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GEROLZHOFEN
Für ein Sterben in Würde
Teilnehmer der Podiumsdiskussion lehnen Straffreiheit für gewerbsmäßige Hilfe zum Suizid ab
Hospiz-Bewegung ermöglicht würdevollen Tod       -  Eine Kerze steht am Sterbebett eines Bewohners im Hospiz 'St. Hildegard' in Bochum (Archivfoto von 1998). Entstanden ist die Hospizbewegung in den 60er Jahren in England und in den USA. Ziel ist es, möglichst allen Menschen einen Schmerz- und angstfreien, würdevollen Tod in familiärer Umgebung zu ermöglichen. In Deutschland gibt es inzwischen fast 600 ambulante Hospizdienste und rund 80 stationäre Einrichtungen - doppelt soviele wie noch vor fünf Jahren. (Siehe epd-Bericht vom 13.10.2000!) DER ABDRUCK DES EPD-FOTOS IST HONORARPFLICHTIG!
Foto: Werner Krueper (epd) | Eine Kerze steht am Sterbebett eines Bewohners im Hospiz "St. Hildegard" in Bochum (Archivfoto von 1998). Entstanden ist die Hospizbewegung in den 60er Jahren in England und in den USA.
Klaus Vogt
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:00 Uhr

Es ist Herbst geworden. Das trübe Wetter verleitet zur Melancholie und beim Friedhofsbesuch an Allerheiligen kommen unweigerlich auch Gedanken hoch an den eigenen Tod. Wie werden sie sein, diese letzten Stunden? Kommt der Tod schnell und freundlich? Oder steht einem ein langes Siechtum bevor, angeschlossen an medizinische Apparate, gleichsam gefangen im Niemandsland zwischen Leben und Tod? Und bricht sich in all diesem Jammer dann vielleicht doch der Wunsch seine Bahn, es möge endlich alles vorbei sein?

Der Deutsche Bundestag wird sich am Freitag, 6. November, abschließend mit fünf eingebrachten Gesetzentwürfen zur aktiven Sterbehilfe beschäftigen. Die CSU Gerolzhofen und der Kreisverband Schweinfurt-Land nahmen dies zum Anlass, am Donnerstagabend zu einer kompetent besetzten Podiumsdiskussion einzuladen. Der große Publikumsandrang bewies: Das Thema hat Brisanz und viele emotionale Facetten.

Aktive Sterbehilfe, das heißt nichts anderes als Beihilfe beim Selbstmord einer anderen Person. Kernfrage der aktuellen Debatte ist es, ob dies wie bisher weiterhin straffrei möglich sein soll, und falls ja, unter welchen Bedingungen dies künftig noch gestattet sein soll. Wichtig: Die passive Sterbehilfe – also beispielsweise das Abstellen einer Beatmungsmaschine oder das Ende der künstlichen Ernährung – wird durch diese fünf Anträge nicht tangiert und wird auch in Zukunft erlaubt sein.

Über den Inhalt der verschiedenen Anträge und deren möglichen Auswirkungen diskutierten unter der Moderation von Beate Glotzmann der evangelische Dekan im Ruhestand Heinz Haag aus Marktsteft, Dr. Johannes Mühler (Chefarzt der Neurologischen Klinik am Leopoldina in Schweinfurt und zugleich Vorsitzender des Hospizvereins Schweinfurt), die Bundestagsabgeordnete Dr. Silke Launert (früher als Richterin am Landgericht mit Fällen zum Betreuungsrecht betraut) und die Juristin und hiesige Bundestagsabgeordnete Dr. Anja Weisgerber.

Silke Launert stellte die verschiedenen Arten der Sterbehilfe vor, würdigte deren rechtliche Folgen und ordnete die fünf vorliegenden Gesetzentwürfe ein (siehe beide Infoboxen). Weisgerber berichtete aus Berlin, die Sterbehilfe-Debatte sei sehr eindringlich geführt worden, ohne jedes parteipolitisches Gezerre. Es sei eine Gewissensentscheidung eines jeden einzelnen Abgeordneten, deshalb werde es auch keinen Fraktionszwang geben. Die fünf Anträge stammen denn auch von Abgeordnetengruppen quer durch alle Fraktionen. Sie persönlich, so Anja Weisgerber, werde für den Antrag von Brand/Frieser/Griese stimmen, mit dem die Suizidbeihilfe, wenn sie Geschäftemacherei ist, künftig geahndet wird. Denn die Suizid-Hilfevereine würden ihrer Meinung den Suizid zu stark befördern. Es dürfe nicht dazu kommen, dass – wie in der Schweiz geschehen– sterbenskranke Menschen sich rechtfertigen müssen, weil sie sich nicht für die Sterbehilfe entscheiden. Für sie, so Weisgerber, gelte der Leitsatz „Sterben an der Hand und nicht durch die Hand eines Menschen.“

