Ein Tag im Paradies. Der letzte sozusagen. Morgens, kurz nach Sonnenaufgang, sitzen Adam und Eva traulich und unbekleidet beisammen und blicken auf eine weite Ebene des Friedens und der Eintracht. In der nächsten Szene scheint noch die Sonne, allerdings braut sich schon das Unwetter zusammen, im meteorologischen wie im theologischen Sinne: Eva bringt Adam dazu, von der verbotenen Frucht zu essen. Die dritte Szene führt direkt in die Nacht: Der Engel verweist Adam und Eva des Paradieses. Bäume und Felsen bilden eine Pforte, durch die von hinten das verlorene Licht leuchtet. Vor Adam und Eva liegt karge Düsternis. Immerhin: Der aufgehende Mond verweist darauf, dass es auch eine Welt außerhalb des Paradieses gibt, wenn auch keine ganz so komfortable.
Die drei Szenen sind Teil eines Zyklus aus 26 Ölgemälden zu Themen aus dem Alten Testament, den Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863) in den Jahren 1856/57 malte. 25 dieser Bilder zeigt das Museum Georg Schäfer ab 28. Februar in seiner neuen Sonderausstellung „Biblische Landschaften – Das Paradies als ein Frühlingsmorgen“.
Die Ausstellung mit 30 Gemälden und 50 Zeichnungen begleitet das Luther-Themenjahr „Reformation – Bild und Bibel“, Pfarrer Siegfried Bergler, Öffentlichkeitsbeauftragter des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Schweinfurt, hat die Gemälde theologisch bearbeitet. Zwei weitere Ausstellungen werden folgen, im Museum Otto Schäfer und ab Ende Oktober in der Kunsthalle, deren Triennale den Titel „Gott und die Welt“ tragen wird (siehe Februar-Ausgabe).
Die Biblischen Landschaften gehören zum Spätwerk Schirmers. Die skizzenhaft ausgeführten Gemälde greifen das Thema Ideallandschaft wieder auf und erinnern eher an die Landschaftsmalerei des 17. Jahrhunderts etwa eines Claude Lorrain als an die realistischen Zeitgenossen Schirmers. Der Ansatz ist denn auch ein rückwärtsgewandter, sagt Kuratorin Karin Rhein: „Es ging Schirmer um die Erhebung der Landschaft über das Realistische hinaus. Er strebte nach einer ganzheitlichen Sicht auf die Schöpfung Gottes. Die Landschaft wird dabei zu einem wesentlichen Teil der Offenbarung und des Geschehens. Sie reflektiert die Stimmung der Handlung und ihre allgemeingültige Bedeutung für die Menschen.“
Nicht unähnlich den Freskenzyklen der Renaissance erzählt Schirmer richtige Bildergeschichten, verständlich auch für den weniger bibelfesten beziehungsweise gebildeten Betrachter. Kain erschlägt Abel, Kain flieht, Adam und Eva trauern um Abel. Oder: Im Vordergrund der Götzendienst, im Hintergrund die Arche. Dann die Sintflut, verzweifelt klammern sich die Ertrinkenden an die letzten Äste oder Felsen, die noch aus dem Wasser ragen, während – wiederum im Hintergrund – die Arche davon schwimmt. Nachdem die Flut zurückgegangen ist, bleibt schlammigbraunes Geäst im Vordergrund zurück, während Noah im Mittelgrund das Dankopfer feiert und im Hintergrund die ausgediente Arche schief auf einem Felsen sitzt. Licht und Landschaft sind nicht nur wie Bühnenbilder komponiert, sie spielen auch als Akteure mit: Herannahende Wolkenbänke stehen für unausweichliches Unheil, Regenbogen für versöhnlichen Neubeginn.
