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Schweinfurt
Für die Sternwarte: Schaeffler macht das Licht aus
Das hell leuchtende Firmenlogo von Schaeffler und eine angestrahlte Werbetafel sorgen für reichlich Streulicht. Und das mag man in der benachbarten Sternwarte gar nicht.
Blick auf die Sternwarte der Walther Rathenau Schule. Im Hintergrund (Bildmitte) der Komet Neowise.
Foto: Michael Sessler | Blick auf die Sternwarte der Walther Rathenau Schule. Im Hintergrund (Bildmitte) der Komet Neowise.
Bearbeitet von Horst Breunig
 |  aktualisiert: 09.02.2024 01:19 Uhr

Im Herzen der Stadt Schweinfurt, auf dem Dach der Walther Rathenau Schule, steht die zur Schule gehörende Sternwarte (www.Sternwarte-Schweinfurt.de). Im Rahmen des Physik- und Astronomieunterrichts haben die Schüler hier die Möglichkeit, erste Eindrücke von den unendlichen Weiten des Alls zu sammeln. Manche beschäftigen sich auch nach ihrer Schullaufbahn mit der Wissenschaft rund um Sonne, Mond und Sterne.

Einer davon ist Michael Sessler, der 2002 sein Abitur am Rathenau Gymnasium machte. "Böse Menschen behaupten, ich wäre nach dem Abi öfter im Schulgebäude als vorher", sagt er scherzend, mit dem Schlüssel zur Sternwarte in der Hand. Seit 20 Jahren hilft er ehrenamtlich mit, die Sternwarte betriebsbereit zu halten und sie im Rahmen von Sternwartenführungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Bei den nächtlichen Beobachtungen sehr lichtschwacher Objekte, wie seinem Lieblingsobjekt, dem Galaxienpaar M81 und M82, fiel Michael Sessler auf, dass es von Jahr zu Jahr schwieriger wurde, Besuchern die Objekte zu zeigen. Der Grund: Die "Lichtverschmutzung". Künstliches Licht, das in den Himmel strahlt, in der Atmosphäre gestreut wird und Lichtglocken über den Städten bildet. Dadurch wird der Himmel heller, und die Sterne verlieren an Kontrast.

Der nächtliche Blick aus der Rathenau-Sternwarte in Richtung Schaeffler, einmal mit regulärer Beleuchtung, und einmal mit abgeschaltetem Schriftzug und Reklametafel.
Foto: Anand Anders | Der nächtliche Blick aus der Rathenau-Sternwarte in Richtung Schaeffler, einmal mit regulärer Beleuchtung, und einmal mit abgeschaltetem Schriftzug und Reklametafel.
Für die Sternwarte: Schaeffler macht das Licht aus
Foto: Anand Anders

Viele Hobbyastronomen besitzen daher inzwischen eigene, tragbare Teleskope, mit denen sie Nächte weit außerhalb von Siedlungen verbringen. Kürzlich schloss sich Sessler den "Paten der Nacht" (www.Paten-der-Nacht.de) an – eine bundesweite ehrenamtliche Initiative, die sich dafür einsetzt, Bevölkerung und Politik für das Thema Lichtverschmutzung zu sensibilisieren und aufzuklären, wie man Straßen und Wege sparsam und effizient beleuchten kann, ohne dabei die Lichtglocken immer weiter wachsen zu lassen.

Besonders ärgerlich für alle Besucher der Sternwarte sind die Lichtquellen im direkten Umfeld der Sternwarte. Beim Blick aus der Sternwartenkuppel über die Stadt stechen einige "Lichtsünden" besonders ins Auge: Reklametafeln, die die ganze Nacht hindurch hell beleuchtet werden, und Laternen, die ihr Licht nicht nur auf den Boden, sondern auch in den Himmel und zum Teil sogar direkt in die Sternwarte hinein strahlen.

Michael Sessler am Teleskop in der Sternwarte der Rathenau-Schulen.
Foto: Anand Anders | Michael Sessler am Teleskop in der Sternwarte der Rathenau-Schulen.

