Jedes Frühjahr das gleiche Bild: Menschen in orangenfarben Jacken laufen aufmerksam die Straßengräben entlang. Alle paar Meter strecken sie die Spitze der metallenen Greifzange, die sie in der Hand halten, ins Gras, picken etwas auf und lassen es in einem Eimer oder Sack verschwinden.
In Zweiertrupps arbeiten sich die Mitarbeiter der Straßenmeisterei des Landkreises so voran. Ein Trupp im linken Straßengraben, einer im rechten. Ein fünfter Kollege zuckelt am Steuer eines Pritschenwagens auf der Straße nebenher. Auf dessen Ladefläche landet am Ende das, was die Kollegen aufgepickt haben: Dosen, Flaschen, Einwegverpackungen, Hamburger-Schachteln und alles, was sonst noch als Müll in den Straßengräben landet.
Die Aktion, zu der die Mitarbeiter des Kreisbauhofs von Niederwerrn und vom Stützpunkt in Gerolzhofen aus starten, heißt intern "Osterputz", wegen des Zeitraums rund um Ostern. Zusammengerechnet gehören dem Landkreis rund 220 Straßenkilometer – ohne die Ortsdurchfahrten – sagt Norbert Müller, der als Hauptstraßenmeister die Verantwortung für dieses Streckennetz trägt. Da es beidseits der Straßen Gräben gibt, sind es 440 Kilometer, die seine Mitarbeiter jedes Frühjahr ablaufen und dauere etwa drei Wochen.
Mitarbeiter inspizieren die Straßengräben genau
"Das ist sehr aufwändig", gibt der , so der Hauptstraßenmeister zu. Während dieses Zeitraums sind im Landkreis normalerweise zwei Trupps mit je fünf Mann mit Müllsammeln beschäftigt. Dennoch lohne sich der Aufwand, findet Müller. Die Hinterlassenschaften, die unbedachte Zeitgenossen aus ihren Fahrzeugen werfen, und die seine Mitarbeiter einsammeln, könnten später etwa Mähgeräte beschädigen.
Aus demselben Grund klauben sie auch größere Steinbrocken aus den Gräben; sie wären Gift für das Mähwerk. Und noch ein Umstand spricht aus Sicht des Straßenmeisters für den Fußmarsch durch die Gräben: Auf diese Weise werden die Straßenränder nach dem Winter ordentlich inspiziert, viel genauer, als dies im Vorbeifahren möglich wäre. "Auch deshalb liegt mir der Osterputz am Herzen", sagt Müller.
In Herlheim wohnt ein Landwirt, dem die Sauberkeit der Straßengräben ebenfalls wichtig ist. Wenn Anton Bedenk am Steuer seines Traktors sitzt, hat er einen guten Überblick – und sieht tief in die Straßengräben hinein. Was er dort erblickt, macht ihn wütend: Alle paar Meter liege dort etwas, was nicht dort hingehöre, erzählt er beim Anruf in der Redaktion.
Besonders sind ihm in den vergangenen beiden Jahren in den Straßengräben rund um Herlheim leere Weißwein-Tetra-Paks aufgefallen, wie er gegenüber dieser Redaktion berichtet. "Immer die gleichen grünlichen Kartons."
Zahl der Weißwein-Packungen fällt auf
Und tatsächlich: Beim Ortstermin zwischen Herlheim und Zeilitzheim bestätigt sich das Bild, das der Landwirt geschildert hat. Auf einer Strecke von nicht einmal einem Kilometer liegen an diesem Tag acht der beschriebenen 1,5-Liter-Getränkeverpackungen. Die Beschreibung des Inhalts teils auf Englisch, teils auf Deutsch ("Ratstropfen"). Weitere Wein-Verpackungen liegen in einer Hecke, manche davon augenscheinlich schon seit längerem.
Bei der Straßenmeisterei kennen sie solche Fälle, bestätigt Straßenmeister Müller. Es gibt Strecken, auf denen bestimmte Getränkeverpackungen massenhaft in den Gräben liegen. Joachim Bördlein, Stützpunktleiter in Gerolzhofen, erinnert sich an einen Abschnitt, wo über 100 Sechs-Ämter-Tropfen-Flaschen zwischen zwei Ortschaften lagen.
Anderswo sind es unzählige Bierflaschen, die immer wieder an fast der gleichen Stelle aus dem Autofenster fliegen. Dabei handelt es sich oft um Müll, der problemlos ordentlich entsorgt werden könne, wie zum Beispiel Tetra-Packs in die Gelbe Tonne oder Flaschen in den Containern (Einweg) oder im Getränkehandel (Mehrweg), bestätigt der Straßenmeister.
Pfand auf Einwegverpackungen hat geholfen
Die Menge des entlang der Kreisstraßen gesammelten Mülls ist in den vergangenen Jahrzehnten dennoch gesunken. Müller ist seit dem Jahr 1987 Straßenmeister im Landkreis Schweinfurt. "Anfang der 90er Jahre", berichtet er, "haben wir in den Gräben noch sehr viele Flaschen und Dosen gesammelt." Deren Anteil ist seitdem um über 90 Prozent gesunken, schätzt er. Verantwortlich dafür sei vor allem die Einführung des Pflichtpfands auf Einweg-Getränkeverpackungen.
Den größten Anteil am Müll in den Straßengräben haben jetzt Fast Food-Verpackungen. Am extremsten sei die Verschmutzung entlang der Kreisstraße zwischen Gochsheim und Grafenrheinfeld, wo sich Industriebetriebe und Speditionen ballen. Überhaupt liege rund um Schweinfurt deutlich mehr Müll in den Gräben als in der Peripherie. Richtung Steigerwald und Haßberge, so Müller, reduziere sich die Müllmenge merklich.
Pro Jahr sind es etwa acht bis zehn Tonnen Müll, den die Mitarbeiter der Straßenmeisterei beim Osterputz, der für dieses Jahr so gut wie beendet ist, aus den Gräben angeln. Ende der 80er Jahre, erinnert sich der Straßenmeister, waren es noch zwischen 30 und 35 Tonnen pro Jahr.
Damit sich der Trend fortsetzt, bleibt Müller nur eines: Der Appell an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer, dass jeder den Müll, den er verursacht, doch bitte ordentlich entsorgt.
Mich wundert nur, dass Corona-Masken keine Erwähnung finden. Die fliegen doch mittlerweile überall achtlos rum, nur offensichtlich auf diesem Streckenabschnitt nicht. Sollten vielleicht bei der nächsten Pandemie - sofern es sich um eine Atemwegs-Pandemie handelt - bepfandet werden.