1855 hatte Schirmer den Zyklus schon einmal geschaffen – als großformatige Kohlezeichnungen auf Papier. Er war damals frisch ernannter Gründungsdirektor der Karlsruher Kunstschule, es gab noch keine Ateliers, da bot es sich an, in weniger aufwändigen Techniken zu arbeiten. Außerdem hatte Schirmer 1850 in Paris neue Möglichkeiten zum Fixieren von Kohle kennengelernt. Der Zyklus war äußerst erfolgreich. „Die Blätter waren sieben Jahre lang ununterbrochen auf Ausstellungstournee durch ganz Deutschland“, erzählt Karin Rhein. Was deren teilweise schlechten Zustand erklärt. Die Zeichnungen sind dennoch überraschend filigran und facettenreich gearbeitet.
Der Kohlezyklus wird als Leihgabe der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe komplett zu sehen sein, ebenso weitere Arbeiten Schirmers und seiner prominenten Vorbilder wie Joseph Anton Koch, Friedrich Preller oder Schüler wie Arnold Böcklin, Hans Thoma oder Philipp Röth.
Der Gemäldezyklus ist im mittleren Raum zu sehen – schon Schirmer hatte gefordert, er möge in einem einzigen Raum ausgestellt werden. Dank einer zusätzlichen Stellwand gelingt das im Museum Georg Schäfer. Zusätzlich gelingt auch, dass so erstes (Frühlingsmorgen im Paradies) und letztes Motiv (Das Begräbnis Abrahams) gleichzeitig zu sehen sind – ein weiterer Verweis auf Schirmers Absicht, den ewigen Kreislauf des Lebens erlebbar zu machen.
Das fehlende Gemälde – Motiv Nummer 10, Die erste Predigt des Herrn im Stamme Seth – ist übrigens im Besitz der Stiftung museum kunst palast Düsseldorf. Und die wollte es nicht herleihen, bevor sie nicht selbst den Zyklus erstmals wieder vollständig gezeigt hat, erzählt Karin Rhein. Wozu es in nicht allzu ferner Zukunft mit Schweinfurter Hilfe kommen soll.
Eröffnung am Samstag, 28. Februar, 15 Uhr. Bis 24. Mai.
Biblische Landschaften – die Gemälde
Von den 26 Gemälden, die Schirmer ab 1856 malte, befinden sich 25 im Museum Georg Schäfer. Eines, „Die erste Predigt des Herrn im Stamme Seth“, gehört der Stiftung museum kunst palast, Düsseldorf. Dieses Gemälde konnte für die Ausstellung nicht ausgeliehen werden. Den gesamten Zyklus hat 1870 der Galerieverein Düsseldorf erworben. Er war ab 1881 im Neubau der Düsseldorfer Kunsthalle ausgestellt.
1937 wurden 25 Gemälde an die Deutsche Botschaft in London ausgeliehen, um die Räume dort zu schmücken. 1945 wurde die Botschaft von den Briten übernommen, die Ausstattung samt Kunstwerken konfisziert. Letztere wurden 1946 auf einer Auktion in London versteigert. Der Erlös wurde als Teil der Reparationszahlungen betrachtet. Dem Potsdamer Abkommen von 1945 zufolge sollte jedes Land innerhalb der eigenen Zuständigkeit deutsches Vermögen behalten können. Von der Auktion, die unter dem Titel „Superior Furniture“ lief, erfuhren die Herkunftsmuseen nichts, auch die Herkunft der Bilder wurde im Katalog nicht genannt. Einem Dokument in den National Archives lässt sich entnehmen, dass die 25 Biblischen Landschaften Schirmers für 69 Pfund an einen Käufer namens Berendt abgegeben wurden.
Sieben Jahre später, im Dezember 1953, wurden die Werke bei der Münchner Galerie Alexander Gebhardt für die Sammlung Georg Schäfer erworben. 2005 wurden sie als Zustiftung Teil der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung und befinden sich seitdem im Museum Georg Schäfer. Es besteht der Wunsch, den gesamten Zyklus bald einmal wiedervereint zu zeigen. Bis dahin sollen noch bestehende Lücken in der Geschichte der Bilder geklärt werden. Karin Rhein, MGS