Direkt gegenüber der Sternwarte befindet sich ein Standort des Automobilzulieferers Schaeffler. Dessen noch relativ neue LED-Parkplatzbeleuchtung sowie seine riesige Reklametafel und der obligatorische hellgrüne Schaeffler-Schriftzug fallen dem Hobbyastronomen beim Öffnen der Sternwartenkuppel direkt ins Auge. "Um sich vollständig an die Dunkelheit anzupassen benötigt das menschliche Auge bis zu 30 Minuten. Blickt man dann aber auch nur einmal kurz in einen dieser blendenden weißen Punkte da drüben, dann ist die Nachtsicht schlagartig dahin. Das Auge verkleinert reflexhaft die Pupille, um sich vor zu viel Licht zu schützen. Bis man dann wieder richtig sieht dauert es wieder eine halbe Stunde", erklärte Michael Sessler den drei Herren der Firma Schaeffler, die im Dezember auf seine Bitte hin mit ihm die Sternwarte besuchten.

Anfangs noch etwas skeptisch, begannen die drei nach einiger Zeit, das Problem zu erkennen, und es entstand laut Sessler eine Kontroverse über Sicherheit, Arbeitsschutz, gesetzliche Vorgaben, DIN-Normen, Umweltschutz, Energieverbrauch, Immissionsschutz und Lichtverschmutzung. 

Eine Licht-aus-Hotline für die Sternwarte

Einige Wochen Später erhielt Michael Sessler einen Brief von Schaeffler. Wie versprochen wurde eine elektrische Schaltung so verändert, dass die Leuchtreklame und der Schaeffler Schriftzug gegenüber der Sternwarte unabhängig von anderen Stromkreisen abgeschaltet werden können. Auf einem Informationsblatt finden die Benutzer der Sternwarte seitdem die Telefonnummer des Werksschutzes, der die Leuchtreklame bei Bedarf für die Dauer astronomischer Beobachtungen ausschalten kann.

Diese Aufnahme des Kometen Neowise wurde mit dem Teleskop der Sternwarte, Brennweite 2400 Millimeter, gemacht.
Foto: Michael Sessler | Diese Aufnahme des Kometen Neowise wurde mit dem Teleskop der Sternwarte, Brennweite 2400 Millimeter, gemacht.

Auf die Leuchtreklame zu verzichten kommt für Schaeffler nicht in Frage, ebensowenig eine generelle Abschaltung ab 22 Uhr, wie von Michael Sessler vorgeschlagen. Die "Licht-aus-Hotline" ist ein Kompromiss, mit dem beide Seiten leben können. Schaeffler versprach demnach auch, die Parkplatzbeleuchtung im Laufe des Jahres so umzugestalten, dass eine Abstrahlung in den Himmel und die Sternwarte vermieden wird. 

"Wir danken der Fima Schaeffler für ihre Einsicht und ihre Bemühungen und sind auf die Verbesserungen gespannt," bedankt sich Michael Sessler im Namen der Sternwarte. Bis die Besucher der Sternwarte etwas davon haben wird es leider noch dauern, denn wegen der Corona Pandemie finden derzeit keine Sternwartenführungen statt. Für den Pressetermin dieser Redaktion wurde die Abschaltung erstmals "bestellt": mit Erfolg. 

Der Kampf gegen die Lichtverschmutzung geht für Sessler trotzdem weiter. Die "Paten der Nacht" veranstalten am 17. September die erste "Earth-Night" – ein Projekt für "wenigstens eine dunkle Nacht pro Jahr". Ziel ist es, möglichst viele Städte, Gemeinden, Firmen und Privatpersonen dazu zu bewegen, wenigstens einmal im Jahr um 22 Uhr die Außenbeleuchtung abzuschalten oder zu reduzieren. Die Paten der Nacht wollen damit auf die gravierenden ökologischen Folgen der stetig zunehmenden Lichtverschmutzung aufmerksam machen.

Der Komet C/2020 F3 Neowise über dem Schweinfurter Baggersee.
Foto: Michael Sessler | Der Komet C/2020 F3 Neowise über dem Schweinfurter Baggersee.
 
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