf den Schleiersee und den Ohesee – die Ruhezone, zu der kein Weg führt.

Viele Algen, wenig Sauerstoff

Aktuell sind die Seen miteinander verbunden. Anfangs waren sie dies nicht. Doch der Austausch tut dem Wasser gut, in dem nach dem trockenen Sommer heuer die Blaualgen wuchern und den Fischen den Sauerstoff nehmen.

Am lang gezogenen Bananensee (daher der Name) sind bereits die auffälligsten der Wintergäste zu betrachten: die Silberreiher, flankiert von den Kormoranen, den Haubentauchern, Zwergtauchern und der ewig schnatternden Schnatterente. Seltener zu sehen, aber oft zu hören ist der Eisvogel. Rar hat sich heuer der Fischadler gemacht, der an den Garstadter Seen auf seien Zügen nach Norden und nach Süden pausiert.

Wildschwein und Waschbär

Zu den Brutvögeln gehören der Drosselrohrsänger und die Rohrweihe. Auch Falken fühlen sich hier zuhause – ähnlich wie die Wildschweine und die Waschbären, die die Nester der Bodenbrüter plündern.

Im Winter werden wieder bis zu 300 Kormorane das Naturschutzgebiet bevölkern. Diese verbringen die Nächte jedoch nicht mehr in einer Kolonie. Die Schlafplätze liegen verstreut. Warum die großen Vögel die frühere Gemeinschaft aufgegeben haben, ist nicht geklärt.

Im Gebüsch am Bananensee mit der großen Libellenpopulation, die die Baumfalken zur Jagd anlockt, hat der Landesbund schon einmal einen für Franken absoluten Exoten beobachtet, einen Isabellwürger, der in Südostsibirien und China heimisch ist.

Zahlreich notiert sind im Beobachtungsbuch des Landesbundes alle Spechtarten – außer den Waldspechten, der Rotfußfalke, der Graureiher, Dohlen, Grauschnepfen, die Mittelmeermöwe, Löffel-, Krick- und andere Enten. Auch Kiebitze, einst ein Allerweltsvogel, sind hier noch zahlreich.

Mit dem Fernglas macht Vorberg eine Rarität aus, einen Silberreiher mit roten Beinen und schwarzen Schnabel – eine Unterart aus Osteuropa.

Wintergäste

Vorbei an Eichen, die in diesem Mastjahr schwer mit Früchten bestückt sind und an einem Exemplar, dessen Äste bis zum Boden reichen, wird der Main erreicht. Gartstadt grüßt vom anderen Ufer. Vorberg listet weitere Wintergäste auf: Gänsesäger, Zwergsäger, Seetaucher, Merlin, Rohrdommel, Entenarten und den Raubwürger. Kraniche überwintern zwar nicht an den vom Grundwasser gespeisten Seen (mit Überlauf zum Main), doch im Herbst pausieren sie hier.

Ruhig ist es im Herbst im Garstadter Holz. Am Hinteren Lakensee erzählt Vorberg von ausgesetzten Wasserschildkröten, die sich kräftig vermehren und irgendwann zu einem Problem werden könnten, den diesen schmeckt der Fischlaich vorzüglich.

Harald Vorberg geht zweimal die Woche auf Pirsch – mit Fernglas und Fernrohr.
| Harald Vorberg geht zweimal die Woche auf Pirsch – mit Fernglas und Fernrohr.
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Die Stars unter den Wintergästen sind schon da: die Silberreiher.
| Die Stars unter den Wintergästen sind schon da: die Silberreiher.
Den Fotografen bieten sich Motive am laufenden Band.
Foto: Anand Anders | Den Fotografen bieten sich Motive am laufenden Band.
 
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