Das ausdrückliche Ja zum Leben gehöre zu den Grundwerten des Christentums, sagte Dekan i.R. Heinz Haag und sprach sich damit gegen die Selbsttötung und deren Beihilfe aus. Der Mensch sei von Gott geschaffen und werde von Gott wieder abgerufen. Es sei aber nicht verwerflich, die Gaben der modernen Medizin zu nützen, um damit ein schwieriges Sterben zu erleichtern.

„Gewerbsmäßige Beihilfe zum Suizid ist verwerflich“, machte Chefarzt Johannes Mühler klar. Man lebe zwar heute in einer säkularisierten Gesellschaft, in der die Bindung zur Religion oder zu einem übergeordneten Wertesystem wegbrösele, in der es immer weniger althergebrachte Familienverbände und dafür eine hohe Zahl von Single-Haushalten gebe. Aber gerade deshalb müsse man die Frage stellen, wie man in schwierigen Situationen solidarisch miteinander umgehe. „Welche Wertigkeit hat ein behindertes, nicht perfektes Leben noch, wenn der Suizid eine allseits akzeptierte Möglichkeit wäre?“

Die fünf Gesetzentwürfe

Antrag 1 wird unter anderem von den Abgeordneten Prof. Dr. Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger (beide CDU/CSU) eingebracht und sieht künftig ein Totalverbot der Beihilfe zur Selbsttötung vor. Die Hilfe beim Selbstmord würde dann mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Dieser Antrag würde bedeuten, dass künftig die Beihilfe zu einem nicht strafbaren Delikt doch strafbar sein kann.

Antrag 2 stammt von einer Abgeordnetengruppe um Michael Brand, Michael Frieser (beide CDU/CSU) und Kerstin Griese (SPD). Sie wollen bis zu drei Jahre Gefängnis für jeden, der „in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt.“ Dies würde dann ein Verbot der geschäftsmäßigen (das heißt auf Wiederholung angelegten), auch kostenlosen Suizidunterstützung bedeuten, wie es bislang noch mehrere Sterbehilfe-Vereine anbieten. Einen Sonderfall soll es allerdings geben: Straffrei sollen diejenigen bleiben, die nur in einem Einzelfall und ohne eigenen Vorteil bei einer Selbsttötung geholfen haben. Diesem Antrag werden bei der Abstimmung im Deutschen Bundestag derzeit die größten Chancen eingeräumt.

Antrag 3 wurde von einer Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Linke) vorgelegt. Sie wollen künftig die kommerzielle Suizidhilfe mit Gefängnis bestrafen. Ist die Suizidhilfe allerdings nicht gewerbsmäßig, unentgeltlich und ohne Gewinnabsicht, soll sie straffrei möglich sein. Dies soll auch für Ärzte möglich sein. „Die Hilfe zur Selbsttötung kann eine ärztliche Aufgabe sein und darf Ärzten nicht untersagt werden. Dem entgegen stehende berufsständische Regelungen sind unwirksam.“ Bislang haben zehn der 17 Landesärztekammern die ärztliche Suizidhilfe ausdrücklich verboten.

Antrag 4 einer Gruppe um Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), Dr. Karl Lauterbach und Burkard Lischka (beide SPD) beschäftigt sich – ähnlich wie auch Antrag 3 – speziell mit dem ärztlichen Standesrecht. Die Gruppe will im Zivilrecht entgegen des ärztlichen Standesrechts festlegen, dass Ärzte doch Suizidbeihilfe unter bestimmten Bedingungen leisten dürfen, zum Beispiel bei einer unheilbaren Erkrankung, die „unumkehrbar zum Tod führt“.

Antrag 5, eingebracht von einer Gruppe um Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Sabine Sütterlin-Waack (CDU/CSU) und Brigitte Zypries (SPD), will nichts an der derzeitigen Gesetzeslage ändern.

Verfassungsexperten halten die Anträge, mit denen in das ärztliche Standesrecht eingegriffen werden soll, für verfassungswidrig, weil das ärztliche Berufsrecht Ländersache ist. (kv)

Die verschiedenen Arten der Sterbehilfe

Aktive Sterbehilfe: Es ist in Deutschland verboten, einen Menschen zu töten, auch wenn dieser ausdrücklich und ernsthaft seinen Wunsch zu sterben geäußert hat. Dieses so genannte „Töten auf Verlangen“ ist im Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren belegt.

Passive Sterbehilfe ist rechtlich möglich. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn beim Patienten eine unheilbar tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und die lebenserhaltenden Maßnahmen von den Medizinern reduziert oder sogar ganz beendet werden – vorausgesetzt, dieses Vorgehen entspricht dem Willen des Patienten. Gerade für solche Fälle gibt es die Patientenverfügung, an die sich die Ärzte dann auch halten müssen. Würden sie trotz anderslautender Patientenverfügung weiterbehandeln, könnten sie sich strafrechtlich gesehen sogar einer Körperverletzung schuldig machen.

Indirekte Sterbehilfe ist ebenfalls zulässig. Dies ist dann der Fall, wenn zum Beispiel die Gabe von starken Schmerzmittel vom Arzt mit dem Einverständnis des Patienten (!) nach oben gefahren wird, um dessen Schmerzen und Qualen zu verringern, gleichzeitig dabei die Möglichkeit billigend in Kauf genommen wird, dass diese Medikamentendosis eventuell zum Tode führen kann. Der Tod wird aber nicht direkt gewollt. Würde der Arzt die Schmerzmittel ausschließlich nur deshalb geben, um den Tod des Schwerkranken gezielt herbeizuführen, müsste er mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Andererseits kann er auch gegebenenfalls wegen Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung strafrechtlich belangt werden, wenn er schmerzlindernde Medikamente dem schwer leidenden Patienten verweigern würde.

Hilfe zur Selbsttötung: Darum geht es in der aktuellen Diskussion. Hier muss die Person, die ihr Leben beenden möchte, selbst und alleine den letzten, entscheidenden Schritt tun. Ein Helfer darf bislang straffrei zum Beispiel einen todbringenden Medikamenten-Cocktail bereitstellen. Die Beihilfe zum Selbstmord steht nicht unter Strafe, weil auch die Haupttat (der Suizid) straffrei ist. Allerdings müsste der Helfer sofort Hilfe holen, nachdem der Patient die todbringenden Tabletten genommen hat, weil er sich sonst der unterlassenen Hilfeleistung schuldig macht. Und dafür kann es dann sogar eine Haftstrafe geben. Ethisch und rechtlich problematisch wird es, wenn die Beihilfe zum Selbstmord geschäftsmäßig und sogar gegen Bezahlung erfolgt. (kv)

Sterbehilfe – ein schwieriges Thema in der Diskussion: (von links) Dekan i.R. Heinz Haag, Chefarzt Dr. Johannes Mühler, MdB Dr. Anja Weisgerber, MdB Dr. Silke Launert, Moderatorin Beate Glotzmann und der CSU-Ortsvorsitzende Markus Reuß.
Foto: Klaus Vogt | Sterbehilfe – ein schwieriges Thema in der Diskussion: (von links) Dekan i.R. Heinz Haag, Chefarzt Dr. Johannes Mühler, MdB Dr. Anja Weisgerber, MdB Dr.
 
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  • Wenn sich jemand selbst tötet, ist das kein Mord. Der Einfluss der Kirchen ist „gottseidank“ rückläufig, daher werden Suizide bei alten, kranken Menschen häufiger werden. Das ist im Prinzip gut so, denn den „lieben Gott“ kümmert es nicht, wenn jemand schwer leidet. Und mit dem Herauszögern des Todes werden zig Millionen Euro verdient. Die unter 50 Fälle pro Jahr bei Sterbehilfe Hamburg sind im Vergleich nicht der Rede wert. Das Brand-Griese-Gesetz ist ein Elefant im Porzellanladen. Kaum ein Arzt wird sich noch trauen, beim Suizid zu helfen und dann abzuwarten, was ein Richter davon hält. Ergo werden Menschen unnötig lange Qualen erleiden oder sich erhängen, erschließen, in die Tiefe oder vor Züge stürzen. Und dies früher als wenn sie sich auf ärztliche Hilfe, die einen sanften Tod bringt, verlassen könnten. Das Brand-Griese-Gesetz (den Rest kann man vergessen) ist christlich motiviert, (aus Naivität?) inhuman und bevormundend. 80% der Bevölkerung wollen das nicht.
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